Nachfolgend stellen wir ein schon etwas älteres Urteil des AG Fürstenwalde zur Abgrenzung eines echten von einem unechten Totalschaden für die fiktive Abrechnung der Nettoreparaturkosten aufgrund der Gesetzesänderung des §249 BGB, Absatz 2, ein.
Danach ist der Vergleich Brutto-Reparaturkosten mit Brutto-Wiederbeschaffungswert jeweils (auch bei älteren Fahrzeugen, wie in diesem Fall) nur mit Regelmehrwertsteuer zu führen.
Das Urteil des AG Fürstenwalde zur Totalschadengrenze für die fiktive Abrechnung von Reparaturkosten, wenn der Wiederbeschaffungswert netto noch über den Reparaturkosten netto liegt, gehört von dem rechtlichen Zusammenhang her zur Reihe der Urteile AG Eisenhüttenstadt, Urteil vom 28.05.2013 – 6 C 105/12, LG Frankfurt/Oder, Urteil vom 06.02.2014, 15 S 103/13, AG Fürstenwalde, Urteil vom 27.1.2016, 26 C 111/15, LG Frankfurt/Oder vom 25.08.2015, 15 S 129/15 sowie AG Wernigerode vom 5.12.2013, 10 C 596/13 und LG Magdeburg vom 07.03.2014, 2 S 7/14, bezüglich dem vollen Regelmehrwertsteueranspruch auch bei Ersatzbeschaffung für ein älteres Auto nach einen Totalschaden.
12 C 329/08 verkündet am 12.03.2009
Amtsgericht Fürstenwalde
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des …
– Kläger –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
gegen
die Firma DEVK Allgemeine Versicherung Aktiengesellschaft, ……………, gesetzlich vertreten durch den Vorstand, die Herren …………………. sämtlichst ebenda,
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
hat das Amtsgericht Fürstenwalde, Abt. 12,
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2009
durch den Richter am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.421,45 Euro nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2008 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
2.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, wobei deren 100 %ige Haftung außer Streit steht.
Durch den von dem Versicherungsnehmer der Beklagten alleinschuldhaft verursachten Verkehrsunfall vom 01.07.2008 wurde der im Eigentum des Klägers stehende Pkw Toyota Corolla, amtliches Kennzeichen …, beschädigt. Der Kläger holte ein Schadensgutachten ein, in welchem der Sachverständige … die Reparaturkosten mit 3.083,74 Euro netto, den Wiederbeschaffungswert mit 3.105,86 Euro netto und den Restwert mit 800,00 Euro ermittelte. Der Kläger ließ den Pkw reparieren und wandte hierfür 3.132,19 Euro netto, mithin 3.727,31 Euro brutto, auf. Die Beklagte erstattete zunächst die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert, also 2.305,86 Euro und als allgemeine Nebenkostenpauschale 20,00 Euro, ferner die Sachverständigenkosten in Höhe von 482,58 Euro direkt an den Sachverständigen.
Sie verlangte vom Kläger nach durchgeführter Reparatur eine Nachbesichtigung des Fahrzeuges, welche der Kläger ablehnte.
Nachdem am 10. November 2008 die Rechtshängigkeit eingetreten war, zahlte die Beklagte am 3. Dezember 2008 weitere 411,00 Euro an den Kläger, nämlich 406,00 Euro Nutzungsausfallentschädigung und weitere 5,00 Euro auf die allgemeine Nebenkostenpauschale.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 411,00 Euro übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben und der Kläger die Klage in Höhe weiterer 110,37 Euro, betreffend weitere Sachverständigenkosten, zurückgenommen hat, begehrt jetzt noch die Zahlung der Differenz zwischen den von ihm aufgewandten Reparaturkosten in Höhe von 3.727,31 Euro brutto und den von der Beklagten (insoweit) geleisteten 2.305,86 Euro, mithin die Zahlung von 1.421,45 Euro.
Der Kläger ist im wesentlichen der Auffassung, die Frage nach dem Integritätszuschlag von 30 % auf die Reparaturkosten stelle sich vorliegend nicht, da die Reparaturkosten geringer seien als der Wiederbeschaffungswert. Deshalb stelle sich auch die Frage nach einer etwaigen 6-monatigen Weiternutzung des Fahrzeuges nach der Reparaturdurchführung nicht. Der Wiederbeschaffungswert und die Reparaturkosten seien jeweils netto gegenüberzustellen. Ein Nachbesichtigungsrecht habe der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkte zugestanden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.421,45 Euro nebst
Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 29. August 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, es sei ein echter Totalschaden eingetreten, denn die zur Wiederherstellung eines schadensfreien Zustandes erforderlichen Reparaturkosten überstiegen den Wiederbeschaffungswert. Maßgebend seien nicht die Netto-, sondern die Bruttobeträge, beim Wiederbeschaffungswert im vorliegenden Fall jedoch nur unter Berücksichtigung der Differenzbesteuerung, so dass sich insoweit, wie im Schadensgutachten des Sachverständigen … festgestellt, 3.250,00 Euro ergäben. Da sich der klägerische Pkw zum Unfallzeitpunkt bereits im 13. Zulassungsjahr befunden habe, könne nur die Differenzbesteuerung zugrundegelegt werden. Da die Reparaturkosten von 3.727,31 Euro brutto den Wiederbeschaffungswert (bei Zugrundelegung der Differenzbesteuerung) von 3.250,00 Euro zwar deutlich, aber um weniger als 30 % überstiegen, setze die Entschädigung auf Reparaturkostenbasis die vollständige und fach- und sachgerechte Reparatur voraus und zum Zwecke der Prüfung, ob dies vorliegend der Fall gewesen sei, habe ihr ein Nachbesichtigungsrecht durch einen von ihr, der Beklagten, bestimmten Sachverständigen zugestanden. Da der Kläger eine solche Nachbesichtigung abgelehnt habe, könne er nicht die von ihm aufgewandten Reparaturkosten verlangen, sondern lediglich die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert und diese habe er erhalten, so dass ihm weitere Ansprüche nicht zustünden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist, soweit über sie nach übereinstimmender Teil-Erledigungserklärung und Teil-Klagerücknahme noch zu entscheiden ist, begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. § 115 Abs. 1 VVG einen Anspruch auf Zahlung von 1.421,45 Euro.
Unstreitig hat die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … dem Kläger denjenigen Schaden in voller Höhe zu ersetzen, welchen jener aufgrund des Verkehrsunfalls vom 01.07.2008 in … erlitten hat. Hierzu gehören auch die vom Kläger – unstreitig – aufgewandten Reparaturkosten in Höhe von 3.727,31 Euro brutto. Da die Beklagte hierauf bisher lediglich 2.305,86 Euro gezahlt hat, ist sie zur Zahlung weiterer 1.421,45 Euro noch verpflichtet.
Die Reparaturkosten übersteigen den Wiederbeschaffungswert nicht. Maßgebender Zeitpunkt, zu welchem beide Beträge gegenüberzustellen sind, ist derjenige, zu welchem die Entscheidung über die Art der Schadensbeseitigung getroffen wird, vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 249, Rn. 28. Zu diesem Zeitpunkt – also vor Erteilung des Reparaturauftrages und Durchführung der Reparatur – hatte der Kläger nach dem von ihm eingeholten Schadensgutachten des Sachverständigen … – dessen Inhalt die Beklagte nicht angreift – von Reparaturkosten in Höhe von 3.083,74 Euro netto, mithin 3.669,65 Euro brutto, und einem Wiederbeschaffungswert von 3.105,86 Euro netto, mithin 3.695,97 Euro brutto, auszugehen, mithin davon, dass die Reparaturkosten geringer sind als die Wiederbeschaffungskosten. Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Reparaturkosten nach durchgeführter Reparatur höher sind als der Wiederbeschaffungswert, führt dies nicht im Nachhinein zu einem anderen Ergebnis, denn das Prognoserisiko hat (auch insoweit) der Schädiger zu tragen; im übrigen sind bei dem anzustellenden Vergleich die Reparaturkosten und der Wiederbeschaffungswert trotz § 249 Abs. 2, Satz 2 BGB jeweils brutto anzusetzen, vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. 0.
Der Geschädigte hat zu entscheiden, ob er das Fahrzeug reparieren läßt oder ein Ersatzfahrzeug anschafft. Diese Entscheidung kann er nur aufgrund des von ihm eingeholten Schadensgutachtens treffen. Hat er sie getroffen und den Reparaturauftrag erteilt und ist die Reparatur durchgeführt, kann diese Entscheidung nicht nachträglich korrigiert werden, etwa dann, wenn die Reparaturkosten nach Durchführung der Reparatur, wie im vorliegenden Fall, doch höher sind als die Wiederbeschaffungskosten und hierdurch, jedenfalls in dem Bereich bis 130 % des Wiederbeschaffungswertes, teilweise modifizierte rechtliche Regeln gelten. Da der Geschädigte etwaig eintretende Überschreitungen der im Gutachten prognostizierten Reparaturkosten regelmäßig nicht voraussehen kann, kann der maßgebliche Zeitpunkt, in Bezug auf welchen Reparaturkosten und Wiederbeschaffungswert. gegenüberzustellen und zu vergleichen sind, nur derjenige sein, zu welchem der Geschädigte die Entscheidung bezüglich der Art der Schadensbeseitigung zu treffen hat. Bei dieser Entscheidung braucht der Geschädigte aber nur, wie Palandt/Heinrichs, a. a. 0., meinen, die Bruttobeträge beider Werte gegenüber zu stellen, und zwar nach der Regelbesteuerung. Der durchschnittliche Geschädigte wird weder wissen, was Differenzbesteuerung bedeutet, noch wird er beurteilen können, ob deren Voraussetzungen in seinem konkreten Fall vorliegen. Wollte man, wie die Beklagte zu meinen scheint, von ihm verlangen, derartige Überlegungen bei der Entscheidung zwischen Reparatur oder Ersatzbeschaffung zu berücksichtigen, würde man die Anforderungen an ihn bei der von ihm zu treffenden Entscheidung bei weitem überspannen.
Da nach alledem also der Geschädigte, wie ausgeführt, weder das Prognoserisiko hinsichtlich etwaig höherer tatsächlicher Reparaturkosten als im Schadensgutachten prognostiziert zu tragen hat noch bei der Gegenüberstellung der Reparaturkosten und der Wiederbeschaffungskosten solche Fragen wie die nach einer etwaigen Differenzbesteuerung mit zu berücksichtigen braucht, sondern hierbei von der Regelbesteuerung ausgehen darf, dürfen der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer nicht mit einer solchen Begründung statt der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten im Nachhinein nur die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert zahlen.
Nach alledem liegt hier kein Fall vor, auf welchen die Regeln anzuwenden wären, welche für die sogenannten 130-Prozent-Fälle gelten.
Auch ein Nachbesichtigungsrecht hat der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zugestanden. Ein generelles Nachbesichtigungsrecht steht dem Schädiger und seinem Haftpflichtversicherer nicht zu. Ein solches kann dann bestehen, wenn substantiierte Einwendungen gegen das Schadensgutachten und/oder die Reparaturrechnung vorgebracht werden, welche eine Nachbesichtigung erforderlich machen können. Die Beklagte hat jedoch lediglich pauschal und unsubstantiiert die sach- und fachgerechte Durchführung der Reparatur bestritten, substantiierte Einwendungen jedoch nicht vorgebracht, auch nicht, nachdem der Kläger hierauf zutreffend hingewiesen hatte.
Der Umstand, dass der Kläger eine Nachbesichtigung durch einen von der Beklagten beauftragten Sachverständigen abgelehnt hat, führt im vorliegenden Fall mithin nicht zu einem anderen Ergebnis.
Nach alledem muss die Klage in dem Umfang, in welchem über sie noch zu entscheiden ist, in vollem Umfange erfolgreich sein.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 a Abs. 1, 92 Abs. 2, 709 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 411,00 Euro übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten gem. § 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führt auch insoweit zur Auferlegung der Kosten auf die Beklagte, da sie ohne das erledigende Ereignis – ihre nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit erfolgte Zahlung von 411,00 Euro – in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen gewesen wäre. Einwendungen gegen den Anspruch des Klägers auf Zahlung der Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 406,00 Euro hat die Beklagte nicht vorgebracht, sie hat lediglich – nach ihrem eigenen Vorbringen versehentlich – diesen Betrag erst nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit gezahlt und nicht vorprozessual, so dass sie durch dieses Verhalten insoweit zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hat, § 93 ZPO in reziproker Anwendung.
Diese Erwägung gilt zwar nicht bezüglich der Nachzahlung von 5,00 Euro auf die allgemeine Nebenkostenpauschale, denn es entspricht nicht – jedenfalls nicht so pauschal – ständiger Rechtsprechung des Amtsgerichts Fürstenwalde, dass die allgemeine Nebenkostenpauschale 25,00 Euro betrage. Das erkennende Gericht pflegt diese Pauschale, soweit nicht im Einzelfall konkret und substantiiert zu einem etwaig höheren Schaden vorgetragen wird, auf nicht mehr als 20,00 Euro zu schätzen. Diese Frage kann jedoch vorliegend auf sich beruhen, denn zu einer etwaig anderen Kostenentscheidung führt dieser Gesichtspunkt schon wegen § 92 Abs. 2 ZPO nicht. Soweit der Kläger die Klage in Höhe von 110,37 Euro zurückgenommen hat, führt dies ebenfalls nicht zu seiner teilweisen Kostentragungspflicht, und zwar ebenfalls wegen § 92 Abs. 2 ZPO.
Nach alledem bleibt es dabei, dass die Beklagte die (gesamten) Kosten des Rechtsstreites zu tragen hat.
Streitwert: 1.942,82 Euro.
….
Aber die Rechtsanwälte mit dem selben Namen ,aber ohne Ö !!!,arbeiten seit dem daran, das es nicht bei solchen rechtskonformen Abrechnungen (wie hier vom Gericht entschieden) bleibt.