Mit Entscheidung vom 28.10.2015 (32 C 3518/15 (22)) wurde die HUK Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. durch das Amtsgericht Frankfurt am Main zur Erstattung außergerichtlich (rechtswidrig) gekürzter Sachverständigenkosten in Höhe von 217,39 € zzgl. Zinsen und Verfahrenskosten verurteilt. Geklagt hatte der Geschädigte gegen die HUK. Wieder eine positive Entscheidung aus Frankfurt am Main auf Grundlage des Schadensersatzrechts gem. § 249 BGB und eine wertvolle Bereicherung für unsere HUK-Coburg-Urteilsliste zu den Sachverständigenkosten.
Amtsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 32 C 3518/15 (22)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
HUK Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftf. Beamter Deutschlands aG, v.d.d. Vorstand, Lyoner Str. 10, 60528 Frankfurt am Main
Beklagte
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin B. am 28.10.2015 im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 217,39 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1 S. 1 i. V. m. 511 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten, deren Haftung aus dem streitgegenständlichen Unfall zwischen den Parteien unstreitig ist, ein Anspruch auf weiteren Schadensersatz in Höhe der von der Beklagten nicht übernommenen Sachverständigenkosten in Höhe von 217,39 Euro aus §§ 7, 17, 18 StVG, § 115 Abs. 1 VVG zu.
Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Beklagte den Schaden aus dem Unfallereignis vom 18.06.2015 dem Grunde nach zu 100 % zu erstatten hat.
Die von dem Kläger geforderten Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen … vom 26.06.2015 (Gutachten-Nr.: … ) in Höhe von 614,39 Euro sind als erforderlicher Herstellungsaufwand gem. § 249 BGB anzusehen.
Denn die Schadensersatzpflicht gem. § 249 BGB umfasst auch Kosten der Schadensfeststellung, mithin die Kosten eines Sachverständigengutachtens (Palandt/Grüneberg 73. Auflage 2014, § 249 Rn. 58). Die Kosten für die Begutachtung des Schadens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen. Die Ersatzpflicht gem. § 249 BGB wird allerdings durch das Kriterium der Erforderlichkeit der Kosten begrenzt. Kosten von Sachverständigengutachten sind daher nur ersatzfähig, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2007, 1450 f.). Dabei sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen, sofern der Geschädigte jedenfalls den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt, wobei auch ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Honorar erstattungsfähig ist (BGH NJW 2007, 1450, Tz. 13).
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung im Sinne des § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, da sich in ihr die besonderen Umstände des Einzelfalls einschließlich der beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig niederschlagen (vgl. BGH, 11.02.2014, VI ZR 225/13). Die vom Bundesgerichtshof dargelegten Grundsätze gelten sowohl für das Grundhonorar als auch für die Nebenkosten (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 02.06.2014, Az. 2-01 S 213/13).
Im Rahmen der Schadensminderungspflicht, für die die Beklagte die Beweislast trägt, ist von dem Geschädigten zu fordern, dass er im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung wählt. Das Gebot zur wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung erfordert aber nicht, dass sich der Geschädigte so zu verhalten hat, als ob er den Schaden selbst zu tragen hat (BGH DS 2014, 90; BGH NJW 1992, 302). Denn in dem Fall, in dem der Geschädigte den Schaden selbst tragen muss, wird er nicht selten Verzichte oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligatorisch darstellen und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann.
Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektive Schadensbetrachtung anzustellen. Maßgeblich für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten ist, ob die angefallenen Sachverständigengebühren Aufwendungen darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen für zweckmäßig und notwendig erachten durfte. Hierbei ist eine subjektbezogene Schadenbetrachtung vorzunehmen, d. h., es ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen, insbesondere auf seine individuellen Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten.
Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Er ist vor Beauftragung eines Sachverständigen nicht gehalten, entsprechende Vergleichsangebote einzuholen. Da es bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten fehlt, geschweige denn an allgemein zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, wird der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Erst wenn für ihn als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, kann er nicht mehr vollständigen Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.
Ausgehend von diesen Maßstäben durfte der Kläger als Geschädigter die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten, die sich an der Schadenshöhe orientieren, für erforderlich halten, zumal er als Privatperson regelmäßig keine Kenntnis von den Einzelheiten der Preisgestaltung von Sachverständigengutachten haben dürfte. Insofern hat der Beklagte keine Anhaltspunkte dargetan, die ein Auswahlverschulden des Klägers bei der Auswahl des Sachverständigen begründen. Die Beklagte hat im Rahmen des § 254 BGB auch nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger eine Überhöhung der Kosten hätte erkennen können. Allein die Fülle der ergangenen Rechtsprechung zu der Höhe der Nebenforderungen zeigt, dass es keine Honorargrundsätze gibt, die jedermann aus seinem subjektiven Empfängerhorizont gleichermaßen erkennen muss.
Aufgrund der alleinigen Beurteilung des Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Sachverständigenkosten anhand ihrer Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB kommt es auf die Frage der Üblichkeit i.S.d. § 632 BGB des Honorars nicht mehr entscheidungserheblich an.
Der danach bestehende Anspruch in Höhe von 614,39 Euro ist durch Zahlung in Höhe von 397,00 Euro teilweise erloschen. Es verbleibt ein Anspruch des Klägers über 217,39 Euro.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordern, § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO.
Gelle, da hätte Cornelia, das ist meine Sekretärin, wahrscheinlich von einem rattenscharfen Urteil gesprochen und angemerkt, dass Frauen auch als Richterinnen ihre Aufgaben deutlich pragmatischer erledigen als viele ihrer männlichen Kollegen.Ob das tatsächlich so stimmen könnte, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist aber, dass diese Richterin sich diszipliniert auf schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevante Randbedingungen beschränkt hat und insbesondere auf dieser Basis das Gesetz und die schadenersatzrechtlich bachtenswerte Rechtsprechung in den Focus gestellt hat, wie auch das ansonsten Beachtenswerte aus der Situation des Geschädigten mit der nicht zu negierenden ex ante Sichtweite des Unfallopfers, die honorarkürzende Versicherungen regelmäßig ausblenden. Ist das eigentlich den Gerichten bisher nicht aufgefallen?
Und noch etwas ist als herausstellungswürdig anzumerken:
Diese Richterin des AG Frankfurt hat längst getretenen Quark nicht noch breiter getreten, sondern mit anerkennenswerter Einfachheit und selbstverständlicher Kompetenz darauf verzichten können, irgendwelche Honorartableaus von Berufsverbänden als entscheidungserheblich in Betracht zu ziehen, wie auch den beliebten Pons mit der freiheitlichen „Schätzung“nach § 287 ZPO, die nahezu immer in der Zubilligung von Schadenersatz endet, weil bei manchen Gerichten der besonders freigestellte Tatrichter so beliebt ist. Damit waren auch jedwede vergleichenden Rechenkünste entbehrlich, die sowieso nach dem Überprüfungsverbot des BGH nicht veranlasst waren. Begreifen eigentlich einige Gerichte immer noch nicht, dass es schadenersatzrechtlich nichts zu prüfen und nichts zu rechnen gibt ? Und wenn das so ist, wäre die Frage nach dem „Warum“ dringlich zu beantworten. Hoffentlich stellt die CH-Redaktion kurzfristig auch einmal ein paar solcher Blindgänger hier ein, damit jedermann nachlesen kann, was gemeint ist.
Bad Homburger Bademeister