Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier stellen wir Euch wieder ein Urteil aus Halle an der Saale zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG vor. In diesem Fall war es die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands, die bei vollständiger Haftung keinen vollständigen Schadensersatz leisten wollte. Zu Recht hat das erkennende Gericht bei den Sachverständigenkosten auf die Grundsatzurteile des BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – und vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – sowie vom 4.4.2006 – X ZR 80/05 – verwiesen und auch Bezug genommen auf die grundlegende Entscheidung des OLG Naumburg vom 20.1.2006 – 4 U 49/05 -. Bei den Mahnkosten allerdings wurde wieder Hellseherei des Sachverständigen unterstellt und leider auch die Berufung hierzu nicht zugelassen. Lest aber selbst das Urteil des AG Halle an der Saale vom 23.9.2015 – 99 C 1177/14 – und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht
Halle (Saale)
99 C 1177/14
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. vertr. d. d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96450 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) im schriftlichen Verfahren gem. § 495 a ZPO am 23.09.2015 durch die Richterin am Amtsgericht R. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 77,49 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.01,2012 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert beträgt 77,49 €.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Zwischen den Prozessparteien ist unstrittig, dass die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Schädigers dem Geschädigten für die Unfallschäden aus dem Verkehrsunfall vom 14.12.2011 in Halle (Saale) zu 100 % aufzukommen hat.
Soweit vom Kläger die Vollmacht des Beklagtenvertreters und seitens der Beklagten die Vollmacht des Klägervertreters bestritten worden ist, hat der Kläger ausdrücklich mit Schriftsatz vom 20,05.2015 erklärt, dass er seine Prozessbevollmächtigten bevollmächtigt hat. Der Beklagtenvertreter hat die Vollmacht der Beklagten vom 10.06.2008 (Bd. II Bl. 19 der Akte) vorgelegt. Diese ist von ihrem Wortlaut her als Generalvollmacht zur Wahrnehmung der Interessen der hier Beklagten für alle in Kfz-Schäden geführten Prozesse anzusehen. Sie ist auch der Anwaltskanzlei … erteilt worden. Dass der Beklagtenvertreter für diese Kanzlei tätig ist, ist gerichtsbekannt und der Beklagtenvertreter ist im Briefkopf der Kanzlei ausdrücklich aufgeführt. Insoweit bestehen keine begründeten Zweifel, dass Rechtsanwalt … als Rechtsanwalt für die Kanzlei … tätig ist. Weiteres substantiiertes Bestreiten des Klägers hinsichtlich der zur Vertretung der Beklagten vertretungsberechtigten Personen ist in diesem Prozess auch nicht erfolgt. Insoweit ist für das Gericht die ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in diesem Prozess nachgewiesen.
Die vom Kläger vorgelegte Abtretungserklärung des W. W. vom 15.12.2011 (Bd. I Bl. 8 der Akte) wird den Bestimmtheitsanforderungen gemäß § 398 BGB unter Beachtung des Urteils des BGH vom 07.06.2011 (VI ZR 260/10) gerecht. In der Abtretungserklärung vom 15.12.2011 (Bd. I Bl. 8 der Akte) heißt es, dass der Teil des Schadensersatzanspruches auf Erstattung der Gutachterkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgeseilschaft in Höhe der Gutachterkosten an das Sachverständigenbüro abgetreten wird. Für die Beklagte ist demnach ohne Auslegungsschwierigkeiten der konkret abgetretene Betrag bestimmbar, da sich dieser aus der Rechnung des Klägers vom 15.12.2011 ergibt. Da sich aus der Abtretungserklärung auch ausdrücklich ergibt, dass nur der Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachterkosten in Höhe der Gutachterkosten abgetreten wird, ist die hier vorgelegte Abtretungserklärung auch der der Entscheidung des BGH vom 11.09.2012 (VI ZR 296/11, zitiert nach juris) zu Grunde liegenden Abtretungserklärung vergleichbar, mit der der BGH die Wirksamkeit der dort streitgegenständlichen Abtretung bejaht hatte, „… weil nach dem Wortlaut der Abtretung vom 28.08.2008 nur die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten nach dem konkret benannten Schadensereignis abgetreten wurde„. So liegt es auch hier, denn die Abtretung beschränkt sich konkret auf den möglichen Schadensposten der Sachverständigenkosten in Höhe der Gutachterkosten, so dass der konkret abgetretene Betrag und der Anspruchs selbst eindeutig bestimmt sind.
Der Besitz des Herrn W. W. am beschädigten PKW zum Unfallzeitpunkt ist durch die Beklagte im Termin vom 08.12.2014 unstreitig gestellt worden. Damit streitet § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet wird, dass er Eigentümer der Sache sei, für das Eigentum des Zedenten. Dazu, dass der Geschädigte nicht Eigentümer geworden sei, hat die Beklagte nichts Substantiiertes vorgetragen. Zudem hatte die Beklagte mit Abrechnung vom 18.01.2012 bereits den überwiegenden Teil der durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall entstandenen Schäden gegenüber dem Geschädigten reguliert, so dass angesichts des vorgerichtlichen Regulierungsverhaltens die Beklagte hätte tatsächliche Anhaltspunkte vortragen müssen, aus welchen Gründen sie nunmehr Zweifel an der Eigentümerstellung des Geschädigten hat (LG Halle, Urteil vom 12.11.2014, Az. 2 S 82/14, zuvor AG Halle (Saale), Az. 93 C 3304/13). Derartiger Vortrag ist jedoch nicht erfolgt.
Die Zahlungsansprüche stehen dem Kläger gegen die Beklagte daher gemäß § 398 BGB i.V.m. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 823 Abs. 1, 249 BGB zu.
Zwischen den Prozessparteien ist ein (abgetretener) Schadensersatzanspruch des Unfallgeschädigten streitgegenständlich. Prüfungsmaßstab ist daher, ob die Sachverständigenkosten zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gehören, also Kosten darsteilen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbehebung ansehen durfte (vgl. BGHZ 115, 364, 369; 160, 377; 162, 161,165). Der Geschädigte ist hierbei grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/07, NJW 2007, 1450; BGHZ, 163, 362, 367 f.). Der Geschädigte kann vom Schädiger nur dann den vollen Ausgleich seiner dem Sachverständigen gezahlten Aufwendungen nicht mehr verlangen, wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt (OLG Naumburg, Urteil vom 20.01,2006, Az. 4 U 49/05, zitiert nach juris). Damit schuldet der Schädiger dem Geschädigten den unter Berücksichtigung der individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten objektiv zur Schadensbehebung erforderlichen Herstellungsaufwand (LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2012, Az 13 S 109/10, zitiert nach juris).
In Ansehung der Reparaturkosten in Höhe von 1.205,90 € brutto begegnet dabei zunächst das vom Kläger in der Rechnung vom 15.12.2011 abgerechnete Grundhonorar in Höhe von 259,95 € netto im Hinblick auf die sich aus der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 ergebenden Beträge keinen Bedenken. Dem Sachverständigen ist es insoweit nicht verwehrt, sein Honorar nach einer Honorartabelle, wie hier der Honorarumfrage des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK), abzurechnen, denn diese ist aufgrund der großen Mitgliederzahl als Grundlage für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO geeignet (vgl: LG Halle, Urteil vom 30.01,2015, Az 1 S 75/14).
Der Sachverständige kann zudem in werkvertraglich zulässigerweise neben dem „Grundhonorar“ für die eigentliche Sachverständigentätigkeit „Nebenkosten“ nach ihrem konkreten Anfall berechnen (BGH, Urteil vom 04.04.2006, Az. X ZR 80/05, NZV 2007,1822 ff.).
Dass Nebenkosten, hier Fotokosten und Kosten für Fotokopien, Schreib- und Kopierkosten sowie Porto- und Telefonkosten entstanden sind, hat die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. Zwar konnte der als Zeuge vernommene Geschädigte, W. W. im Rahmen seiner Vernehmung im Termin am 08.12.2014 nicht mit Bestimmtheit sagen, dass ihm eine Abschrift des Gutachtens zugeschickt worden war. Jedoch hat der Zeuge B. im Rahmen seiner Vernehmung am 18.02.2015 ausgesagt, dass das Gutachten per Post an die Versicherung sowie an den Kunden und dessen Reparaturwerkstatt in Papierform versandt worden ist. Auch die Zeugin H., die schriftlich gemäß § 377 Abs. 3 ZPO vernommen wurde, hat im Rahmen ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 02.04.2015 (Bd. II Bl. 20 der Akte) angegeben, dass das Gutachten in Papierform übersandt wurde und ein Datenträger (CD) beigefügt war.
Sofern der Kläger danach für den 1. Fotosatz für 10 Fotos zu je 2,33 €/Foto = 23,30 €, für den 2. Fotosatz-Kopie 10 Fotos zu je 1,98 €/Kopie = 19,80 €, für Porto/Telefon 20,95 € sowie für Schreibkosten 15 Seiten (einschließlich Deckblatt und Inhaltsverzeichnis) zu je 3,16 €/Seite = 47,40 € und für 15 Kopien zu je 1,43 €/Kopie = 21,45 € geltend gemacht hat, sind Anhaltspunkte für eine willkürliche Geltendmachung dieser Kosten daher nicht ersichtlich. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung hat sich unter Zugrundelegung der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 auch nicht ergeben. Zwar liegen die abgerechneten Kosten je Foto des 2. Fotosatzes um 0,18 € über dem Maximalwert des HB V Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 (entspricht insgesamt 1,80 €) und die abgerechneten Porto-und Telsfonkosten um 2,07 € über dem Maximalwert des HB V Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011, jedoch ist seitens der Beklagten nichts dazu vorgetragen, wie der Geschädigte nach seinen individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hätte erkennen können, dass die insoweit vom Sachverständigen verlangte, nur geringfügig (um 3,87 €) über den Werten der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 liegende, Vergütung von Nebenleistungen über der anderer Marktteilnehmer liegt (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13 m. w. N., zitiert nach juris). Dass der Geschädigte von vornherein hätte erkennen können, dass das Sachverständigenbüro überhöhte Nebenkosten ansetzen würde, wurde nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass die abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarumfrage ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt angesichts der geringfügigen Überschreitung die Annahme eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB noch nicht.
Nachdem die Beklagte dem Geschädigten auf den Rechnungsbetrag in Höhe von 467,49 € brutto bislang lediglich 390,00 € gezahlt hat, hat sie dem Kläger den noch offen stehenden Betrag i.H.v. 77,49 € zu zahlen. Da auf die Erstmahnung vom 04.01.2012 unter Fristsetzung zum 14.01.2012 der noch offen stehende Betrag bislang nicht gezahlt wurde, befindet sich die Beklagte damit seit dem 15.01.2012 im Verzug und hat dem Kläger ab diesem Zeitpunkt gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Verzugszinsen zu zahlen.
Vorgerichtliche Mahnkosten kann der Kläger jedoch nicht erstattet verlangen. Mit Abrechnungsschreiben vom 18.01.2012 hatte die Beklagte klargestellt, dass es ohne entsprechenden Vortrag zur Sachverständigenrechnung bei der zur Verfügung gestellten Zahlung verbleiben müsse. Damit war für den Geschädigten und auch den Kläger klargestellt, dass ohne weiteren Sachvortrag auf bloße Mahnungen nichts weiter gezahlt wird. Im Hinblick darauf sind die weiteren Mahnschreiben des Klägers vom 20.01.2012 und 31.01.2012, die keinen weiteren Sachvortrag enthielten, als überflüssig anzusehen, denn der Kläger hätte auf das Schreiben der Beklagten vom 18.01.2012 hin sofort klagen können, zumal sich die Beklagte, wie dargelegt, seit 15.01.2012 im Verzuge befand. Die weiteren Mahnschreiben entsprechen daher nicht adäquatem Kausalverlauf.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Gründe, gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere soweit es die strittige Frage der Erforderlichkeit von Mahnungen anbetrifft, hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechtes eine Entscheidung des Berufungsgerichtes.