Hier ein Urteil des Amtsgerichts Greifswald zum Sachverständigenhonorar gegen die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG – nach der aktuellen BGH Entscheidung VI ZR 225/13 – das in der Aufarbeitung sowie der Argumentation an „Dummheit“ und „Ignoranz“ kaum noch zu überbieten ist. Das Sachverständigenhonorar wurde zwar vollständig zugesprochen – aber wie?
Zuerst holt der Richter ein Gerichtsgutachten zur „Angemessenheit“ bzw. „Üblichkeit“ des Sachverständigenhonorars ein. Dies bei einer Honorarkürzung (Klagebetrag) von gerade einmal EUR 50,72! Danach kommt der Angemessenheitsvergleich mit der BVSK-Honorarbefragung, bei dem es auch keine Beanstandungen gibt. Mit dieser erfrischenden Erkenntnis hätte man sich das (teure) Gerichtsgutachten eigentlich schenken können, oder? Im weiteren Verlauf kommt die Argumentation, der Geschädigte habe die Konditionen bei verschiedenen Sachverständigen abzufragen. Ansonsten trage er das Risiko, dass er nicht einen der preiswertesten Sachverständigen am Markt beauftragt. So, so, muss er das tatsächlich? Aus welchem Versicherungsschriftsatz wurde das denn herausgekramt? Im Nachgang stellt er dann aber gleich fest, dass das gar nicht geht. Trotzdem trage der Geschädigte das Risiko, dass er einen zu teuren Sachverständige beauftragt. Ja was denn nun?
Sachverständigengutachten ok, BVSK-Vergleich ok, was denn noch? Kein Wort von „Erforderlichkeit“. Keine Bezugnahme auf schadensersatzrechtliche Grundsätze der BGH-Rechtsprechung usw..
Da fragt man sich doch unwillkürlich, ob so ein Richter jemals eines der BGH-Urteile VI ZR 67/06, X ZR 80/05, X ZR 122/05, VI ZR 471/12, VI ZR 528/12 oder VI ZR 225/13 gelesen hat? Wenn ja, dann hat er wohl überhaupt nichts verstanden?
Ein Positives hat das Urteil aber doch. Der HUK kam die Kürzung von EUR 50,72 so richtig teuer zu stehen => Verfahrenskosten einschl. Gerichtsgutachten – auch, oder gerade weil der Richter (erfolglos) alle Register gezogen hat, um der HUK in die Karten zu spielen. Bei dieser Kostenexplosion würde die Versichertengemeinschaft der HUK wohl (einmal mehr) mit „standing ovations“ auf den Stühlen reagieren – wenn sie denn alle wüssten, wie sinnlos die HUK deren Versichertengelder verpulver (veruntreut?)?
Doch nun zum „Meisterstück“ aus Greifswald:
Aktenzeichen:
43 C 322/13
Amtsgericht Greifswald
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger –
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand Dr. Wolfgang Wiler, Wolfgang Flaßhoff, Stefan Gronbach pp., Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg,
– Beklagte –
hat das Amtsgericht Greifswald durch den Richter am Amtsgericht … am 24.04.2014 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2014 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 50,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2013 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Dem Kläger steht aus dem Verkehrsunfall vom 12.11.2012 gegenüber der Beklagten als Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeuges gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 VVG, § 1 PflVG ein Restschadensersatzanspruch in Höhe von 50,72 € zu.
Zur berechtigten Schadensersatzforderung des Klägers aufgrund des Verkehrsunfalls gehören auch die Kosten für das Sachverständigengutachten in Höhe von insgesamt 570,72 €.
Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen … , denen das Gericht folgt, sind die von dem Sachverständigen … in Rechnung gestellten Gutachterkosten der Höhe nach auch ortsüblich.
Die am Markt tätigen freiberuflichen Sachverständigen rechnen nach den glaubhaften Bekundungen des Sachverständigen ebenfalls wie der Sachverständige … nach der Schadenshöhe ihre Kosten ab und erreichen jeweils ähnliche Beträge bei der konkreten Schadenshöhe.
Im Übrigen liegen die Kosten des Sachverständigengutachten … auch innerhalb der Spanne der Tabelle des BVSK, namentlich auch der aktuelleren Honorarbefragung aus dem Jahr 2013, insbesondere hinsichtlich des von … in Rechnung gestellten Grundhonorars. Aber auch die Nebenforderungen, namentlich die Fotokosten und die Kosten für Ausdrucke und Kopien sind im Bereich des ortsüblichen und entsprechen letztlich auch den Erhebungen des BVSK.
Der Geschädigte hat nach einem Verkehrsunfall den Schaden zur Beseitigung der Unfallfolgen so gering wie möglich zu halten.
Hierbei ist es ihm zumutbar, dass er bei verschiedenen Sachverständigen die Konditionen für eine Schadensbegutachtung erfragt.
Bereits diese Handlung gestaltet sich schwierig, da nach den nachvollziehbaren Bekundungen des Sachverständigen … die freiberuflich tätigen Kfz-Sachverständigen immer erklären werden, dass sich die Gutachterkosten nach der Schadenshöhe berechnen, die dem Geschädigen in der Regel unbekannt ist.
Würde der Geschädigte bei der DEKRA nachfragen, würde diese ihm gegenüber erklären, dass nach dem jeweiligen Aufwand abgerechnet werden würde, so dass auch diese Auskunft unbefriedigend wäre.
Auch die DEKRA könnte keinen Kostenvoranschlag für eine Schadensbegutachtung vornehmen, da der Aufwand zur Schadensbegutachtung gerade unbekannt ist
Der Geschädigte geht somit das Risiko ein, einen Sachverständigen zu beauftragen, der nicht zu den preiswertesten Sachverständigen am Markt gehört.
Trotzdem muss sich der Geschädigte an den ortsüblichen Konditionen messen lassen. Die Beweisaufnahme durch Befragung des Sachverständigen … hat jedoch ergeben, dass die vom Sachverständigen … entstanden Kosten für die Schadensbegutachtung im ortsüblichen Rahmen liegen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 286, 288 BGB, 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Was für eine „KOPFSCHEISSE“!
Woher hat dieser Richter seine „Befähigung zu Richteramt“?
Am Neckermann Preisausschreiben erfolgreich teilgenommen?
Ich dachte bisher schon alle Abgründe gesehen zu haben.
Mit der Verfahrensweise wird doch auch die Unverhältnismäßigkeit der Mittel deutlich, denn das unnötigerweise eingeholte Gutachten hat an Kosten ein Mehrfaches des Streitwertes verursacht. Fehlt nur noch die Frage des Richters an den Sachverständigen, ob dieser das abgerechnete Honorar als „angemessen“ beurteilen konnte. Die angesprochenen „Ortsüblichkeit“ ist schadenersatzrechtlich sowieso themaverfehlend und nach der Definition überhaupt nicht feststellbar und relevant, wenn man einmal davon absieht, dass Sachverständige auch vielfach überregional tätig sind. Jedoch weiß man auch hier nicht, w i e und w a s seitens des Klägers überhaupt vorgetragen wurde, wie beispielsweise zum AUSWAHLVERSCHULDEN, zum Verstoß gegen die SCHADENSMINDERUNGSPFLICHT, zum § 249 BGB und zur entscheidungserheblichen ex ante Position des Geschädigten, wie sie der BGH verständlich berücksichtigt wissen will. Es ist doch auch ganz natürlich, dass Richter nicht gleich Richter ist, was die Überlegungen in einem solchen Verfahren und zu einem solchen Thema angeht. Deshalb auch hier: Man kann sich ärgern, aber man muss es nicht, denn das Ganze schmeckt wie ein Aufguß aus Campari mit Kamillentee.
Mit freundlichen Grüßen
D.H.
Viele Versicherte wissen noch immer nicht, dass sie sich bei der BaFin oder beim Ombudsmann im Fall des Falles beschweren können. Leider. Obigen VN der Beklagten HUK sollte man unbedingt darauf hinweisen.
Zeit wird es auch, dass eine Beschwerdestelle für nicht gesetzeskonform ergangene Urteile eingerichtet wird.
Die BaFin kommt ihrer Verpflichtung nach und veröffentlicht die Statistiken zur Beschwerdehäufigkeit der einzelnen Kfz-Versicherer. Um das wirkliche Beschwerdeaufkommen beurteilen zu können, müßte gleichzeitig der Ombudsmann e. V. seine Statistiken offenlegen.
Die Kfz-Versicherer mit den höchsten Beschwerdequoten
Kfz-Versicherung – Im vergangenen Jahr ist die Anzahl der Beschwerden über Kfz-Versicherer bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) leicht angestiegen. Während die Anzahl der Beschwerden 2012 noch bei 1.003 lag, stieg sie im Vorjahr auf 1.161 an. Die Versicherer Mannheimer, Asstel und R+V Direktversicherung wiesen insgesamt die höchste Beschwerdequote auf.
Fundstelle: http://www.versicherungsbote.de/id/4797197/Kfz-Versicherung-Beschwerdequote-beschwerden/
Mit diesem Urteil wird einmal mehr die ganze Spannbreite richterlicher
Abschätzungskriterien und Zubilligungstenzen deutlich, wenn die schadenersatzrechtlich ausgewogene Balance nicht vorstellbar ist und auch nicht -zumindest ansatzweise- das Thema geläufig ist.
Herzliche Grüße
Lilian