Hallo verehrte Captainn-Huk-Leserinnen und -Leser,
auch die VHV Allgemeine Versicherung AG musste durch das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main erfahren, dass eigenmächtige Schadenskürzungen in Form der berechneten Sachverständigenkosten nicht von der Rechtsordnung geduldet werden. Sie wurde daher – zu Recht – verurteilt. Hinzu kam, dass sie auch noch die allgemeine Unkostenpauschale und die Anwaltskosten in der durch Rechtsprechung festgelegten Höhe nicht erstatten wollte. Auch insoweit musste sie bei dem Gericht Nachhilfe nehmen. Lest daher selbst das Urteil aus Frankfurt am Main zu den Sachverständigenkosten, zur Unkostenpauschale und zu den Rechtsanwaltskosten gegen die VHV Allg. Versicherung und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Frankfurt am Main Verkündet lt. Protokoll am:
Aktenzeichen: 32 C 4954/14 (84) 26.02.2015
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
VHV Allg. Vers. AG vertr.d.d. Vorstand, Constantinstr. 90, 30177 Hannover
Beklagte
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin am Amtsgericht L. im Wege schriftlicher Entscheidung nach §§495a, 128 Abs.2 ZPO aufgrund des Schriftsatzschlusses vom 05.02.2015 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 161,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.07.2014 und 100,62 EUR für vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da gegen das Urteil ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht gegeben ist.
Entscheidungsgründe
Da die Voraussetzungen nach §495a ZPO vorlagen, konnte durch Endurteil entschieden werden.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der Klägerin steht gemäß §§823 Abs. 1 BGB, 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 249ff. BGB gegen die Beklagte ein Schadenersatzanspruch in tenoriertem Umfang zu.
I.
Der Schadenersatzanspruch der Klägerin Recht besteht in Höhe weiterer Sachverständigenkosten von 156,70 EUR. Aufgrund der alleinigen Beurteilung des Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Sachverständigenkosten anhand ihrer Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kommt es auf die Frage der Üblichkeit des Honorars i.S.d. § 632 BGB und damit auf die Frage, ob als Schätzgrundlage die BVSK-Honorarbefragung, eine Pauschale im Verhältnis zur Höhe der Reparaturkosten oder ein Zeithonorar zugrunde zu legen ist, und ob und in welcher Höhe Nebenkosten abrechenbar sind, nicht entscheidungserheblich an. Entscheidend für die Bejahung der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB der in Rechnung gestellten Sachverständigenvergütung ist vielmehr, dass vorliegend für den geschädigte Zedenten eine etwaige Überhöhung der ihm in Rechnung gestellten Sachverständigenvergütung nicht erkennbar war und er seine Pflichten zur Schadensminderung nicht verletzt hat.
Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens sind gemäß § 249 BGB als Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte, dem Grunde nach erstattungsfähig. Aus dem Grundanliegen des § 249 BGB, dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen, folgt für die Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung für zweckmäßig und notwendig halten durfte und in vernünftigen Grenzen gehalten hat, dass eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten, zu nehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1996 – VI ZR 138/95, NJW 1996, 1958). Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung betreiben (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, juris Rn. 7). Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschäftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, juris Rn. 9). Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung.des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besondere Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der- vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, juris Rn. 8). Die Beklagte hat gerichtlich auch keine Einwendungen gegen die Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung vorgetragen. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Klägerin von vomeherein hätte erkennen können, dass der von ihr beauftragte Sachverständige überhöhte Grundoder Nebenkosten für die Begutachtung ansetzen werde. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war sie gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet. Dass die vereinbarten und sodann berechneten Gutachterkosten eine derartige Höhe erreicht haben, dass bei der Geschädigten vernünftigerweise Zweifel an der Erforderlichkeit der Rechnungshöhe aufkommen mussten, ist nicht erkennbar.
Die Auslagenpauschale schätzt das Gericht in ständiger Rechtsprechung nach § 287 ZPO mit 25,00 EUR als ausreichend und angemessen, so dass die Klage insoweit hinsichtlich eines weiteren Betrages von 5,00 EUR Erfolg hat und im Übrigen abzuweisen war.
II.
Als Teil des nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzenden Schadens hat die Klägerin auch Anspruch auf Ersatz weiterer vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, allerdings nur im tenorierten Umfang.
Diese berechnen sich wie folgt aus einem Gegenstandswert von 2.044,45 EUR:
Geschäftsgebühr 1,3 nach W 2300 RVG: 261,00 EUR
Pauschale nach W 7002 RVG: 20,00 EUR
Akteneinsicht: 26,00 EUR
W 7000 RVG: 5,00 EUR
W 7008 RVG: 59,28 EUR
Gesamt: 371,28 EUR
+ Aktenversendungspauschale: 12,00 EUR
Gesamt: 383,28 EUR
Abzgl. gezahlter 276,08 EUR.
Gesamt: 107,20 EUR
Die Zahlung von Umsatzsteuer auf die Aktenversendungspauschale kann die Klägerin nicht verlangen. Bei der Aktenversendungspauschale handelt es sich um einen umsatzsteuerfreien durchlaufenden Posten. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt, § 10 Abs. 1 Satz 5 Umsatzsteuergesetz.
III.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.2 Nr. 1 ZPO, da die geringfügige Zuvielforderung Mehrkosten nicht verursacht hat. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
V.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordern, § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO. Die Frage der Beurteilung der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten ist mittels der Entscheidung des BGH vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 (juris) höchstrichterlich geklärt.