Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
nach den Weihnachtstagen starten wir mit der Urteilsreihe im Ruhrgebiet. Nachfolgend stellen wir hier ein Urteil aus Gelsenkirchen zur Haftungsteilung/Haftungsquote nebst fiktiver Schadensabrechnung vor. Schon wieder wurde seitens des vom Geschädigten hinzugezogenen Sachverständigen – entgegen BGH VI ZR 398/02 ff. – mit mittleren Stundenverrechnungssätzen operiert. Und wieder hat das erkennende Gericht, dieses Mal das Amtsgericht Gelsenkirchen, – unserer Meinung nach – fehlerhaft entschieden. Sofern der Geschädigte bereits seiner Schadenskalkulation die mittleren Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstätte zugrunde legt, gibt es keinen Hinderungsgrund, auf eine noch günstigere freie Werkstatt zu verwiesen. Die Gleichwertigkeit der Werkstattreparaturqualität gemäß der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) steht dann nämlich nicht mehr zur Diskussion. Sachverständigengutachten mit „mittleren Stundenverrechnungssätzen“ sind schlichtweg unbrauchbar, da sie einen Verstoß gegen die BGH-Rechtsprechung „…der Geschädigte hat grundsätzlich Anspruch auf die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt….“ darstellen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
201 C 177/16
Amtsgericht Gelsenkirchen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
hat das Amtsgericht Gelsenkirchen
…
für Recht erkannt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 793,58 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2015 zu zahlen sowie die Klägerin von den außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 255,85 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 52 % und die Klägerin zu 48 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Am 04.11.2015 gegen 11:41 Uhr kam es in … auf dem Parkplatzgelände des Fitnessstudios … an der …straße zu einem Verkehrsunfallgeschehen zwischen dem Fahrzeug der Klägerin, das zum Unfallzeitpunkt von der Zeugin … gesteuert wurde, und dem Fahrzeug der Beklagten zu 2, das zum Unfallzeitpunkt von dem Beklagten zu 3 gesteuert wurde und bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversichert war. Vor dem Unfallgeschehen war die Zeugin … rückwärts aus einer Parklücke ausgefahren, zum Unfallzeitpunkt des Unfallgeschehens fuhr der Beklagte zu 3 mit dem von ihm gesteuerten Fahrzeug rückwärts. Es kam zur Kollision zwischen beiden Fahrzeugen. Am klägerischen Fahrzeug ist ein Sachschaden entstanden. Ausweislich des Sachverständigengutachtens … wurden bei der Reparaturkostenkalkulation Stundenverrechnungssätze des …-Betriebes in … zugrunde gelegt, wobei es sich insoweit um durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt handelt. Bei der im Gutachten … angegebenen Referenzwerkstatt in … handelt es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt, sondern um eine freie Werkstatt, die auch Partnerwerkstatt einer Vielzahl von Versicherungen ist. Nach der Reparaturkostenkalkulation des Sachverständigen … sind zur Schadensbeseitigung Nettoreparaturkosten i.H.v. 2366,54 € zu erwarten. Sachverständigenkosten sind i.H.v. 528,96 € entstanden. Ferner begehrt die Klägerin eine Unkostenpauschale i.H.v. 25 €. Auf diesen geltend gemachten Schadensersatzbetrag hat die Beklagte zu 1 unter Berücksichtigung einer 50 prozentigen Mithaftungsquote Nettoreparaturkosten i.H.v. 1.119,92 €, Sachverständigenkosten i.H.v. 264,48 € und eine Unkostenpauschale i.H.v. 12,50 € gezahlt.
Die Klägerin behauptet, die Zeugin … habe zum Unfallzeitpunkt auf dem Parkplatzgelände gestanden, nachdem sie zuvor rückwärts aus einer Parklücke ausgeparkt habe, um die Ausfahrt des Geländes zu verlassen. Der Beklagte zu 3 habe sich mit dem Fahrzeug der Beklagten zu 2 rechts hinter dem klägerischen Fahrzeug befunden und sei rückwärts auf der Parkplatzbahn gefahren, ohne das hinter ihm bereits seit einiger Zeit stehende Fahrzeug der Klägerin zu beachten. Da für die Reparaturkostenkalkulation bereits die durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt berücksichtigt worden seien, müsse sich nach Auffassung der Klägerin diese nicht auf noch günstigere Stundenverrechnungssätze einer anderen freien Alternativfachwerkstätte verweisen lassen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1523,70 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2015 zu zahlen sowie die Klägerin von den außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 255,85 € freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 3 sei langsam, nach hinten sichernd aus einer Parklücke herausgefahren, als, etwa mittig der …straße, die Zeugin … ihrerseits rückwärts das klägerische Fahrzeug aus einer Parklücke ausgeparkt habe und dabei die linke Heck- bzw. Seitenpartie des Beklagtenfahrzeugs touchiert habe. Als der Beklagte zu 3 nach entsprechender Vergewisserung zum rückwärtigen Verkehr aus der Parklücke ausgeparkt habe, habe sich der PKW der Klägerin noch vollständig in einer dem Beklagtenfahrzeug gegenüberliegenden Parkbox befunden. Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin müsse sich aufgrund des Prüfberichts der Beklagten zu 1 auf günstigere Stundenverrechnungssätze der … GmbH in … verweisen lassen. Die Werkstatt sei einer markengebundenen Fachwerkstatt gleichwertig, erfülle die höchsten Qualitätsanforderungen und biete darüber hinaus einen Hol- und Bringeservice. Wegen der Einzelheiten des Verweises gemäß Prüfbericht wird auf Bl. 35 ff der Akten Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen … und … sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und schriftlichen Ergänzungsgutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11.08.2016 (Bl. 76 ff der Akten), auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 07.11.2016 (Bl. 88 ff d.A) und auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen … vom 07.12.2016 (Bl. 137 ff d.A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zum Teil begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung weiterer 793,58 € gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 1 ff PflVG, 115 VVG.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist das Gericht unter Berücksichtigung der Verursachungsanteile gemäß § 17 StVG zu der Überzeugung gelangt, dass im Wesentlichen die Beklagten für die Unfallfolgen aufgrund des Unfallgeschehens vom 04.11.2015 auf dem Parkplatzgelände an der …straße in … einstandspflichtig sind. Die Beklagten haften für die Unfallfolgen zu 75 %. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, das sich zum Unfallzeitpunkt das Beklagtenfahrzeug in Rückwärtsfahrt befand, wohingegen das klägerische Fahrzeug stand. Dies haben nicht nur die Zeuginnen … und … glaubhaft bekundet, dies steht insbesondere nach Einholung des schriftlichen Sachverständigengutachtens und nach Einholung des schriftlichen Ergänzungsgutachtens zur Überzeugung des Gerichts fest. Zwar kommt der Aussage der Zeugin …, die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt war, kein höherer Beweiswert zu als der Einlassung des Beklagten zu 3. Die Zeugin … hat jedoch glaubhaft bekundet, dass sie zum Unfallzeitpunkt gesehen habe, dass das klägerische Fahrzeug gestanden habe, wohingegen sich das Beklagtenfahrzeug in Rückwärtsfahrt befunden habe. Diese Aussage steht im Einklang mit den Ergebnissen der Begutachtung durch den Sachverständigen. Auch der Sachverständige, an dessen fachlicher Qualifikation das Gericht keinerlei Zweifel hat, hat anhand der Beschädigungen und der vorhandenen Anknüpfungstatsachen festgestellt, dass zum Unfallzeitpunkt das klägerische Fahrzeug stand. Damit ist aufgrund der feststehenden Rückwärtsfahrt des Beklagten zu 3 nach § 1 StVO i.V.m. § 9 Abs. 5 StVO nach einem Anscheinsbeweis davon auszugehen, dass der rückwärtsfahrende Beklagte zu 3 die erforderliche Sorgfalt nicht walten ließ und damit für die Unfallfolgen verantwortlich ist. Zwar ist im Hinblick auf Parkplatzunfälle § 9 Abs. 5 StVO nicht unmittelbar anwendbar, die Grundsätze sind im Rahmen des gegenseitigen Rücksichtnahmegebots nach § 1 Abs. 2 StVO jedoch zu beachten (BGH, Urteil vom 26.01.2016, Az. VI ZR 179/15; BGH, Urteil vom 11.10.2016, Az. VI ZR 66/16). Da aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass das klägerische Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt stand, ist der Zeugin … im Rahmen der zuvor durchgeführten Rückwärtsfahrt kein unmittelbarer straßenverkehrsrechtlicher Vorwurf zu machen. Der Umstand, dass die Zeugin vor der Kollision das Fahrzeug zum Stehen gebracht hat, spricht gegen die Annahme eines Anscheinsbeweises zu Lasten der Zeugin … .
Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Unfall für die Zeugin … unabwendbar war, so dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen war. Diese Wertung ist zulässig, obwohl das klägerische Fahrzeug nachweislich zum Unfallzeitpunkt stand (BGH, Urteil vom 11.10.2016, Az. VI ZR 66/16). Die Klägerin hat zwar behauptet, die Zeugin … habe vor dem Unfallzeitpunkt bereits eine geraume Zeit gestanden. Dieser Nachweis konnte durch die Beweisaufnahme jedoch nicht geführt werden. Die Zeugin … konnte insoweit keine ergiebige Aussage zur Zeitdauer machen. Auch aus der Aussage der Zeugin … ergibt sich nicht zweifelsfrei, dass sie bereits nach ihrer Rückwärtsfahrt und vor der Kollision eine geraume Zeit gestanden hat. Nach der Aussage der Zeugin … habe sie rückwärts ausgeparkt, habe dann nach vorne weiterfahren wollen, sich noch anschnallen wollen; die Zeugin konnte jedoch nicht zweifelsfrei bekunden, ob sie zum Zeitpunkt der Kollision tatsächlich schon angeschnallt war, daher ist nicht nachgewiesen, ob und wie lange die Zeugin nach der Rückwärtsfahrt tatsächlich bereits gestanden hat. Darüber hinaus hat die Zeugin … glaubhaft bekundet, dass die Zeugin … „so gut wie ganz“ aus der Parklücke zum Unfallzeitpunkt ausgefahren gewesen sei. Da die Zeugin … nach Bekundung der Zeugin jedoch noch nicht vollständig aus der Parklücke ausgefahren ist, kann das Stehen des klägerischen Fahrzeugs durchaus vor der Kollision auch nur kurzzeitig gewesen sein. Das Gegenteil ist jedenfalls durch die Beweisaufnahme nicht bewiesen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Zeugin … , obwohl sie das Fahrzeug zum Stehen gebracht hatte, bei sorgfältiger Rückschau des weiteren Verkehrs auf dem Parkplatz erkannt hätte, dass der Beklagte zu 3 sein Fahrzeug ebenfalls zurück steuerte. Es ist nicht auszuschließen, dass die Zeugin … zur Vermeidung eines Unfallgeschehens ihr Fahrzeug zunächst ein Stück nach vorne hätte steuern können oder, als sie sich noch weitgehend in der Parklücke befand, zur Unfallvermeidung noch weitgehend in der Parklücke hätte verbleiben können. Aufgrund dessen ist das Gericht nicht davon überzeugt dass der Unfall für die Zeugin … unvermeidbar war, so dass die Berücksichtigung der Betriebsgefahr i.H.v. 25 % gerechtfertigt ist.
Nach alledem kann die Klägerin 75 % des ihr entstandenen Sachschadens erstattet verlangen. Die Klägerin kann 75 % der Reparaturkosten i.H.v. 2.366,54 € verlangen. Die Klägerin muss sich nicht auf die von den Beklagten benannten günstigere Alternativfachwerkstätte in … verweisen lassen. Der Reparaturkalkulation des Sachverständigen … lagen bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt in … zu Grunde, was von den Beklagten nicht weiter bestritten wurde. Es waren gerade keine Preise einer markengebundenen Fachwerkstatt kalkuliert. Damit hat die Klägerin nicht gegen ihre Schadensgeringhaltungsverpflichtung nach § 254 BGB verstoßen. Der Geschädigte muss sich nicht auf die günstigsten erzielbaren Preise einer Alternativfachwerkstatt verweisen lassen, wenn bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt kalkuliert wurden. Nach § 249 ff BGB kann der Geschädigte den erforderlichen Schadensbeseitigungsaufwand verlangen. Insoweit können ortsübliche und angemessene Kosten verlangt werden. Ortsübliche und angemessene Kosten sind aber durchaus durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt. Wenn bereits solche Kosten kalkuliert sind, sind die Erwägungen des BGH im Hinblick auf die teuren Preise einer markengebundenen Fachwerkstatt nicht anwendbar. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht kann in solch einem Fall dem Geschädigten nicht angelastet werden. Da die Klägerin die konkreten kalkulierten Kosten der freien Werkstatt verlangen kann, ist auch eine Kürzung hinsichtlich der Ersatzteilaufschläge nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin kann daher 75 % der Reparaturkosten, 75 % der Sachverständigenkosten und 75 % der Unkostenpauschale, also ausgehend von einem Gesamtschadensersatzbetrag i.H.v. 2920,50 € unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 75 % 2190,38 € verlangen. Da die Beklagte zu 1 vorprozessual bereits 1396,80 € gezahlt hat, steht der Klägerin noch ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 793,58 € zu.
Der Zinsanspruch und der Anspruch auf Freistellung von nicht anrechenbaren Anwaltskosten ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1523,70 € festgesetzt.
„Sachlich kommentieren“ wäre für WW auch nicht schlecht.
Wenn ein SV mit Sätzen einer Werkstatt, egal ob „frei“ oder „Marke“ kalkuliert, dann sind dies keine „durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze“…!
Bezüglich fiktiver Abrechnung…:
Wenn es sich um entsprechende Fahrzeuge (ohne Markentreue bezüglich Instandhaltung/Wartung) handelt, dann wird sowieso gekürzt ohne Ende. Weshalb sollte dann nicht der SVS vom Durchschnitt oder einer Freien Werkstatt angesetzt werden?
Fiktiv abrechnen ist manchmal eine Zockerei der Geschädigten. Das können SV bestätigen aus ihrem Alltag.
Sätze wie „mach das mal dazu….das kann auch noch mit eingerechnet werden…etc“ lassen erkennen wie immer wieder versucht wird, Geld zu zocken…..nicht mehr und nicht weniger.
Wer sich solchen Fakten gegenüber verschliesst, der darf sich auch nicht wundern wenn die Gerichtsbarkeit „Nachhilfe“ erteilt, ob es gefällt oder nicht.
@Buschtrommler
BGH VI ZR 398/02
„Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag.“
BGH VI ZR 53/09
„a) Der Geschädigte darf seiner (fiktiven) Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Bestätigung des Senatsurteils BGHZ 155, 1 ff.).
b) Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.“
„Weshalb sollte dann nicht der SVS vom Durchschnitt oder einer Freien Werkstatt angesetzt werden?“
Weil er dann
1. ein Gutachten gegen die BGH-Rechtsprechung erstellt
und
2. in seiner Dummheit die hohe Hürde der Gleichwertigkeit selbst einreißt und die Versicherung ohne weiteres auf eine günstigere freie Werkstatt verweisen kann.
Rechtsprechung, die in so einem Falle eine Verweisung nicht zulässt, ist schlichtweg falsch. Denn der BGH wird in naher Zukunft die Zulässigkeit der Verweisung bei diesen Fällen bestätigen.
@Buschtrommler. Das hier angesprochene Verhalten ist durchgängig festzustellen. Mindestens die Hälfte nimmt es mit der Ehrlichkeit nicht so genau und hält die Ehrlichen – die auch anzutreffen sind – eher für ein bisschen blöde.
Wehpke Berlin
Aus dem Tagesgeschäft:
Fall 1: Kunde mit 10 Jahre altem BMW, welcher nicht in einer Vertragswerkstatt gewartet wurde, erleidet einen unverschuldeten Unfall. Bestellt mich und teilt mit, dass er fiktiv abrechnen will. Nun kalkuliere ich BGH-Konform mit Stundensätzen von BMW, mit der Folge, dass stark gekürzt wird. Der eingeschaltete Anwalt versucht nun die restlichen Rep.-Kosten wg. nicht vorhandener Gleichwertigkeit des Refernzbetriebes einzuklagen. Vor Gericht geht die Sache -wie üblich- den Bach runter, da der ÖBUV Kollege von DEKRA oder SSH eine Gleichwertigkeit des Referenzbetriebes feststellt. Ergebnis Kunde sauer, Kunde kommt nie wieder.
Fall 2: Der gleiche Kunde aus Fall 1 kommt ebenfalls zu mir. Alle Parameter sind bekannt, es wird total BGH-Unkonform (übrigens wissen wir das den BGH sein Geschwätz von gestern nicht interessiert) mit den Stundensätzen des Referenzbetriebes kalkuliert – Kürzung keine. Der Kunde ist hoch erfreut, dass das Gutachten vom Bösewicht „wie in Stein gemeißelt ist“ und die Vers. den totalen Respekt hat und alles zahlt. Der Kunde macht entsprechende Werbung im Freundeskreis und ist ein Multiplikator in Sachen Neuauftrag.
Jetzt möchte ich doch gerne mal von den Hardlinern wissen, warum man mit einem Stundensatz kalkuliert, welcher sowieso nicht durchzusetzen ist ? Um ggf. in die nächste Honorarstufe zu kommen? Jaja, ich weiß das er in der Theorie das Recht hat das Fahrzeug bei BMW reparieren zu lassen – was aber reell niemals geschehen wird …
P.S.: Diesseits wurde im Klageverfahren bereits alles gemacht (Referenzbetriebe) heimlich als „Kunde“ inspiziert, Stundensätze überprüft, usw. usw. das ganze Programm eben. Aber regelmäßig scheitert es vor Gericht!
Und nun Feuer frei …
Gruß
Der Bösewicht
Sofern der Bösewicht nach Fall 2 kalkuliert, dann ist der Kunde (vielleicht) glücklich und der Bösewicht erstellt nur noch rechtswidrige Schrottpamphlete, die Entzücken bei den Versicherern auslösen. Garniert mit einer Brise Höchstgebote aus der überregionalen Restwertbörse, keine Verbringungkosten, UPE-Aufschläge sowieso nicht und die Sachverständigenkosten nach dem HUK-Honorartableau. Zur Absicherung des Auftragsvolumens dann noch schnell eine Bewerbung bei der SSH oder bei den Carexperten abgesetzt und schon ist die Welt der Langstrumpf-Pipi wieder völlig in Ordnung, gelle?
Warum nicht gleich bei der DEVK anheuern?
Sofern Sachverständige, die sich nach wie vor lediglich an Recht und Gesetz halten, inzwischen als „Hardliner“ bezeichnet werden – gehöre ich wohl zu dieser aussterbenden Spezies. Auf die „Softliner“ ist nämlich g…..
Sorry, aber ich kann das ständige Gejammer und den geschmeidigen Tagesgeschäft-Scheiß einfach nicht mehr hören.
Es geht aus dem Beitrag nicht hervor ob der Geschädigte genau jene freie Werkstatt benannt hat. Somit kann ggf. das Urteil aus der Ursprungshaltung durchaus korrekt sein.
@Karlo
Weit gefehlt – Du weißt nicht wer ich bin und wie ich tatsächlich arbeite.
Erzähl mir doch mal was der Fiktivabrechner bei Fall 1 mehr bekommt als bei Fall 2 ? Außerdem Vorsicht, es ist ja nicht gesagt das bei Fall 2 nicht auch mit UPE Aufschlägen und Verbringungskosten gerechnet wird.
Restwertbörsen werden natürlich nicht verwendet.
– Erzähl mir doch mal was bei einer Kalkulation im Fall 1 bei Dir passiert ?
– Was wird der Kunde denn am Ende als Fiktivabrechner bekommen ?
– Was wird der RA ihm denn ohne RSV außergerichtlich durchsetzen können ?
– Was wird der RA ihm denn mit RSV nach einem Prozess durchsetzen können ?
Am Ende wird sich dein ach so tolles Gutachten als heiße Luft entpuppen …
@Bösewicht
Wer Du bist, ist mir sowas von egal. Wie Du arbeitest, ergibt sich unschwer aus Deinem Kommentar. Denn ein Sachverständiger, der nach Fall 1 arbeitet beschäftigt sich erst gar nicht mit Fall 2.
Die spekulative Diskussion um was wäre wenn ist müßig und schade um die Zeit.
Fall 2 mit UPE u. Verbringung zu rechnen oder mit dem Restwert am örtlichen Markt würde das Kartenhaus zusammenfallen lasssen, da es dann ja wieder Kürzungpositionen gibt, mit denen der Sachverständige genauso blöd vor seinem Kunden dasteht, wie bei der Kürzung der Lohnkosten der markengebundenen Fachwerkstatt. „Glänzen“ kann man also nur, wenn man alle Register zieht und der Geschädigte den Gutachtenbetrag ohne Kürzung erstattet bekommt = Versicherungsschrottgutachten.
Mit einer guten Beratung und Betreuung schiebt man den schwarzen Peter von Anfang an der Versicherung zu. Sofern sich der Kunde gegen einen Prozess entscheidet, macht er dies im Wissen, dass er das Geld zwar bekommen hätte, den Rechtsstreit jedoch – warum auch immer – nicht aufnehmen wollte.
Sofern mir ein „Gutachten“ mit durchschnittlichen Stundenverrechnungssätzen bei einem Fiktivabrechner unterkommt, war der Kunde das letzte mal bei diesem „Kollegen“. So viel zur „Kundenbindung“. Und wenn die Sachverständigenkosten noch nicht bezahlt sind, geht der „Kollege“ leer aus.
@Buschtrommler
Die Formulierung in dem Urteil ist widersprüchlich. Es kann sich sowohl um EINE freie Werkstatt handeln als auch um MEHRERE.
Aber selbst vorausgesetzt, dass es sich um eine bestimmte Werkstatt gehandelt haben sollte, hat der Sachverständige wohl bestenfalls schlecht beraten. Denn eine bestimmte freie Werkstatt verwendet man wirklich nur, sofern der Kunde mit absoluter Sicherheit dort reparieren lassen will. Beim geringsten Zweifel daran, oder wenn die fiktive Abrechnung sowieso im Raum steht, greift grundsätzlich nur eine Kalkulation auf Grundlage der markengebundenen Fachwerkstatt. Denn auch nach einer Kalkulation auf Grundlage der markengebundenen Fachwerkstatt ist der Geschädigte nicht gehindert, sein Fahrzeug in einer freien Werkstatt reparieren zu lassen. Der Sachverständige ist also immer auf der (rechtlich) sicheren Seite, wenn er mit den Kosten der markengebundenen Fachwerkstatt kalkuliert.
Was an der gesamten Diskussion jedoch überrascht ist die Tatsache, dass die Damen und Herren Kollegen nun sogar freiwillig und ohne Not das Porsche-Urteil unterlaufen, das damals mühevoll erstritten wurde. Freiwillig mittlere Stundenverrechnungssätze zu verwenden, um am Ende vermeintlich beim Kunden gut dazustehen, ist ein Spiegel dessen, wie sehr das Gutachterwesen zum Unwesen verkommen ist. Aber auch die weichgespülten „Kollegen“ werden sich noch wundern, wenn das erste Urteil des BGH die Runde macht, mit dem der BGH eine weitere Kürzung der mittleren Stundenverrechnungssätze durch die Versicherung zulässt. Dann müssen die „Kollegen“ mit den Billigstwerkstätten der Versicherer kalulieren, um bei ihren Kunden gut dazustehen.
Dann sollte man aber auch konsequenterweise den Schlußsatz im Gutachten ändern:
„…nach bestem Wissen und Gewissen…“
in
„…entgegen besserem Wissen ohne Gewissen…“
@Karlo
Ich formuliere es mal höflich: Du verkennst die reelle Lage an den Instanzgerichten, welche von Gerichtssachverständigen „unterlaufen“ sind, welche unabhängiger gar nicht sein können (SSH, DEKRA usw.).
Und mittlerweile ja mit dem Wolfgang auch der BGH.
Deine Rechtsauffassung ist ja auch vollkommen richtig, aber hier jedenfalls NICHT DURCHZUSETZEN! Da kannst Du auch noch so viel faseln …
Übrigens kann man dem Kunden die Sachlage gerne kommunizieren. Hier geht es nicht darum dem AST Ansprüche zu verwehren, sondern darum realistisch zu sein.
Auf das „was währe wenn…“ gehst Du selbstverständlich nicht näher ein … 😉
@ Karlo „…nach bestem Wissen und Gewissen…“
…… und in jeder Hinsicht unabhängig! Was auch die Unabhängigkeit von rechtsbeugender (gekaufter/krimineller) Urteilsfindung mit einschließt.
Eine ABM hinsichtlich unzähliger Stellungnahmen und eigenem Parkplatz bei diversen Gerichten ist gesichert….
@ Karlo
@Bösewicht
Ist Euch eigentlich klar, dass sich die Versicherungen über solche Art von Scharmützeln amüsieren ?
Dennoch einen guten Rutsch und viel Erfolg für jeden von Euch auch in 2018.
Berti
@Berti
„Ist Euch eigentlich klar, dass sich die Versicherungen über solche Art von Scharmützeln amüsieren ?“
Klar doch. Insbesondere amüsieren die sich darüber, dass immer mehr „Sachverständige“ einknicken und auf Schmusekurs mit den Versicherern gehen. Wir können die Diskussion aber auch generell lassen und keine Kommentare mehr abgeben.
@Bösewicht
„Du verkennst die reelle Lage an den Instanzgerichten, welche von Gerichtssachverständigen „unterlaufen“ sind, welche unabhängiger gar nicht sein können (SSH, DEKRA usw.).“
Ich verkenne gar nichts. Ich lasse mich lediglich nicht durch den korrupten Sumpf unterkriegen. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.
Pkw, 14 Jahre alt, mehrere schlecht reparierte Schäden, Anzahl Vorbesitzer unbekannt, kein Nachweis für Vertragswerkstatt und nun neuer Schadensfall mit fiktivem Abrechnungswillen des Geschädigten.
Abgesehen davon daß mit SVS Hersteller sowieso tot, wer „prügelt “ da das Porscheurteil durch?
Welcher Rae legt sich damit in die Nesseln, falls überhaupt RSV vorhanden?
Realität, BGH und Wunschdenken sind verschiedene Baustellen.
@Buschtrommler
Die Realität aus dem Buschtrommler-Beispiel ist, dass es sich schon bei kleineren Beschädigungen um einen Totalschaden handelt. Die Kalkulation auf Grundlage einer markengebundenen Fachwerkstatt bei älteren Fahrzeugen führt in vielen Fällen recht schnell zu einem Totalschaden, so dass man sich erst gar nicht mehr mit der fiktiven Abrechnung auseinandersetzen muss. Also kein Nachteil, sondern ein weiterer Vorteil der Markenkalkulation, den man unbedingt nutzen sollte. Und je höher die Schadenskalkulation, desto geringer der Restwert am örtlichen Markt. Sofern der Geschädigte das Fahrzeug behält, gilt der Restwert des Sachverständigen = eindeutige BGH-Rechtsprechung. Damit gewinnt der halbwegs informierte Anwalt jeden Prozess – sogar ohne Rechtsschutz. Natürlich nur, wenn der Sachverständige 3 Angebote am örtlichen Markt eingeholt hat, was bei der Faulheit vieler „Restwertbörsen-Kollegen“ nicht immer gewährleistet ist. Wer bei solchen Fällen die Chance zum Totalschaden nicht ergreift und mit mittleren Stundenverrechnungssätzen oder vielleicht noch günstiger kalkuliert, ist wohl nicht recht bei Trost?
Als nächstes Extrembeispiel wird nun wohl die 130%-Regelung an den Haaren herbeigezogen? Der Geschädigte will nun unbedingt seinen 14 Jahre alten Karren mit mehreren schlecht reparierten Schäden, Anzahl Vorbesitzer unbekannt, unbedingt reparieren lassen, da er so an der Farbe des Fahrzeugs hängt (oder am Zigarettenanzünder).
Sorry, aber solche Beipiele taugen nur zum Ablachen.
Die Kalklulation mit mittleren Stundenverrechnungssätzen bei der fiktiven Abrechnung verstößt gegen die gesamte BGH-Rechtsprechung der letzten 14 Jahre. Deshalb sind „Gutachten“ mit mittleren Stundenverrechnungssätzen bei der fiktiven Abrechnung schlichtweg unbrauchbar. Da könnt ihr euch drehen und winden wie ein Aal.
Und wem die BGH-Rechtsprechung nicht in den Kram passt, der kann ja jederzeit die Koffer packen.
@Karlo
Es ist schön das es solche Menschen wie Dich gibt – ehrlich ! Vor einigen Jahren hätte ich genau die gleichen Post´s verfasst…
In diesem Sinne wünsche ich Dir, Deiner Familie und allen anderen Mitlesern einen guten Rutsch in´s neue Jahr 🙂
BGH wenn es gefällt und ansonsten irgendwelche AG-Entscheidungen aus dem Forst..?
Daß Schadensrecht nicht in Granit gemeisselt ist scheint nicht diskutabel zu sein.
Jedes Pendel schlägt in beide Richtungen. Man sollte nur wissen wann…!