Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachfolgend gebe ich Euch ein weiteres Urteil aus Frankfurt am Main zum Thema Sachverständigenkosten bekannt. Diesesmal eine richtige Begründung der Amtsrichterin aus der Abteilung 32, im Gegensatz zu unserer Veröffentlichung vom 20.04.2012. Ob die Kolleginnen und Kollegen sie auf die zutreffende Rechtsprechung der anderen Dezernate hingewiesen haben? Lest bitte selbst und gebt Eure Meinungen kund.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Frankfurt am Main Verkündet am: 20.1.2012
Aktenzeichen: 32 C 1097/11 (72)
I m N a m e n d e s V o l k e s
U r t e i l
In dem Rechtsstreit
Kfz-Sachverständiger
Kläger
gegen
HUK Coburg-Allgemeine Versicherungs AG vertr.d.d.Vorstand Stefan Gronbach, Lyoner Str. 10, 60528 Frankfurt am Main
Beklagte
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin … auf die mündliche Verhandlung vom 05.01.2012 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 485,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 10.11.2011 zuzahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 12,6 Prozent und die Beklagte 87,4 Prozent zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da gegen das Urteil ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht gegeben ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB gegen die Beklagte ein Schadenersatzanspruch in Höhe der von der Beklagten nicht beglichenen Kosten für die Einholung des klägerseits gefertigten Sachverständigengutachtens in tenorierter Höhe zu.
Die Geschädigte hat mittels der Abtretung vom 31.10.2011 ihren Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten einschließlich Mehrwertsteuer gegen die Beklagte aus dem Unfall vom 19.08.2010 wirksam an den Kläger abgetreten.
Die geltend gemachten Ansprüche sind auch in ihrer Höhe berechtigt. Der Einwand der Beklagten, die von dem Kläger für die Gutachtenserstellung gegenüber der Geschädigten in Rechung gestellten Kosten seien überhöht und damit nicht ersatzfähig, dringt nicht durch. Aufgrund der alleinigen Beurteilung des Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Sachverständigenkosten anhand ihrer Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB kommt es auf die Frage der Üblichkeit des Honorars i.S.d. § 632 BGB und damit auf die Frage, ob als Schätzgrundlage eine Pauschale im Verhältnis zur Höhe der Reparaturkosten, die BVSK Honorarumfrage oder ein von der Beklagten erzieltes Gesprächsergebnis zugrunde zu legen ist, nicht entscheidungserheblich an.
Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens sind gemäß § 249 BGB als Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte, dem Grunde nach erstattungsfähig. Aus dem Grundanliegen des § 249 BGB, dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen, folgt für die Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung für zweckmäßig und notwendig halten durfte und in vernünftigen Grenzen gehalten hat, dass eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten, zu nehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1996 – VI ZR 138/95, NJW 1996, 1958). Aus der Höhe der für die Gutachtenserstellung dem Geschädigten in Rechnung gestellten Kosten – mit Ausnahme des Vorliegens eines Auswahlverschuldens oder bei fehlerhaften Angaben gegenüber dem Gutachter sowie bei Bagatellschäden – kann daher regelmäßig nicht auf deren fehlende Erforderlichkeit geschlossen werden. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. Solange für den Geschädigten als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich der an den Sachverständigen gezahlten Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006 – 4 U 49/05 ; AG Frankfurt am Main, Urteil 20.12.2011 -31 C 1623/11 (16); Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Auflage, 2011, §249 Rn. 58 jeweils m.w.N.). Anhaltspunkte für solch ein Auswahlverschulden der Geschädigten und Zedentin … bei ihrer Entscheidung zur Beauftragung des Klägers oder für eine für die Zedentin erkennbare Überhöhung von dessen Gebühren sind weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen. Dass die berechneten Gutachterkosten eine derartige Höhe erreicht haben, dass bei einer Privatperson wie der Zedentin vernünftigerweise Zweifel an der Richtigkeit der Rechnung aufkommen mussten, ist insbesondere unter Berücksichtigung der Aufschlüsselung der angefallenen Kosten im Einzelnen nicht erkennbar.
Nach wirksamer Abtretung stehen dem Kläger als Rechtsnachfolger die Schadenersatzansprüche der Zedentin auf Ersatz der Gutachterkosten in vollem Umfang zu. Da die Beklagte auf den Rechnungsbetrag von 718,64 EUR nur eine Zahlung in Höhe von 233,00 EUR geleistet hat und somit nur in Höhe dieses Zahlungsbetrages Erfüllung gemäß § 362 BGB eingetreten ist, besteht der Anspruch in geltend gemachter Höhe.
Die als Verzugsschaden begehrten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nicht nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB erstattungsfähig. Zum Zeitpunkt der Beauftragung der anwaltlichen Vertreter des Klägers befand sich die Beklagte nicht in Verzug. Die Abtretung vom 02.09.2010 war aufgrund fehlender Bestimmtheit der abgetretenen Forderungen unwirksam. In der Folge war der Kläger bis zum Vollzug der Abtretung vom 31.10.2011 nicht aktiv legitimiert und die Beklagte damit vorangehend trotz der anwaltlichen Zahlungsaufforderung vom 04.03.2011 nicht in Verzug.
Entsprechend sind die geltend gemachten Zinsansprüche gemäß §§280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 2, 288 BGB erst ab Zustellung der die Abtretungserklärung der Zedentin vom 31.10.2011 als Anlage enthaltende Anspruchsbegründung zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Da – ausgehend von einem die Nebenforderungen beinhaltenden fiktiven Streitwert – der abgewiesene Teil der Nebenforderungen 10 Prozent übersteigt, war eine Kostenteilung entsprechend der vorgenommenen Tenorierung vorzunehmen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht zuzulassen.
Servus miteinander,
das Urteil zeigt doch, dass auch Richterinnen lernen können. Wenn es jetzt bei der richtigen Rechtsprechung bleibt, dann ist es ja gut.