AG Gelsenkirchen verurteilt VHV Versicherung zur Zahlung restlicher, erfüllungshalber abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 27.5.2016 – 10 C 121/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nachfolgend veröffentlichen wir heute hier ein positives Urteil aus Gelsenkirchen zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die VHV Versicherung. Nachdem der Rechtsstreit am Amtsgericht Gelsenkirchen rechtshängig wurde, hatte die VHV noch Verteidigungsabsicht angezeigt. Dann aber hat sie wieder einmal kampflos die Flügel gestreckt und damit den schlüssigen Vortrag des Klägers zugestanden. Zu Recht hat daher das Amtsgericht Gelsenkirchen die berechneten Sachverständigenkosten – auch ohne Bezahlung – als Indiz für die Erforderlichkeit angesehen. Was mit allerdings wiederum nicht gefällt ist, dass das erkennende Gericht wieder eine Preiskontrolle durchführt. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. BGH Urt. v. 29.6.2004 – VI ZR 211/03 -). Das gilt auch für die Sachverständigenkosten (BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 -). Den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen hat der Geschädigte gewahrt, indem er ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe in Auftrag gab, weil er selbst nicht in der Lage war, den Schaden zu beziffern. In sofern bilden dann die berechneten Kosten ein Indiz für die Erforderlichkeit. Lest aber selbst das Urteil des AG Gelsenkirchen vom 27.5.2016 – 10 C 121/16 – und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab. 

Viele Grüße
Willi Wacker

10 C 121/16

Amtsgericht Gelsenkirchen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des

… ,

Klägers,

gegen

die VHV Allgemeine Versicherung AG, vertrd.d. Vorstand, VHV-Platz 1, 30177 Hannover,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Gelsenkirchen
im schriftlichen Verfahren mit einer Schnftsatzeinreichungsfrist bis zum 25.05.2016 am
27.05.2018

durch den Richter am Amtsgericht Dr. V.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 76,30 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.1-2.2015 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß. § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 78,30 € als weitere Sachverständigenkosten nach dem Verkehrsunfall vom 24.11.2015 in Gangelt, und
zwar aus abgetretenem Recht der Geschädigten, … , §§ 398, 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … für den Schaden aus dem vorgenannten Verkehrsunfall in vollem Umfang; dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

Zu dem erstattungsfähigen Schaden (§§ 249 ff. BGB) gehören grundsätzlich auch die Kosten von Sachverständigengutachten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (vergleiche Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Auflage, § 249 Rn. 58). Dass hier aus Sicht der Geschadigten die Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Schaden an ihrem PKW geboten war, steht nicht im Streit.

Ebenso ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Geschadigte ihre Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte in Höhe des Sachverständigenhonorars an den Kläger als Sachverständigen abgetreten hat (sicherungsweise Abtretung – Sachverständigenhonorar – vom 25.11.2015, Bl. 5 GA).

Vorgerichtlich haben die Parteien lediglich über die Höhe der dem Kläger aus abgetretenem Recht der Geschadigten zustehenden Sachverständigenkosten
gestritten. Im vorliegenden Rechtsstreit hat sich die Beklagte nicht weiter zur Sache geäußert. Entgegen der Ankündigung mit Schrittsatz vom 19.04,2018 hat sich ein Rechtsanwalt für die Beklagte nicht bestellt. Eine Klageerwiderung ist nicht zur Akte gelangt.

Der geschädigten Zedentin sind aufgrund des vorgenannten Verkehrsunfalls erstattungsfähige Sachverständigenkosten i.H.v. 454,58 € entstanden (Rechnung des Klägers vom 26.11.2015, Bl. 5 GA). Hierauf hat die Beklagte 378,28 € gezahlt (Abrechnungsschreiben vom 23.12.2015, Bl. 6 GA), so dass eine Restfcrderung i.H.v.
76,30 € offen ist, § 362 Abs. 1 BGB.

Im Hinblick auf die vorgerichtlich erhobenen Einwendungen gegen die Forderung aus der Rechnung das Klägers vom 28,11.2015 gilt Folgendes:

Grundsätzlich sind Kosten eines Sachverständigengutachtens insoweit erstattungsfähig, als sie gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich waren. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (vergleiche BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13, zitiert nach juris). Dabei darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen, ohne zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben zu müssen (vergleiche BGH, a.a.O.). Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (vergleiche BGH, a.a.O.).

Konkrete Einwendungen gegen die sich im Einzelnen aus der Rechnung des Klägers vom 26.11.2015 ergebenden Positionen sind beklagtenseits weder vorgerichtlich noch im Verlauf des Rechtsstreits dargelegt worden. Auch ansonsten sind Bedenken gegen die Höhe der im Einzelnen aufgeführten Rechnungspositionen nicht veranlasst. Dies gilt sowohl für das berechnete Grundhonorar i.H.v. 320 € (zuzüglich Mehrwertsteuer) als auch für die abgerechneten Nebenkosten (Fahrtkosten 20 km á 0,75 € pro Kilometer, 8 Fotos á 2 €, Schreibkosten pp. i.H.v. 21 € sowie Auslagen für Telefon und Porto i.H.v. 10 €, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer). Die Berechnung derartiger Nebenkosten ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden (vergleiche LG Aachen, Urteil vom 11.03.2016, 6 S 144/15, zitiert, nach beck-online).

Das vorgenannte Indiz für die Erforderlichkeit der abgerechneten Sachverständigenkosten ist mithin nicht als widerlegt anzusehen.

Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. In dem Abnechnungsschreiben der Beklagten vom 23.12.2015 ist eine ernsthafte und endgültige Verweigerung weltergehender Zahlungen auf die Sachverständigenkosten zu entnehmen.

Die prozessuaten Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11,
713 ZPO.

Streitwert: 76,30 €

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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