Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 23.06.2009 (30 C 281/09-45) auch bei fiktiver Schadensabrechnung die im Gutachten aufgeführten Stundenverrechnungssätze markengebundener Fachwerkstätten zugesprochen und darauf hingewiesen, daß der Geschädigte sich nicht auf sogenannte freie Werkstätten verweisen lassen müsse.
Das Urteil gebe ich wie folgt wieder:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 384,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.07.2008 zuzüglich weitere 36,40 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.07.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/6, die Beklagte 5/6 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs.1 ZPO verzichtet.
Die Klage ist nur zum Teil begründet.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes aus dem Verkehrsunfall vom 21.05.2008 lediglich in Höhe des tenorierten Betrages zu.
Soweit der Kläger eine von der Beklagten der Höhe nach bestrittene Unkostenpauschale von 26,00 € ersetzt verlangt, hält dieser Pauschalbetrag richterlicher Schadensschätzung (§ 287 ZPO) stand.
Zwar sind die Telefonkosten – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – in den letzten Jahren gesunken, jedoch erfordert das unzureichende Regulierungsverhalten vieler Kfz-Versicherungen mittlerweile einen deutlich erhöhten Aufwand der Geschädigten, wie auch dieses Verfahren zeigt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Kläger auch bei einer fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis die in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unter Zugrundelegung der dort üblichen – und im vorliegenden Fall mittlerweile der Höhe nach unstreitigen – Stundenverrechnungssätze verlangen und muss sich auch dann nicht auf die in einer sogenannten „freien“ Werkstatt anfallenden niedrigeren Kosten verweisen lassen, wenn ihm die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung eine solche – wie hier- konkret benennt.
Die Beklagte verkennt, dass Ziel des Schadensersatzes die Totalreparation ist und der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschädigte sein Kfz tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (st. höchstrichterliche Rspr. BGHZ66, 239 [241]; BGH, VersR 1974, 331; VersR 1978, 235; NJW 1985, 2469; NJW 1989, 3009; NJW 1992,1613; NJW 2003, 2085 ff).
Im Allgemeinen genügt es daher, wenn der Geschädigte den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (BGH VersR 1972, 1024 [1924];NJW 1989, 3009; NJW 1992, 903). Unbegründet ist die Klage jedoch, soweit im Gutachten des Verbringungskosten von 80,00 € (netto) enthalten sind, die das Gericht bei fiktiver Abrechnung in ständiger Rechtsprechung für nicht erstattungsfähig ansteht,
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung wird gemäß § 511 ZPO nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts mehr erfordert.
So das Amtsgericht Frankfurt.
Hallo Willi Wacker,
mit Ausnahme der Verbringungskosten, wieder einmal ein schönes Urteil.
Zutreffend hat der Richter erkannt, daß zwar die Telefonkosten in den letzten Jahren gesunken sind, jedoch das unzureichende Regulierungsverhalten vieler Kfz-Versicherungen mittlerweile einen deutlich erhöhten Aufwand der Geschädigten, wie auch dieses Verfahren zeigt, erfordert.
Zur Kürzung der Verbringungskosten, mit dem (evt.?) unhaltbaren Argument, diese Kosten fielen bei der fiktiven Abrechnung nicht an, kann nur gesagt werden:
Ob eine Position „anfällt“, ist ohne Bedeutung, denn bei einer konsequent fiktiven Abrechnung fällt bekanntlich gar nichts an.
Der Grundsatz lautet:
Wer fiktiv abrechnet, kann – mit Ausnahme der gesetzlich gesondert geregelten Mehrwertsteuer – alles das beanspruchen, was bei einer tatsächliche Reparatur anfallen würde.
Die zu beantwortende Frage lautet:
Wären bei einer Instandsetzung, in einer markengebundenen Fachwerkstatt, Verbringungskosten angefallen?
Wobei der Maßstab hier, die Werkstätten der jeweiligen Marke im regionalen Bereich des AST.sind.
Schönes Wochenende,
K.-H.W.
Hi K.-H.W.,
du hast mit Deinem Kommentar genau ins Schwarze getroffen. Leider haben auch heute noch nicht alle Zivilrichter die fiktive Schadensabrechnung verstanden. Der BGH hat beide Schadensabrechnungen, nämlich die konkrete auf Reparaturkostenrechnung und die auf Gutachtenbasis, für zulässig erachtet. Beide Abrechnungen müssen folgerichtig bei ein und demselben Schaden zum gleichen Ergebnis führen. Lediglich die Mehrwertsteuer entfällt nach dem Willen des Gesetzgebers bei der fiktiven Schadensabrechnung. Sonst muß der gleiche Schadensbetrag herauskommen. Anderenfalls wären beide Abrechnungen nicht gleichwertig. Dementsprechend sind auch bei fiktiver Schadensabrechnung alle Schadenspositionen zu berücksichtigen, die bei konkreter Schadensabrechnung auch anfallen oder anfallen würden, also auch Verbringungskosten und UPE-Zuschläge, Reinigungskosten etc. Wären daher bei einer Reparatur in der markengebundenen Fachwerkstatt, auf diese Reparatur hat der Geschädigte Anspruch, auch wenn die Versicherer das anders sehen, diese Verbringungskosten angefallen, z.B. weil die Fachwerkstatt nicht über eine angeschlossene Lackiererei verfügt, so fallen diese Kosten auch bei der fiktiven Abrechnung an. Im mittleren Ruhrgebiet z.B. verfügen die Markenfachwerkstätten nicht über eigene Lackierereien, so dass Verbringungskosten auch bei fiktiver Abrechnung anfallen (vgl. LG Bochum, hier bereits angeführt).
Grundsatz ist also, wenn bei konkreter Abrechnung in der Markenfachwerkstatt Verbringungskosten anfallen, dann fallen diese als Schadensposition auch bei fiktiver Schadensabrechnung an. Dem Geschädigten darf kein Nachteil dadurch erwachsen, dass er (zunächst) seinen Unfallschaden auf der Basis des Gutachtens eines qualifizierten Kfz-Sachverständigen abrechnet. Der Geschädigte ist frei zu entscheiden, wann, wie, wo und ob er den Schaden, der ihm nun einmal durch den Unfall entstanden ist, repariert (Dispositionsfreiheit). Diese Dispositionsfreiheit ist zwar ein Dorn im Auge der Versicherer, aber muss letztlich von diesen hingenommen werden.
Auch ich wünsche ein schönes Wochenende
Willi Wacker