Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
wie bereits angekündigt, bleiben wir heute in der Region Frankfurt am Main. Jetzt stellen wir Euch noch ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main zu den restlichen Sachverständigenkosten gegen die Aachen Münchener Versicherungs AG vor. Allerdings kann das Urteil nicht ohne Kritik gelesen werden. Mangelhaft an dem Urteil ist, dass das erkennende Gericht die Honorar- und Nebenkostenwerte an irgendwellchen Prozenten festmachen will. Dabei vergißt das Gericht, dass es auf die Ex-Ante-Sicht des Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen ankommt. Eine Ex-Post-Betrachtung zur Preiskontrolle ist grundsätzlich untersagt, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat (vgl. BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann). Woher sollte der Geschädigte im Vorherein die vom Gericht (im Nachinein) gewählte Prozentregel kennen? Er kann und muss sie nicht kennen, wenn er ohne Auswahlverschulden einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe beauftragt. Im Schadensersatzrecht ist eine Prozentregel fehl am Platze. Lest selbst das Urteil aus Frankfurt am Main und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Frankfurt am Main Verkündet It. Protokoll am
Aktenzeichen: 31 C 2280/15 (74) 13.10.2015
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
Aachen Münchener Versicherung AG vertr. d.d. Vorstand, Aachen-Münchener-Platz 1, 52064 Aachen
Beklagte
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht L. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2015 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 591,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.05.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 78,90 € zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
(Auf die Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet).
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 591,74 € nach den §§ 7, 17, 18 StVG, 115 VVG in voller Höhe zu.
Der Kläger ist aktivlegitimiert, da er die Sachverständigenkosten ausweislich der Bestätigung des Sachverständigen … vom 17.06.2015 in voller Höhe an diesen bezahlt hat.
Die alleinige Haftung der Beklagten als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer des Unfallschädigers des Verkehrsunfalles vom 27.03.2015 ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten, die ihm zur Feststellung des Schadens und der Schadenshöhe aus dem Verkehrsunfallereignis vom 27.03.2015 entstanden sind, soweit diese als erforderlich im Sinne des § 249 Abs.2 S.1 BGB anzusehen sind. Erforderlich in diesem Sinne sind diejenigen.Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Hierbei ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt, Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf sein individuellen Erkenntnis – und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. In diesem Sinne muss ein Geschädigter bei der Beauftragung eines Kfz.-Sachverständigen keine Marktforschung betreiben, sondern er darf sich damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Lediglich wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.
Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger von vornherein hätte erkennen können, dass der von ihm beauftragte Sachverständige überhöhte Grund- und Nebenkosten für die Begutachtung ansetzt. Das vom Sachverständige … in Rechnung gestellte Grundhonorar unterschreitet den Maximalbetrag der bei der Beauftragung des Gutachtens abgeschlossenen Honorarvereinbarung vom 02.04.2015. Das in Rechnung gestellte Grundhonorar beträgt netto 877,11 € und liegt damit bei Reparaturkosten von 3.793,50 € und einer Wertminderung von 1.100,- € unter 20% der vom Sachverständigen ermittelten Gesamtschadenssumme. Es liegt damit in einem Rahmen, der jedenfalls von Teilen der Rechtsprechung gebilligt wird, die bei einem Nettoschaden bis zu 3.000,00 € ein Grundhonorar von netto 25% dieses Schadens, bei einem Nettoschaden bis zu 5.000 €
20% des Schadens grundsätzlich für angemessen und erforderlich erachtet.
Auch die separat in Rechnung gestellten Nebenkosten (Telefon- und Postgebühren, Fotographien und Schreibkosten für die Gutachtenausfertigungen, Fahrtkosten) mögen im oberen Bereich der von Kfz.-Sachverständigen üblicherweise geltend gemachten Nebenkosten liegen. Gleichwohl ist nicht erkennbar, dass die ausweislich des Gutach-tenauftrags sowie der Honorarvereinbarung vom 02.04.2015 vereinbarten und sodann vom Sachverständige … berechneten Nebenkosten eine Höhe erreichen, die bei dem Geschädigten vernünftigerweise Zweifel an der Erforderlichkeit der Rechnungshöhe aufkommen lassen mussten.
Dass die Höhe der Nebenkosten, prozentual gemessen am Grundhonorar, mit etwa 30 % sehr hoch ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Erhebung von Nebenkosten neben dem Grundhonorar ist allgemein üblich. Auch sind vom Sachverständigen … keine Tätigkeiten als Nebenkosten abgerechnet, die typischerweise vom Grundhonorar erfasst sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einer Berechnung des Grundhonorars abhängig von der Schadenshöhe die daneben geltend gemachten Nebenkosten, die sich nicht nach der Schadenshöhe berechnen, bei einem niedrigen Schaden prozentual zum Grundhonorar höher, bei einem hohen Schaden prozentual zum Grundhonorar niedriger sind.
Unter Berücksichtigung obiger Erwägungen sind die dem Kläger in Rechnung gestellten Gutachterkosten des Sachverständigen … , auch wenn diese im obersten Bereich der üblicherweise erhobenen Gutachterkosten liegen, insgesamt als erforderlich im Sinne des §§ 249 Abs.2 S.1 BGB anzusehen. Nachdem die Beklagte auf den Rechnungsbetrag von 1.353,34 € lediglich einen Teilbetrag von 761,60 € gezahlt hat, verbleibt ein erstattungsfähiger Betrag in Höhe von 591,74 €.
Nach oben Gesagtem hat die Beklagte den der anwaltlichen Gebührenrechnung für dessen vorgerichtliche Tätigkeit zu Grunde gelegten Geschäftswert zu Unrecht gekürzt mit der Folge, dass sie zur Zahlung weiterer vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 78,90 € verpflichtet ist.
Der weiter geltend gemachte Zinsanspruch ist nach den §§ 286, 288 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 11 ZPO. Vom Ausspruch von Schuldnerschutzanordnungen wird gemäß § 713 ZPO abgesehen.
Die Berufung wird nicht zugelassen, da keine der in § 511 Abs. 4 ZPO genannten Voraussetzungen vorliegt.