Sehr geehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
es geht weiter im Ruhrgebiet. Hier war es die Württembergische Versicherung AG, die meinte, bei einhundertprozentiger Haftung vorgerichtlich nicht vollen Schadensersatz leisten zu müssen. Das Unfallopfer hatte seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten erfüllungshalber an den Kfz-Sachverständigen R. abgetreten. Dieser machte aus abgetretenem Recht den Restschadensersatzanspruch gerichtlich geltend, nachdem die Württembergische Versicherung eine endgültige Regulierung abgelehnt hatte. Der abgetretene Schadensersatzanspruch wurde allerdings nicht gegen die Versicherung rechtshängig gemacht, sondern gegen die Halterin des bei der Württembergischen haftpflichtversicherte Reisebusses, dessen Fahrer den streitgegenständlichen Verkehrsunfall verursacht hatte. Das Urteil wurde durch die Herren Rechtsanwälte Rüter, Heppner und Partner, Bahnhofstraße 28, 4525 Hattingen erstritten und dem Autor zur Veröffentlichung in diesem Blog zugesandt. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
202 C 323/15
Amtsgericht Gelsenkirchen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn Dipl.-Ing. H. R. aus B.
– Klägers –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R., H. u. P. aus H.
g e g e n
die B. Bus GmbH, vertreten d. d. GF. B. B. aus G. (Versicherungsnehmerin der Württembergischen Vers. AG)
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsnwälte K. u. B. aus E.
hat das Amtsgericht Gelsenkirchen im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 13.10.2015 durch die Richterin O. für Recht erkannt:
Die Beklagte wurd verurteilt, an den Kläger 204,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9.7.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9.7.2015 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand (gemäß §§ 313a I, 495a ZPO)
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 204,37 € aus den §§ 18 I, III, 17 I, 7 StVG, 823, 249, 398 BGB.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der Kossten des erstellten Sachverständigengutachtens zu, da diese Kosten zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs des Zedenten erforderlich und zweckmäßig waren und daher einen mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteil darstellen. Als erforderlich sind nach der Rechtsprechung des BGH diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (vgl. BGH MDR 2014, 401 = NJW 2014, 1947 = DAR 2014, 194 = DS 2014, 90). Das Gebot zur wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen. Das Grundanliegen des § 249 II 1 BGB liegt vielmehr darin, dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbzogene Schadensbetrachtung anzustellen, welche die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten berücksichtigt. Aus diesem Grund darf sich der Geschädigte bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen grundsätzlich damit begrügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen; er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH MDR 2014, 401 = DS 2014, 90 = NJW 2014, 1947).
Gemessen an diesen Grundsätzen greift der Einwand der Beklagten, die Kosten für das Gutachten seien übersetzt, im vorliegenden Fal nicht durch. Seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Farlegungslast genügt der Geschädigte – bzw. vorliegend der Zessionar – regelmäßig durch Vorlage der Rechnung der mit der Begutachtung des Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages i.S.d. § 249 II 1 BGB, weil sich hierin die besonderen Umstände des Einzelfalles einschließlich der beschränkten Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten niederschlagen (BGH a.a.O.). Nur dann, wenn die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen, sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilfen. Eine überhöhte Sachverständigenvergütung ist also nur dann nicht erstattungsfähig, wenn den Geschädigten ein Auswahlverschulden trifft oder er die überhöhte Inrechnungstellung ohne Weiteres hätte erkennen und zurückweisen müssen (vgl. OLG Hamm DAR 1997, 275).
Vor diesem Hintergrund ist die Höhe der vom Sachverständigen ausgestellten Rechnung nicht zu beanstanden. Dies gilt sowohl für das in Rechnung getellte Grundhonorar als auch für die in Streit stehenden Nebenkosten. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs erfolgt gemäß § 287 I 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung des Gerichts. Ergibt sich – wie hier – nach dem Schadensgutachten ein kausaler Unfallschaden in Höhe von 3.700,89 € netto, ist ein Sachverständigenhonorar von 907,30 €, welches sich zusammensetzt aus einem Grundhonorar von 543,44 €, Fremdleistung Datenbank (Audatex) pauschal von 28,– €, einer Stadtfahrtpauschale für Betriebskosten und Fahrzeitanteil von 35,– €, einer Post- und Telekommunikationspauschale von 18,– €, Kosten von 66,– € für 22 Digitalfotos, Schreibkosten von insgesamt 39,– € und Kopierkosten von 33,– € sowie 19 % Mehrwertsteuer, nicht zu beanstanden. Die im Streit stehende Sachverständigenvergütung ist für den Geschädigten weder erkennbar überhöht noch steht sie in einem auffälligen Missverhältnis zwuschen Aufwand und Kosten, weshalb das in Rechnung gestellte Honorar zu erstatten ist.
Insofern ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Kläger ein erhöhtes Grundhonorar in Ansatz gebracht hat für erhebliche Zeitverzögerungen für die An- und Abreise sowie einen erschwerten Beschaffungsaufwand der Beurteilung elevanten Arbeitsunterlagen. Zum einen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7.10.2015 diesen Vortrag substantiiert. Für den Kläger ist es zu Wartezeiten gekommen, da er das Fahrzeug nicht bei sich vor Ort, sonden bei der Firma Opel F. M. beichigen musste. Somit war der Kläger nach Ansicht des Gerichts berechtigt, das Grundhonorar mit 10 % zu beauftragen.
Entgegen der Auffassung der Beklagtn ist auch kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ersichlich.
Dass vorliegend der seinerzeit beauftragte Sachverständige nach erfolgter Abtretung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten die Beklagte auf Zahlung der noch ausstehenden Rechnungssumme in Anspruch nimmt, rechtfertigt nach Auffassung des Gerichts keine andere Bewertung. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist originär in der Person des Zedenten entstanden, weshalb für die Beurteilung der erstattungsfähigen Schadenshöhe auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit des Geschädigten abzustellen ist (BGH Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – = BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Dem Geschädigte ist im Hinblick auf die Einholung des Sachverständigengutachtens ein nach § 287 I ! ZPO geschätzter Gesamtschaden in Höhe von 907,30 € entstanden. Da der Haftpflichtversicherer der Belagten hierauf lediglich einen Teilbetrag in Höhe von 702,93 € gezahlt hat, steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung weiterer 204,37 € zu.
II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.
III.
Aus Verzugsschadensersatzgesichtspunkten hat der Kläger auch einen Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 70,20 € gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB. Der diesbezügliche Zinsanspruch ergibt sich wiederum aus §§ 288 I, 286 BGB.
IV.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert wird auf 204,37 € festgesetzt.
Rechtsbehelfsbelehrung:
… (Es folgt die übliche Rechtsbehelfsbelehrung, von deren Veröffentlichung wir absehen).