AG Halle (Saale) verurteilt den bei der LVM Versicherten im Schadensersatzprozess zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 14.4.2016 – 104 C 2481/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

eigentlich wollten wir bereits am Dienstag, den 2.1.2018 wieder mit Urteilsberichten anfangen. Aus organisatorischen Gründen können wir leider erst jetzt mit der Veröffentlichung von Urteilen aus dem Themenbereich „Haftpflicht Unfall Kasko“ beginnen. Wir stellen Euch heute zwei Urteile des AG Halle (Saale) zu den im Schadensersatzverfahren gekürzten Sachverständigenkosten vor. Als erstes veröffentlichen wir hier ein Urteil aus Halle an der Saale zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den Versicherungsnehmer der LVM Versicherung. In diesem Fall hat das erkennende Gericht – zu Recht – die vom Schädiger zu erstattenden Sachverständigenkosten nach § 249 I BGB beurteilt. Allerdings ist das Gericht dann auf § 249 II BGB eingeschwenkt, obwohl der BGH eindeutig entschieden hatte, dass die Sachverständigenkosten zu den mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögenswerten gehören, wenn, wie hier, eine Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH VI ZR 67/06 Rn. 11). Nach § 249 I BGB kann der Geschädigte nämlich von dem Schädiger die (Wieder-) Herstellung des vor dem Schadensereignis bestehenden Zustandes verlangen. Regelmäßig ist der Schädiger gar nicht in der Lage, den vor dem Unfall bestehenden Zustand wiederherzustellen, weil der Schädiger z.B. Bäcker, Metzger oder Kaufmann ist und von Karosseriereparaturen, Lackierarbeiten und Autoelektronik keine Ahnung hat. Zur Wiederherstellung bedient er sich der Erfüllungsgehilfen, wie Werkstatt (siehe: BGHZ 63, 182 ff. ) oder Sachverständigen (siehe: OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.), aber auch dem Abschleppunternehmer oder dem Mietwagenunternehmer. Sämtliche sind Erfüllungsgehilfen des Schädigers zum Zwecke der Wiederherstellung im Sinne des § 249 I BGB. Nur wenn der Geschädigte statt der Herstellung den dafür erforderlichen Betrag verlangt, also praktisch für die Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis, gilt § 249 II BGB, denn dieser gebraucht ausdrücklich die Worte „statt der Herstellung“. Mithin gilt bei konkreter  Schadensabrechnung der § 249 I BGB. Da der Geschädigte aber nicht noch einmal sein durch den Schädiger beschädigtes Eigentum in die Hände des Schädigers legen soll, damit dieser durch seine Erfüllungsgehilfen (Sachverständiger, Werkstatt etc.) die Herstellung des vormaligen Zustandes vornimmt, ist es dem Geschädigten erlaubt, die Erfüllungsgehilfen des Schädigers, wie Werkstatt oder Sachverständigen, selbst in Anspruch zu nehmen. Die dadurch entstandenen Kosten sind unmittelbar mit dem Unfallschaden verbundene Vermögensnachteile des Geschädigten, die konkret über § 249 I BGB vom Schädiger zu ersetzen sind. Eventuelle Fehler der Erfüllungsgehilfen gehen zu Lasten des Schädigers. Dieser kann gegebenenfalls im Wege des Vorteilsausgleichs Regress nehmen (vgl. BGHZ 63, 182 ff.; Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.).  An diesen Überlegungen ändert sich auch nichts, wenn der Sachverständige aus abgetretenem Recht den Schadensersatzanspruch des Geschädigten geltend macht, denn durch die Abtretung erwirbt der Sachverständige die Forderung in der Form, wie sie zuvor in der Person des Geschädigten bestanden hat (BGH VI ZR 491/15 Rn. 22).  Lest aber selbst das Urteil des AG Halle und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.       

Viele Grüße und noch ein schönes Wochenende
Willi Wacker

Amtsgericht
Halle (Saale)

104 C 2481/15                                                                                   Verkündet am 14.04.2016

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Beklagte

hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 30.03.2016 durch den Richter am Amtsgericht K. für Recht erkannt:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 112 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.05.2015 zu zahlen.

2.    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Mahnkosten i.H.v. 2,50 € zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen

3.    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Streitwert: bis 300,00 Euro

Von der Darstellung des

Tatbestandes

wird gemäß § 313 a ZPO Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und – mit Ausnahme eines geringen Teils der geltend gemachten Nebenforderungen – auch begründet.

Der geltend gemachte Anspruch folgt aus §§ 7, 18 StVG. Dass die Beklagte als Halter des den Unfall verursachenden Fahrzeugs dem Grunde nach einstandspflichtig ist, steht im vorliegenden Fall zwischen den Parteien außer Streit.

Der Kläger selbst ist aktiv legitimiert. Der Geschädigte hat unter dem 22.09.2014 – das ist zwischen den Parteien unstreitig – die gegenüber der Beklagten bestehende Schadensersatzansprüche in Höhe der Gutachterkosten sicherungshalber an den Kläger abgetreten (vergleiche die Abtretungserklärung vom 22.09.2014, Bl. 28 der Akte).

Der geltend gemachte Anspruch ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat gem. § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (Hervorhebung durch Fettschrift erfolgte durch den Autor!). Ist wegen Verletzung einer Person oder Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dabei sind auch die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Schadensumfang nach einem Verkehrsunfall als Kosten der Schadensfeststellung Teil des Schadens des Geschädigten im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB und damit dem Grunde nach erstattungsfähig (vgl. Grüneberg, in: Palandt, 70. Auflage, § 249 BGB, Rn. 58).

Maßgebend ist, ob sich die Sachverständigenkosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen halten (vgl. BGH, NJW 2007, 1450).

Der Geschädigte ist hierbei nicht zur einer Marktforschung zu Gunsten des Schädigers oder der Haftpflichtversicherung verpflichtet (vgl. BGH, a.a.O.). Weder der Schädiger, dessen Haftpflichtversicherung noch das Gericht in Schadensersatzprozess sind berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. BGH, a.a.O.). Für die Frage, welcher Herstellungsaufwand im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich ist, dürfen an den Geschädigten hinsichtlich der konkreten Wiederherstellungsmaßnahme keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist auch die individuellen Erkenntnis- und Einflussnahmemöglichkeiten des Geschädigten Rücksicht zu nehmen. Trifft ihn kein Auswahlverschulden, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, und hat der Geschädigte auch keine offensichtliche Unrichtigkeit der Begutachtung oder der Honorarabrechnung missachtet, gilt folgendes:

Solange das Honorar eines Sachverständigen nicht krass überhöht ist, so dass das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung für den Geschädigten ohne weiteres leicht erkennbar wäre, kann der Geschädigte vom Schädiger Ersatz der Sachverständigenkosten grundsätzlich in voller Höhe verlangen (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 21.02.2008 – 11 S 130/07 -, zitiert nach juris). Denn ein Sachverständiger ist bei der Erstellung von Privatgutachten grundsätzlich in der Preisbildung frei. Eine Grenze ist erst dort zu ziehen, wo der Sachverständige sein Honorar vollkommen willkürlich festsetzt.

Dass die Geschädigte das vom Kläger geltend gemachte Honorar (Grundhonorar zuzüglich Nebenkosten) ohne weiteres als krass überhöht hätte erkennen müssen, ist nach Auffassung des Gerichts zu verneinen. Der Kläger hat für den Geschädigten ein Gutachten erstellt, mit welchem der unfallbedingte Fahrzeugschaden ermittelt werden sollte. Das Honorar setzt sich nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin aus einem an der Schadenshöhe orientierten Grundhonorar zuzüglich Nebenkosten und Mehrwertsteuer zusammen. Diese Form der Abrechnung ist nicht zu beanstanden. Gegen die Bestimmung eines pauschalierten Grundhonorars in Abhängigkeit zur jeweiligen Schadenshöhe bestehen keine Bedenken. Vielmehr ist dies weit verbreitete Praxis – auch in anderen Berufsgruppen. Auch liegt kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, das der Klägerin hätte auffallen können und müssen. Dies gilt nicht nur für das vereinbarte Grundhonorar, sondern auch für die von dem Sachverständigen geltend gemachten Nebenkosten.

Soweit sich die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe der geltend gemachten Nebenkosten richten, ist dies unerheblich, nachdem das Gericht nicht befugt ist, eine allgemeine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. hierzu auch BGH VI ZR 225/13), die Prüfung vielmehr sich darauf beschränken muss, ob ein auffälliges – für den Auftraggeber erkennbares – Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, was allerdings weder im Bezug auf das Grundhonorar noch im Bezug auf die geltend gemachten Nebenkosten der Fall ist.

Nebenkosten sind als Teil der üblichen Vergütung für die vom Sachverständigen zu erbringende Werkleistung ohne weiteres abrechnungsfähig. Dass der Geschädigte bei Auftragserteilung in der Lage gewesen war, zu erkennen, dass die hier anfallenden Nebenkosten deutlich überhöht sind, hat die Beklagte nicht vorgetragen, erscheint angesichts der Tatsache, dass sich die vom Sachverständigen abgerechneten Kosten auch nicht deutlich oberhalb der üblichen Höhe (unter Zugrundelegung der Honorarbefragung des BVSK) bewegen, auch als eher unwahrscheinlich.

Da erhebliche Einwände gegen die Klageforderung nicht geltend gemacht worden, war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

Die vom Sachverständigen dem Geschädigten in Rechnung gestellte Vergütung beträgt insgesamt (netto) 1133,95 €. Hierauf hat der Haftpflichtversicherer der Beklagten 1021,95 € vorgerichtlich bezahlt, verbleiben 112 €.

Die Zinsforderung rechtfertigt sich aus Verzug. Unstreitig hat der Haftpflichtversicherer – mit Regulierungsvollmacht für die Beklagte – mit Schreiben vom 03.11.2014 die Bezahlung des Restbetrages aus der Rechnung vom 22.09.2014 endgültig verweigert, befand sich daher – wie auch die Beklagte, in deren Namen ihr Haftpflichtversicherer auch handelte – gemäß § 286 Abs. 2 Z. 2 BGB ab dem 22.09.2014 in Verzug. Als Verzugsschaden sind erstattungsfähig auch die Kosten für die in der Folgezeit durch den Kläger verschickten Mahnungen über 2,50 Euro. Zinsen hat die Beklagte auf diese Kosten nicht zu erstatten.

Die Klage war abzuweisen, soweit der Kläger die Verzinsung der von ihm eingezahlten Gerichtskosten begehrt werden.

Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er einen konkreten Zinsschaden infolge der Zahlung des Kostenvorschusses hatte. Die von ihm hierzu vorgelegten Unterlagen beweisen nicht, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich ein Kontokorrentkredit in Anspruch nahm. Einen Zinssatz i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz gewährt das Gesetz nur (im Falle des Verzuges) auf die streitgegenständliche Hauptforderung.

Ein „verpasster Guthabenzins“ kann bei den derzeit auf Guthabenkonten gewährten Zinsen auch nicht gesehen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen in den Folgen aus § 92 Abs. Abs. 2 Z. 1 ZPO (Kostenentscheidung) und § 713 ZPO (die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit).

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. G.v.H sagt:

    Hallo, Willi,
    Fazit auch dieses Urteils: A l l e Einwendungen werkvertraglicher Art, wie regelmäßig aus den Kürzungsschreiben div. Versicherungen zu entnehmen, sind schadenersatzrechtlich u n e r h e b l i c h. Der argumentativ von Klägern und Gerichten dazu betriebene Aufwand ist und bleibt reine Zeitvergeudung, weil tatsächlich themaverfehlend.

    Wer das beachtet und verdeutlichen kann, ist schon ein Stück auf einem bekannt dornigen Weg weiter, denn mit den angesprochenen Einwendungen werkvertraglicher Art handelt es sich um eine mehr oder weniger raffiniert gestaltete Mogelpackung mit dem Ziel, die Gerichte zu einer werkvertraglich vermeintlich unausweichlich erforderlichen „Überprüfung“ zu verleiten, welche die Rechnungshöhe und die Zusammensetzung betrifft, jedoch nicht die generell schadenersatzrechtlich allein zu erkennende ERFORDERLICHKEIT. Quasi als Nebeneffekt soll auf diesem Wege – und das mit Hilfe der Justiz – auch eine Art „Gebührenordnung“ nach den Vorstellungen der Versicherungen etabliert werden. Ein Überfall aus dem Hinterhalt kann kaum arglistiger sein, wenn damit der systematisch angelegte Betrug der Unfallopfer und die berufliche Schädigung unabhängiger Kfz-Sachverständiger einhergeht. Es ist von existenzieller Wichtigkeit, sich diese Sachverhalte täglich neu klar zu machen und einer solchen Vorgehensweise einen Riegel vorzuschieben. Die Justiz hat es auf legalen Wegen verantwortlich in der Hand, dieses Millionengrab an Zeitverschwendung und unötiger Kostenverursachung zuzuschütten, denn auch unser Staat wird nicht nur durch die entgangene Umsatzsteuer nachhaltig geschädigt.

    G.v.H.

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