Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
ich melde mich nach kurzer Auszeit zurück. Von der Elbe bei Stade geht es weiter zur Saale bei Halle. Wir beginnen diese Woche mit einem weiteren Urteil aus Halle an der Saale zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG. In diesem Fall war es die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG, die die berechneten Sachvertändigenkosten ohne Rechtsgundlage kürzte. Das eigene Honorartableau der HUK-COBURG ist kein Maßstab für das Anlegen der Erforderlichkeit bei den von einem Privatgutachter berechneten Schverständigenkosten. Es kommt einzig und allein auf die Ex-ante-Sicht des Geschädigten an. Das gilt auch, wenn der Schadensersatzanspruch abgetreten ist. Dass das erkennende Gericht dann von sich aus Kosten aus der Nebenkostenabrechnung streicht, ist aus § 287 ZPO nicht zu begründen, denn die Schätzung nach § 287 ZPO ist eine Schätzung der Schadenshöhe, nicht der einzelnen Positionen. Wenn der Geschädigte bei der berechneten Schadenshöhe vo einem für die Wiederherstellung erforderlichen Schadensbetrag ausgeht und ihm kein Auswahlverschulden zu Last zu legen ist, dann ist der Schädiger zu einer Preiskontrolle nicht berechtgt (vgl BGH NJW 2007, 1450). Insoweit wäre dann der gesamte Restbetrag zuzusprechen gewesen und der Schädiger, wie es auch jetzt das OLG München sieht, auf den Vorteilsausgleich verwiesen (vgl. Imhof/Wortmann DS 2011, 149). Aus schadensersatzrechtlicher Sicht kann man daher bei diesem Urteil wiederum nur mit dem Kopf schütteln. Gegen das Urteil wurde Gehörsrüge eingelegt. U.A. auch wg. Nichtzulassung der Berufung. Lest selbst das nicht überzeugende Urteil und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht
Halle (Saale)
102 C 1007/14 Verkündet am 04.11.2015
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Firma…
Klägerin
gegen
Firma HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG vertr. d. d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96442 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 14.10.2015 durch die Richterin am Amtsgericht F. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 90,68 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.07.2012 sowie vorgerichtliche Mahnkosten i.H.v. 5.00 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.08.2012 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 38 % und die Beklagte 62 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert, wird auf 145,82 € festgesetzt.
Tatbestand
Von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313 Buchst. a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung restlicher Gutachterkosten aus abgetretenem Recht i.H.v. 90,86 € aus §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 249 ff., 398 BGB.
Der Kläger ist aktivlegitimiert, den hier streitigen Anspruch auf Erstattung restlicher Gutachterkosten als Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Der Geschädigte und Zeuge D. R. , dessen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen HAL-… bei einem Verkehrsunfall am 25.05.2012 in Halle durch das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HAL-… beschädigt wurde, hat seinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Gutachterkosten mit Abtretungsurkunde vom 07.06.2012 an den Kläger abgetreten. Dies steht im Ergebnis der Beweisaufnahme fest.
Der Zeuge R. , welcher in der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2015 vernommen worden ist, hat glaubhaft bekundet, am Unfalltag Eigentümer des in Rede stehenden beschädigten Fahrzeuges gewesen zu sein und die Abtretungsurkunde eigenhändig unterzeichnet zu haben.
Der Zeuge R. hatte den Kläger damit beauftragt, sein Fahrzeug auf die durch den Unfall entstandenen Schäden und damit verbundenen Reparaturkosten zu begutachten. Der Kläger erstattete das Gutachten unter dem 07.06.2012 und stellte dem Geschädigten und Zeugen R. dafür 535,82 € (brutto) in Rechnung (Rechnungsnummer: …). Darauf leistete die Beklagte vorprozessual 390,00 €. Weitere Zahlungen lehnte die Beklagte trotz dreimaliger Mahnung mit Schreiben vom 17.07.2012 endgültig ab.
Die Parteien streiten in diesem Rechtstreit darüber, ob der Restbetrag i.H.v. 145,82 € von der Beklagten geschuldet ist.
Die Beklagte vertritt insbesondere die Ansicht, die von dem Kläger abgerechneten Nebenkosten seien überhöht. Sie behauptet insbesondere unter Vorlage eines Sendeprotokolls vom 08.06.2012 (Anl. A4), das Gutachten sei digital an die Beklagte versandt worden, so dass Schreibkosten und Fotokosten nicht in der abgerechneten Höhe entstanden sein könnten. Sie bestreitet zudem, dass der Kläger dem Geschädigten ein Exemplar des Gutachtens über-sandt hat. Des Weiteren vertritt die Beklagte die Ansicht, Fahrtkosten seien nicht notwendig gewesen, da das Fahrzeug fahrfähig gewesen sei, so dass der Geschädigte mit diesem zu dem Gutachter hätte fahren können. Auch sei nicht ersichtlich, wodurch Telefon- und Portokosten entstanden sein sollen, da das Gutachten der Beklagten digital übersandt worden sei.
Diese Einwendungen der Beklagten greifen nur teilweise durch.
Die Beklagte kann sich im vorliegenden Schaderersatzprozess nicht mit Erfolg darauf berufen, das abgerechnete Honorar sei nicht ortsüblich. Die Parteien stehen sich in der vorliegenden Konstellation nicht als Werkunternehmer urd Besteller gegenüber, weshalb werkvertragliche Erwägungen keine Berücksichtigung haben. Das Gericht hat lediglich zu prüfen, ob die vom Kläger berechneten Kosten einen erstatturgsfähigen Schaden des Geschädigten/Zedenten darstellen, welchen die Beklagte darr, Kläger als neuem Inhaber des Schadensersatzanspruchs zu erstatten hat. Dies ist hier überwiegend zu bejahen. Der Geschädigte hatte ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Schäden an seinem Fahrzeug, welches durch den Versicherungsnehmer der Beklagten beschädigt worden war. Die für die Begutachtung aufgewendeten Koster gehören daher zum Herstellungsaufwand und zwar unabhängig davon ob ein anderer Gutachter für d’ese Schadensfeststellung ein geringeres Honorar als der Kläger berechnet hätte Der Geschädigte musste vor der Erteilung des Gutachterauftrages keine Marktforschung hinsichtlich der Preisgestaltung der auf dem Markt agierenden Gutachter betreiben, da es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige vollkommen übersetzt abrechnen würde und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen würden. Die Preise des beauftragten Sachverständigen – mithin des Klägers – bewegen sich etwa in dem Bereich, welchen die gerichtsbekannten BVSK-Honorarbefragungen ergeben haben. Gravierende Abweichungen nach oben sind – auch hinsichtlich der Nebenkosten – nicht zu erkennen. Die geltend gemachten Kosten fallen demnach nicht aus dem Rahmen aes für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrages nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, so dass an der Erstattungsfähigkeit grundsätzlich keine Zweifei bestehen.
Allerdings hat die Beklagte den tatsächlichen Anfall der Nebenkosten zum Teii erheblich und durchgreifend bestritten.
Die Beklagte hat durch Vorlage eines Sendeprotokolls des Klägers vom 08.06.2012 (Anlage A4) substantiiert dargelegt, dass der Kläger der Beklagten, ein Exemplar des Gutachtens lediglich in digitaler Form überlassen hat. Einen Ausdruck für die Beklagte habe es nicht gegeben. Dem ist der Kläger nicht mit einem subsiantiierten Vortrag entgegengetreten. Allerdings hat der Zeuge R. im Rahmen seiner Zeugenvernehmung bekundet, ihm sei das Gutachten in Papierform zur Kenntnis gelangt. Der Zeuge R. vermochte sich zwar nicht mehr daran zu erinnern, ob ihm das Gutachten direkt zugeschickt worden ist oder ob er dieses über seine Werkstatt zur Kenntnis erhalten hat. Fest steht im Ergebnis dieser Aussage jedoch, dass es zumindest ein ausgedrucktes Exemplar des Gutachtens gab, welches der Kläger auch in Rechnung stellen konnte. Die Schreibkosten und Fotokosten für ein Exemplar des Gutachtens können demzufolge in Rechnung gestellt werden. Wodurch jedoch die Kosten für einen 2. Fotosatz und die Schreibkosten füi eine Kopie des Gutachtens entstanden sein sollen, erschließt sich dem Gericht angesichts der digitalen Übersendung an die Beklagte nicht.
Soweit der Kläger in seiner Klageschrift Kosten für die Foto- und Schreibkosten im Zusammenhang mit der Archivierung des Gutachtens in seinem Büro in Papierform anführt, kann er diese Archivierungskosten seinem Auftraggeber nicht in Rechnung stellen, weshalb auch die Beklagte im Rahmen des Schadensersatzes nicht zur Zahlung dieser Kosten verpflichtet ist. Diese Archivierungskosten haben nichts mit dem eigentlichen Gutachtenauftrag zu tun. Es ist Sache des Sachverständigen, ob und wie er die von ihm erstellten Gutachten archiviert. Diese Archivierungskosten gehören zu seinen allgemeinen Bürokosten (wie Personal- und etwaige Miet- bzw. Betriebskosten), welche er selbstverständlich seinen Auftraggebern nicht neben seinem Gutachterhonorar in Rechnung stellen darf.
Soweit die Beklagte jedoch meint, es seien nur Schreibkosten für 12 Seiten geschuldet und nicht für 14, da das Gutachten selbst nur aus 12 Seiten bestehen würde, hat der Kläger dargelegt, dass neben dem eigentlichen Gutachten ein Deckblatt und eine Inhaltsverzeichnis zu dem Gutachten gehört, womit nachvollziehbar ist, weshalb hier Kosten für 14 und nicht für 12 Seiten abgerechnet werden.
Auch die Fahrtkosten sind geschuldet. Es ergibt bereits aus dem Gutachten, das die Fahrzeugbesichtigung in der Werkstatt des Geschädigten in B. stattgefunden hat. Unabhängig davon, ob das Fahrzeug noch fahrfähig war oder nicht, war der Geschädigte nicht dazu verpflichtet, mit seinem Fahrzeug nach Halle zu dem Sachverständigen zu fahren, um das Fahrzeug dort besichtigen und begutachten zu lassen. Der Geschädigte durfte das Fahrzeug nach dem Unfall in seine Werkstatt bringen und musste wegen der im Rahmen der Schadensabwicklung notwendigen Begutachtung nicht zusätzliche Wege auf sich nehmen. Damit gehören die Fahrtkosten zu den erstattungsfähigen Gutachterkosten.
Der Kläger musste auch nicht im Einzelnen darlegen, welche Telefon- und Portokosten ihm im Zusammenhang mit der Gutachtenerstattung entstanden sind. Es liegt auf der Hand, dass solche Kosten in gewissem Umfang entstehen und es ist anerkannt, dass solche Kosten pauschal abgerechnet werden können. Die hier angesetzte Pauschale geht nicht über die zu erwartenden Kosten und üblichen Pauschalen hinaus, so dass auch diese nicht zu beanstanden ist.
Im Ergebnis sind deshalb von der Rechnung dss Klägers (nur) die Position „2. Fotosatz – Kopie“ mit 10,20 € (netto) und die Position „Schreibkosten- Kopie“ mit 35,98 € (netto) abzusetzen. Das bedeutet, die Beklagte hatte insgesamt einen Betrag i.H.v. 480,86 € zu erstatten. Darauf hat die Beklagte vorprozessual bereits 390,00 € gezahlt, so dass der zuerkannte Betrag i.H.v. 90,86 € verbleibt.
Der Anspruch des Klägers auf vorgerichtlicher Mahngebühren sowie Verzugszinsen folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 BGB.
Der Festellungsantrag des Klägers auf Verzinsung des Gerichtskostenvorschusses ist unbegründet. Ein Anspruch auf Verzugszinsen auf den Gerichtskostenvorschuss kann zwar gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB bestenen. Denn die Verzugszinsen auf die verauslagten Gerichtskosten können ein kausaler Schaden sein, der dadurch eingetreten ist, dass die Beklagte erst nach dem Rechtstreit die Klageforderung bezahlt. Die Höhe seines Schadens hat der Kläger aber nicht ausreichend dargeiegt. § 288 Abs. I BGB greift nicht direkt ein, weil der Kläger gegenüber der Beklagten noch keinen fälligen Anspruch auf Ersatz der Gerichtskosten hat. Vielmehr entstehen dem Kläger entweder Kosten durch die Aufnahme eines Kredits in Höhe des Gerichtskostenvorschusses oder es entgehen ihm Guthaben- oder Anlagezinsen, wenn er das Geld aus eigenen Mitteln einzahlt. Dazu fehlt es jedoch an einem substantiierten Vortrag des Klägers.
Die Entscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hier habe ich die Gehörsrüge, wegen Zulassung der Berufung und Erklärung der Archivkosten gestellt und dieser Gehörsrüge wurde stattgegeben. Finde ich Klasse von der Richterin und hätte ich nicht gedacht, diese Charakterstärke, prima. Das Urteil ist aufgehoben und zur mündlichen Verhandlung neu terminiert. Nun hoffe ich, dass das LG meine Stellungnahme zum Erforderlichen und die Sicht des Geschädigten zu den Archivkosten mit berücksichtigt.
@Iven Hanske
Hallo, Iven,
DAS ist doch mal eine erfreuliche Information, die nicht muffige Robenträger mit Sozialneid im geröteten Nacken betrifft. Richterinnen sind da oft pragmatischer und gehen der Sache auf den Grund. Weiterhin viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
Elen