Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
wir beenden unsere Wochendserie mit Frankfurter Urteilen, bleiben allerdings in Hessen und veröffentlichen nachfolgend hier noch ein Urteil aus Friedberg (Hessen) zur fiktiven Abrechnung mit Verbringungskosten sowie zu den Sachverständigenkosten gegen den Versicherungsnehmer der LVM Versicherung. Eine prima Entscheidung – auch zum Thema Bagatellschaden – wie wir meinen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und noch ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Amtsgericht Friedberg (Hessen) Laut Protokoll verkündet am 11.11.2015
Aktenzeichen: 2 C 1106/15 (21)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
…
Beklagter
hat das Amtsgericht Friedberg (Hessen)
durch Richterin am Amtsgericht Schulz
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO mit Schriftsatzfrist zum 02.11.2015
für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 505,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich aus 393,30 € seit dem 24.07.2015 und aus 112,50 € seit dem 02.09.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird abgesehen, weil gegen das Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (§§ 313a, 495a, 511 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz nach dem Verkehrsunfaliereignis vom 29.06.2015 in Ober-Mörlen zu (§§ 249, 823 BGB, 7, 8 StVG, 287 ZPO). Der Kläger kann von dem Beklagten Zahlung der für die Einschaltung des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen … in Höhe von 393,30 € aus dessen Rechnung vom 06.07.2015 verlangen. Die Begutachtung durch den Sachverständigen war erforderlich und zweckmäßig und damit erstattungsfähig (vgl. BGH, NJW 2014, 3151 bis 3154, zitiert nach juris). Denn die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und auszugleichenden Vermögensnachteilen. Auch wenn es sich um einen leichten Auffahrunfall oder einen streifenden Anstoß in langsamer Geschwindigkeit auf einem Parkplatz gehandelt hat, entfällt weder Erforderlichkeit noch Zweckmäßigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Denn durch die von dem Kläger beauftragte Begutachtung ist festgestellt worden, dass der hinter dem rechten hinteren Stoßfänger befindliche Pralldämpfer beschädigt und auszutauschen war. Als Geschädigter eines Unfalls ist der Kläger nicht gehalten, sich mit der Einholung eines Kostenvoranschlags zu begnügen. Ob hiermit nämlich die nicht erkennbaren Schäden am Wagen des Klägers festgestellt worden wären, ist bereits nicht klar. Immerhin betragen die von dem Gutachter festgestellten Reparaturkosten netto 867,80 €. Diesen hohen Betrag lassen die Lichtbilder, die am hinteren rechten Stoßfänger eine Abschürfung zeigen, nicht offenbar werden. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung war auch nicht davon auszugehen, dass das Ersatzteil Stoßfänger hinten rechts unlackiert lediglich 122,00 € netto kosten würde.
Darüber hinaus steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung der fiktiven Verbringungskosten zum Lackierbetrieb in Höhe von 112,50 € zu (vgl. hierzu BGH, NJW 2010, 2941/2942, zitiert nach juris). Grundsätzlich sind Verbringungskosten zu einer Lackiererei erstättungsfähig. Die Werkstatt … verfügt nicht über eine eigene Lackiererei, sodass der Citroen des Klägers zu einer Lackiererei gebracht werden muss. Entgegen der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat der Beklagte die Behauptung des Klägers, die … verfüge nicht über eine eigene Lackiererei, nicht bestritten. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass eine andere dem Kläger mühelos zugängliche und gleichwertige Reparaturwerkstatt mit einer eigenen Lackiererei ausgestattet ist, sodass etwaige Verbringungskosten nicht entstehen würden. Mit einem unlackierten neuen Stoßfänger muss sich der geschädigte Kläger nicht mit einem unlackierten Stoßfänger begnügen, und es steht ihm frei, seinen Schaden auf fiktiver Grundlage abzurechnen. Soweit der Beklagte die Ortsüblichkeit und Angemessenheit der Verbringungskosten von 112,50 € bestreitet, ist dies rechtlich ohne Belang. Denn es handelt sich bei dem von dem Sachverständigen … angesetzten Betrag von 112,50 € netto um einen angemessenen und ausreichenden, dem Gericht aus anderen Rechtsstreiten bekannten Betrag (§ 287 ZPO).
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Urteilsliste “Fiktive Abrechung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
Je größere der Glaspalast, um so auffälliger der Größenwahn. Die spinnen doch inzwischen komplett mit ihren fragwürdigen Regulierungsverweigerungen. Dann sollen die Anzugträger des „Managements“ gefälligst doch mal erklären, wieso sie dann ihre Haussachverständigen
schon bei Schäden von 300,00 € -und manchmal sogar noch weniger- in Marsch setzen für eine „Begutachtung“? Die Sachbearbeiter müssen dann diese Ungereimtheiten ausbaden und deshalb ist da auch so einen Bombenstimmung in der Schadenabteilung. Und mit einem solchen Scheiß werden gerichtliche Auseinandersetzungen provoziert, die Geld kosten und auch noch zu Lasten der Steuerzahler und der Versichertengemeinschaft gehen. Eine Strafe in Höhe des Streitwertes, zur Zahlung an eine wohltätige Einrichtung, wäre da vielleicht ein Lösungsweg, diesem Irrsinn zukünftig zu begegnen.
D.H.