Hallo Captain-Huk-Leser,
weil aus Sachsen-Anhalt gerade einige Urteile eingesandt wurden, soll es auch mit urteilen aus Sachsen-Anhalt weitergehen. Hier nun das nächste Urteil aus Halle/ Saale. Beklagte war dieses Mal wieder – wie sollte es auch anders sein – die HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG. Die hatte wie so oft die Sachverständigenkosten rechtswidrig gekürzt. Ebenso waren die UPE-Zuschläge und die Stundenverrechnungssätze gekürzt bzw. gestrichen worden. Es handelt sich um einen Fiktivabrechner. Die erkennende Richterin der 105. Zivilabteilung hat dabei die restlichen Sachverständigenkosten zutreffend entschieden. Bei den übrigen Klagepunkten ist ihr das leider weniger gut gelungen. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Halle (Saale) Verkündet am: 08.04.2011
Geschäfts-Nr.:
105 C 2249/10
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
gegen
Kläger
Firma HUK Coburg Allgemeine Versicherungs AG, vertr. d. d. Vorstand Stefan Gronbach u. Klaus-Jürgen Heitmann, Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 08.03.2011 durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der noch offenen Forderung des Sachverständigenbüro … , aus der Rechnung Nr. … vom 10.07.2009, in Höhe von 182,66 € freizustellen.
2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3) Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5) Der Streitwert wird auf 332,09 € festgesetzt.
Tatbestand
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidunsgründe
Die Klage ist mit dem Klageantrag zu 2) begründet und im Übrigen unbegründet
I. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von der noch offenen Forderung des Sachverständigenbüro SV, aus der Rechnung Nr. … vom 10.07.2009, in Höhe von 182,66 € aus § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB, §§ 115 Abs. 1 Nr 1, 116 Abs. 1 Satz 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG.
Unstreitig haftet die Beklagte gegenüber dem Kläger für den, diesem aus dem Verkehrsunfall am 07.07.2009 mit der Versicherungsnehmerin der Beklagten, … , entstandenen Schaden dem Grunde nach zu 100%.
Die Aufwendungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sind als zweckentsprechende Kosten der Schadensfeststellung selbst Teil des von der Beklagten gemäß § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden Schadens (vgl, Palandt, 70. Auflage 2011, § 249 BGB, Rn. 58). Dem Kläger sind ausweislich der Rechnung Nr. … vom 10.07.2009 des Sachverständigenbüro … Kosten für die Begutachtung des Unfallfahrzeuges in Höhe von 563,83 € entstanden. Hiervon wurde durch die Beklagte bisher nur ein Teilbetrag in Höhe von 381,17 € beglichen.
Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger auch zur Erfüllung der noch offenen Forderung des Sachverständigenbüro in Höhe von 182,66 € verpflichtet. Eine dahingehende Haftung der Beklagten würde vorliegend allein dann zu verneinen sein, wenn dem Kläger ein Verschulden bei der Auswahl des Sachverständigen anzulasten wäre oder dieser dessen Rechnung aufgrund einer offensichtlichen Überhöhung hätte ohne Weiteres zurückweisen müssen (vgl, OLG Hamm, Urteil v. 05.03.1997, Az.: 13 U 185/96; OLG Naumburg, Urteil v, 20.01.2006, Az.: 4 U 49/05, NJW-RR 2006, 1029; Palandt a.a.O.; Oetker in MüKo-BGB, 5. Auflage 2007, § 249, Rn. 371 ff.).
Es kann hier dahinstehen, ob das Sachverständigenbüro SV. zu überhöhten Preisen abgerechnet hat. Jedenfalls ist ein Auswahlverschulden des Klägers hinsichtlich des vorliegend beauftragten Sachverständigen nicht ersichtlich. In Bezug auf die üblichen Kosten eines Sachverständigen fehlt es im Allgemeinen an leicht zugänglichen Tarifinformationen, welche auch dem Geschädigten ais Laien ohne Weiteres einen Überblick über das diesbezügliche Preisgefüge hätten verschaffen können. Darüber hinaus ist es dem Geschädigten auch nicht zuzumuten, vor der Beauftragung eines Sachverständigen, zunächst mehrere Kostenvoranschläge einzuholen und auf dieser Grundlage eine Art Marktforschung zu betreiben (vgl. OLG Naumburg, Urteil v. 20.01.2006, AZ.: 4 U 49/05, NJW-RR 2006, 1029). Der damit einhergehende Aufwand sowie die zeitlichen Verzögerungen in der Schadensregulierung hätten hier in keinem angemessenen Verhältnis mehr zum Zweck der Schadensfeststellung gestanden. Dabei ist schon fraglich, ob ein Kostenvoranschlag ohne eine Begutachtung des Fahrzeuges, überhaupt seriös hätte festgesetzt werden können (vgl. OLG Naumburg a.a.O.). Auch stehen die hier in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten nicht in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Leistung, sodass diese – für den Kläger als Laien – auch nicht als geradezu willkürlich festgesetzt erscheinen musste. Insbesondere die gesonderte Ausweisung von zum Teil auch pauschalierten Nebenpositionen in der Rechnung des Sachverständigen hätte der Kläger nicht als offensichtlich unüblich oder überhöht erkennen und zurückweisen müssen.
II. Ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von weiteren 149,43 € kann der Kläger gegen die Beklagte aus § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB, §§ 115 Abs. 1 Nr. 1, 116 Abs. 1 Satz 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG hingegen nicht herleiten.
Sowohl die vom Kläger in Anrechnung gebrachten UPE-Aufschläge in Höhe von 5 %, welche sich hier in der Summe auf 96,86 € belaufen, als auch die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt, welche gegenüber einer nicht markengebundenen Meisterwerkstatt einen Mehraufwand in Höhe von 56,07 € ausmachen, können vorliegend nicht als Schadensposition gegenüber der Beklagten beansprucht werden.
Gegen eine Anrechnung von UPE-Aufschlägen und erhöhter Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt spricht hier das dem Geschädigten bei der Schadensbehebung obliegende und insoweit auch bei einer nur fiktiven Schadensberechnung zu berücksichtigende Wirtschaftlichkeitsgebot sowie die nach § 254 Abs. 2 BGB diesbezüglich bestehende Schadensminderungspflicht. Der nach § 249 Abs. 2 BGB zu erstattende Geldbetrag beinhaltet nur solche Aufwendungen, die auch ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zur Schadensbehebung für erforderlich halten durfte (vgl. Palandt, 70. Auflage 2011, § 249 BGB, Rn, 12). Insoweit ist hei mehreren zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Schadensbehebung, diejenige in Rechnung zu stellen, welche im konkreten Fall den geringsten Aufwand verspricht (vgl. Oetker in MüKo-BGB, 5. Auflage 2007, § 249, Rn. 362).
Es kann hier dahinstehen, inwieweit UPE-Aufschiäge im Falle einer nur fiktiven Schadensberechnung überhaupt Berücksichtigung finden können (dies verneinend: Palandt, 70. Auflage 2011, § 249 BGB, Rn. 14). Eine Anrechnung sogenannter UPE-Aufschläge kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn im konkreten Fall eine Erhebung solcher Aufschläge durch die örtlichen Werkstätten unüblich ist (vgl. Palandt a.a.O.). fn diesem Fall wäre in der Inanspruchnahme gerade einer solchen Werkstatt, welche entgegen der ortsüblichen Marktsituation UPE-Aufschläge gesondert erhebt eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und mithin eine Verletzung der Grenzen des § 249 i.V.m. § 254 Abs. 2 BGB zu erblicken. Auch der Kläger gesteht sowohl in der Klageschrift, als auch in seinem Schreiben an die Beklagte vom 25.11.09 ein, dass eine Erstattungsfähigkeit von UPE-Aufschlägen ausscheidet, sofern in der betreffenden Region typischerweise keine UPE-Aufschläge anfallen.
Nach der Kenntnis des Gerichts, welche sich etwa auf das Sachverständigengutachten des X. in der Sache 105 C 42/09 stützt und auch durch das seitens der Beklagten beigebrachte Sachverständigengutachten der Dekra bestätigt wird, war vorliegend eine Erhebung gesonderter UPE-Aufschläge als unüblich zu erachten. Die sogenannten UPE-Aufschläge werden von Werkstätten in der Region Halle gerade nicht flächendeckend, sondern allenfalls sehr vereinzelt erhoben. Auch die Inanspruchnahme einer, mit Stundenverrechnungssätzen in Höhe von 91,20 € arbeitenden, markengebundenen Fachwerkstatt durch den Kläger hätte vorliegend als Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes sowie der Schadensminderungspflicht nach § 249 i.V.m. § 254 Abs. 2 BGB erachtet werden müssen. Dem Beklagten wäre es ohne Weiteres zuzumuten, sich mit der Reparatur seines Fahrzeuges auch an einen nicht markengebundenen, aber qualitativ gleichwertigen Kfz-Meisterfachbetrieb zu wenden.
Den Geschädigten mit der Reparatur seines Kfz auf eine nicht markengebundene Fachwerkstatt zu verweisen, wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung als zumutbar erachtet soweit feststeht dass auch in einer freien Werkstatt eine technische Gleichwertigkeit der Reparatur gewährleistet wird und in Hinblick auf Garantie- oder Gewährleistungsansprüche nicht mit Nachteilen zu rechnen ist (vgl. BGH, Urteil v. 20.10.2009, Az.: VI ZR 53/09 = BGHZ 183, 21-28).
Die Beklagte hat im Rahmen des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens insoweit drei in örtlicher Nähe befindliche Referenzbetriebe ermittelt, welche zu Stundenverrechnungssätzen in Höhe von nur 68 € abrechnen, aber gleichwohl eine zu einer markengebundenen Fachwerkstatt qualitativ gleichwertige Schadensbehebung ermöglichen.
Nach der oben zitierten Rechtsprechung des BGH sind Nachteile in Hinblick auf Garantie- oder Gewährleistungsrechte nur zu erwarten, sofern das Fahrzeug nicht älter als drei Jahre ist oder aber auch sonst ausschließlich in einer markengebundenen Fachwerkstatt regelmäßig „scheckheftgepflegt“ und repariert wurde (vgl BGH a.a.O.).
Das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers weist indes mit dem Baujahr 2000 ein Alter von weit mehr als drei Jahren auf. Weiter wurde auch eine regelmäßige Wartung und Reparatur ausschließlich durch markengebundene Fachwerkstätten durch den Kläger nicht dargetan.
III. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe yon 48,73 € aus § 249 BGB.
Für einen solchen Anspruch fehlt es an der, von der Beklagten mit Schriftsatz vom 02.09.2010 bestrittenen, Aktivlegitimation des Klägers. Der Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten ist mit der diesbezüglichen Zahlung des Rechtsschutzversicherers am 28.07.2010 gemäß § 86 Abs. 1 VVG kraft Gesetztes auf diesen übergegangen (vgl. Möller/Segger in MüKo-VVG, 1 Auflage 2010, § 86, Rn. 313). Insoweit kann der Kläger gegenüber der Beklagten die Rechtsanwaltskosten selbst auch nicht „zur Zahlung an die Rechtschutzversicherung“ beanspruchen. Vorliegend kommt indes auch eine gesetzliche Prozessstandschaft nach § 265 ZPO nicht in Betracht. Hierfür hätte es einer Leistung der Versicherung an den Kläger nach Erhebung der Klage bedurft (vgl. Möller/Segger in MüKo-VVG, 1. Auflage 2010, § 86, Rn. 313 ff.), wobei es entscheidend auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klage bei der Beklagten ankam (vgl. Becker-Eberhard in MüKo-ZPG, 3. Auflage 2008, § 265, Rn. 66). Ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 86 Abs. 1 VVG in Hinblick auf die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung trat indes bereits vor Erhebung der Klage ein.
Nach dem Sachvortrag des Klägers, welcher durch einen Geldeingangsvermerk auf der gegenüber dem Rechtsschutzversicherer gelegten Rechnung belegt wurde, erfolgte eine Leistung der Rechtsschutzversicherung bereits am 28.07.2010. Eine Zustellung der Klage und damit die Rechtshängigkeit wurden laut Postzustellungsurkunde hingegen erst am 30.07.2010 begründet. Weiter liegen auch die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft hier, soweit ersichtlich, nicht vor. Insoweit wäre eine Ermächtigung des Klägers durch seine Rechtschutzversicherung (den Rechteinhaber) erforderlich, wonach der Kläger für seine Versicherung den Prozess führen soll (vgl. Undacher in MüKo-ZPO, 3. Auflage 2008, Vorb. §§ 50 ff, Rn. 56). Eine solche Ermächtigung durch den Rechteinhaber wurde seitens des Klägers jedoch nicht dargetan. Zwar reicht hierzu eine auch nur konkludente Erklärung durch den Rechteinhaber aus (vgl. BGH, Urteil v, 21.03.1985, Az.: VII ZR 148/83, NJW 1985, 1826; OLG Köln, Urteil v. 29.06.1993, Az.: 9 U 237/92, NJW-RR 1994, 27). An einem Verhalten oder einer Äußerung Seitens der Rechtsschutzversicherung des Klägers, aus der sich der Wille entnehmen ließe, eine ihr zustehende Forderung solle durch den Kläger geltend gemacht werden, fehlt es vorliegend jedoch.
IV. Die Berufung wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 511 Abs. 4 ZPO nicht zugelassen.
V. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs, 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkert beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Für die Festsetzung des Streitwertes waren die §§ 3 ff. ZPO maßgeblich.
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