AG Göppingen verurteilt WGV Versicherung zum Ausgleich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten mit Urteil vom 27.09.2017 – 11 C 592/17

Mit Entscheidung vom 27.09.2017 – 11 C 592/17 – wurde die WGV Versicherung durch das Amtsgericht Göppingen zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten im Rahmen einer Kfz-Schadensache verurteilt. Nach Ansicht der WGV Versicherung habe es sich um einen einfach gelagerten Fall gehandelt, bei dem die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts nicht erforderlich gewesen sei. Dieser rechtsirrigen Argumentation ist das AG Göppingen jedoch definitiv nicht gefolgt, wie das untenstehende Urteil zeigt.

Wie man unschwer erkennen kann, wird seitens der Kfz-Haftpflichtversicherer an allen Fronten versucht, sich um die schadensersatzrechtlich zustehenden Ansprüche der Geschädigten zu drücken – hier z.B. Verweigerung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten durch die WGV. Der Bericht im Stern vom 29.1.2017 ist also nichts weiter als eine kleine Zusammenfassung des exzessiven „Schadenmanagementwahnsinns“, dem viele Geschädigte und deren Anwälte Tag für Tag ausgesetzt sind. Hochgerechnet auf das gesamte Schadensaufkommen handelt es sich um einen Milliardenbetrug zu Lasten der Geschädigten. Wohlgemerkt, Jahr für Jahr!

Die fadenscheinigen Ausreden der HUK zum Stern-Beitrag kann man jedoch sofort widerlegen, sofern man sich die Mühe macht, die Auswertung der Forsa-Umfrage aufmerksam zu studieren. Bewertet wurde im Wesentlichen nämlich nicht, wie oft ein Versicherer (nach Stückzahl) auffällig ist. Bewertet wurde vielmehr die fallbezogene Bearbeitungs- bzw. Regulierungsqualität der jeweiligen Versicherung. Und hierbei trägt die HUK – nach dem Ergebnis der Forsa-Umfrage – offensichtlich die dunkelrote Laterne.

Zitat:

Im Hinblick auf die Leistungserbringung wird wiederum die HUK-Coburg von 73 Prozent der befragten Anwälte und mit großem Abstand als das Versicherungsunternehmen eingestuft, bei dem es nach ihrer Erfahrung „häufig“ zu unberechtigten oder kleinlichen Kürzungen bzw. der Zurückweisung von Leistungen kommt…

…Zu unberechtigten oder kleinlichen
Kürzungen bzw. Zurückweisungen
von Leistungen kommt es häufig bei:

.                                               %

– HUK-Coburg                          73
– VHV                                      52
– Kravag                                  51
– Allianz                                  49
– HDI                                      38
– R+V                                     34
– Württembergische                30
– DEVK                                   30
– LVM                                     30
– Axa                                      29
– Ergo                                     25
– Generali                               24
– AachenMünchener               18
– Gothaer                               13

Hier noch die Erläuterungen des Einsenders zur Entscheidung des AG Göppingen:

„Hintergrund ist der aktuell mehrfache Versuch der WGV Versicherung bei branchennahen Gewerbebetrieben wie z. B. Speditionen oder auch Sachverständigenbüros die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Verkehrsrechtsexperten anzugreifen. Demnach will die WGV den Geschädigten aufoktroyieren, dass diese selbst soviel Rechtskenntnisse besitzen müssten, um einfach gelagerte Schadenfälle selbst zu regulieren.

Selbstverständlich verschweigt die WGV hierbei großzügig, dass es keine einfach gelagerten Schadenfälle mehr gibt. Schließlich bestreitet diese ja regelmäßig selbst alles was es zu bestreiten gibt – außer deren eigener Existenz natürlich.“

Aktenzeichen:
11 C 592/17

Amtsgericht Göppingen

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Beklagte

wegen Schadensersatzes

hat das Amtsgericht Göppingen durch die Richterin Y. am 27.09.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1.        Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 347,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.        Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 347,60 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 347,60 EUR gern, § 7 StVG, §§ 823, 249 BGB zu.

Die alleinige Haftung des Beklagten dem Grunde nach für die Folgen des Verkehrsunfalls vom 08.02.2017 in Göppingen steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Zu den nach § 249 BGB ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Der Geschädigte ist berechtigt, diejenigen Kosten ersetzt zu verlangen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte zweckmäßig und erforderlich waren, wobei es auf die geschäftliche Gewandtheit der geschädigten Partei grundsätzlich nicht ankommt (BGH, Urteil v. 08.11.1994, Az.: VI ZR 3/94). Der BGH hat in der genannten Entscheidung klargestellt, dass der Geschädigte in einem von vornherein nicht ganz einfach gelagerten Schadensfall zu eigener Mühewaltung bei der Schadensabwicklung nicht verpflichtet ist. Auch widerspräche es dem Schadensrecht, die rechtliche Qualifikation des Geschädigten als Kriterium für die Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts heranzuziehen.

Maßgeblich ist vielmehr, ob die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde (BGH, Urteil v. 18.01.2005, Az.: VI ZR 73/04). Eine solche Fallgestaltung, in der die Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten ausnahmsweise zu verneinen wäre, liegt hier jedoch nicht vor. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht der Klägerin war bei Hinzuziehung der rechtsanwaltlichen Hilfe die vollständige Haftung des Beklagten bereits dem Grunde nach nicht offensichtlich. Zwar hat sich der streitgegenständliche Unfall im Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel ereignet, so dass im Hinblick auf § 7 Abs. 5 StVO ein Anscheinsbeweis für die Haftung des Beklagten spricht und damit der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs den maßgeblichen Verursachungsbeitrag i. S. des § 17 StVG für die Kollision geleistet hat. Dennoch käme über die Betriebsgefahr eine Mithaftung der Klägerin in Betracht. Dass der Beklagte vorliegend eine vollständige Haftung dem Grunde nach ohne Anbringen einer Betriebsgefahr anerkennt, konnte die Klägerin nicht in die Notwendigkeit der rechtsanwaltlichen Beratung ausschließender Weise prognostizieren, sodass rechtlicher Beistand hinzugezogen werden durfte.

Auch die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ist nicht zu beanstanden.

II.

Die Verurteilung zur Zahlung der Zinsen gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

III.

Die Vordruckkosten in Höhe von 1,10 EUR konnten mangels substantiierten Vortrag nicht zugesprochen werden und waren abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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3 Antworten zu AG Göppingen verurteilt WGV Versicherung zum Ausgleich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten mit Urteil vom 27.09.2017 – 11 C 592/17

  1. PADRE BASILIUS sagt:

    # Hans Dampf:
    „Der Bericht im Stern vom 29.1.2017 ist also nichts weiter als eine kleine Zusammenfassung des exzessiven „Schadenmanagementwahnsinns“, dem viele Geschädigte und deren Anwälte Tag für Tag ausgesetzt sind. Hochgerechnet auf das gesamte Schadensaufkommen handelt es sich um einen Milliardenbetrug zu Lasten der Geschädigten. Wohlgemerkt, Jahr für Jahr!“

    Dem sachkundigen Kommentar ist nichts hinzuzufügen!
    Also könnte eine Headline lauten:

    MILLIARDENBETRUG DER UNFALLOPFER DURCH AUTOVERSICHERER ?
    Und unsere REGIERUNG und das BUNDESJUSTIZMINISTERIUM sollen das nicht bemerkt haben? Oder sind das unter den großen Fischen nur ganz kleine Fische, sozusagen „Peanuts“? Man möchte es nicht glauben und bei dem Ringen um eine Jamaica-Koalition, war das erstaunlicherweise überhaupt kein Thema. Ist das etwa der selbstverständliche Alltag in einer Bananenrepublik oder wird die Wahl der „Streitpunkte “ von außen dirigiert?

    PADRE BASILIUS

  2. G.v.H. sagt:

    Warum gibt es überhaupt diese sich sintflutartig ausbreitende und zu beobachtende Welle unberechtigter Kürzungen von Schadenersatzansprüchen, die offenbar durch den GDV organisiert wird?
    Die Antwort ist einfach: Weil wir es zugelassen haben und Rechtsanwälte auf der einen und auf der anderen Seite damit ein lukratives und dauerhaftes Betätigungsfeld gefunden haben. Warum sollten Rechtsanwälte Veranlassung sehen, dass zu ändern, denn so ist unser Staat ebenfalls lukrativ beteiligt. Nur ausbaden müssen das unsere heute schon dadurch überlasteten Amtsgerichte und die Zeitnot veranlasst diese leider viel zu oft, unkritisch das zu wiederholen, was die 6. Zivilkammer des BGH so als versicherungsfreundliche „Rechtssprechung“ unters Volk bringt. Die Benachteiligten, sind hingegen die Unfallopfer und ganz eindeutig auch der Berufsstand der qualifizierten und unabhängigen Sachverständigen. Wir müssen allein deshalb das bisherige Denkschema ändern und die Kehrseite der Medaille betrachten, denn Straftatbestände sind reichlich abgreifbar, so u.a.

    ~ Belohnung und Billigung von Straftaten ( § 140 StGB)
    ~ Üble Nachrede, § 186 StGB
    ~ Betrug, § 263 StGB
    ~ Rechtsbeugung, § 339 StGB
    ~ Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat, § 357 StGB
    ~ Nötigung, § 240 StGB  
    + Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, § 19 GWB
    + Diskriminierungsverbot, Verbot unbilliger Behinderung, § 20 GWB
    + Boykottverbot, Verbot sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens, § 21 GWB
    + Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, § 106 UrHG.

    Mit herzlichen Grüßen
    G.v.H.

  3. LUPUS sagt:

    Der Straftatbestand der Nötigung ist in jedem Fall zu untersuchen !
    Eine Strafbarkeit wegen Nötigung nach § 240 StGB setzt voraus, dass die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist (§ 240 Abs. 2 StGB).

    Quelle: anwalt.org

    Was ist eine Nötigung? Eine Definition gemäß § 240 StGB

    Im Alltag ist der Begriff der Nötigung ein oft gebrauchter Ausdruck, der den Unwillen ausdrückt, etwas zu tun. Doch nur wenige kennen die dazugehörige rechtliche Komponente, denn es handelt sich dabei um weit mehr als ein bloßes Ärgernis, kann eine derartige Willensbeeinflussung doch im Zweifel sogar zu einer Strafe führen.

    Alles lesen >>>>>

    Lupus

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