Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
von Nürnberg geht es weiter nach Halle an der Saale. Verklagt werden musste wieder einmal die HUK-Coburg Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. In diesem Fall aber auch am Ort der Niederlassung in Halle. Die zunächst gekürzten Sachverständigenkosten muss die Beklagte jetzt doch mit Zinsen und Gerichts- und Anwaltskosten zahlen. Gleich nach Recht und Gesetz zu regulieren, wäre wirtschaftlicher gewesen. Unbewußt hat das erkennende Gericht hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten auch bereits das Urteil des BGH vom 8.5.2012 – VI ZR 273/11 -, das auch noch hier eingestellt wird, berücksichtigt. Es gibt einfach keine einfachen Schadensregulierungen mehr. Dies liegt aber an der rechtswidrigen Regulierungspraxis der Versicherer. Die Unfallopfer werden einfach von den Versichereren über den Tisch gezogen. Lest das Urteil bitte selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Halle (Saale) Verkündet am: 18.04.2012
Geschäfts-Nr.: 102 C 3894/10
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des …
Kläger
gegen
HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a. G., vertr. d.d. Vorstand Rolf-Peter Hoenen, Merseburger Straße 46, 06110 Halie
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 18.4.2012 durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 358,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-punkten über dem Basiszinssatz seit 22.01.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 81,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 10.03.2012 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auf 471,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
Von der Abfassung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten aus abgetretenem Recht des Zeugen … gem. §§ 398 Satz 1 BGB, 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG i. V. m. §115 VVG Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 07.12.2009 in Höhe von 358,24 € verlangen. Dieser Betrag setzt sich aus den Nettogutachterkosten laut Rechnung des Klägers vom 07.01.2010 (594,80 €) abzüglich der von Beklagtenseite vorprozessual geleisteten Zahlung in Höhe von 236,56 € zusammen.
Der Kläger ist aktiv legitimiert, da der Geschädigte und Zeuge … die ihm aus dem Verkehrsunfall zustehenden Schadensersatzansprüche gegen gegen die Beklagte auf Erstattung der Gutachterkosten wirksam an den Kläger abgetreten hat. Dies steht im Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Der Zeuge … hat glaubhaft bekundet, die als Anlage K 8 vorliegende Abtretungsurkunde unterzeichnet zu haben. Diese Abtretung ist auch wirksam. Die Tatsache, dass im Zeitpunkt der Abtretung bereits Teile des in der Abtretungsurkunde genannten Anspruchs erloschen waren, steht der Wirksamkeit der Abtretung bezüglich des noch nicht erfüllten Teilbetrags nicht entgegen.
Soweit die Parteien darum streiten, ob der Kläger überhöht abgerechnet hat, ist diese Frage für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich, da der Kläger nicht aufgrund eines Werkvertrags im Verhältnis zur Beklagten Honoraransprüche geltend macht, sondern es geht hier um Schadensersatzansprüche eines Unfallgeschädigten. Prüfungsmaßstab ist daher nicht, ob die Vergütung üblich im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB ist, sondern ob die geltend gemachten Sachverständigenkosten zu dem erforderlichen Herstellungsaufwand gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören. Dies ist vorliegend zu bejahen. Der Geschädigte … hatte ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Schäden an seinem Fahrzeug, welche durch den Versicherungsnehmer der Beklagten verursacht worden waren. Die für die Begutachtung aufgewendeten Kosten gehören daher zum Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB, und zwar unabhängig davon, ob ein anderer Gutachter für diese Schadensfeststellung ein geringeres Honorar als der Kläger berechnet hätte. Im Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten gilt, dass der Geschädigte vor Erteilung des Gutachterauftrags keine Marktforschung hinsichtlich der Preisgestaltung der auf dem Markt agierenden Gutachter betreiben muss, solange für ihn nicht offensichtlich ist, dass der Sachverständige seine Vergütung geradezu willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen (vgl. OLG Naumburg vom 20.01.2006, 4 U 49/05). Für ein solch auffälliges Missverhältnis liegen hier keine Anhaltspunkte vor. Die Höhe des geltend gemachten Honorars steht nicht derart in einem Missverhältnis zur Schadenshöhe, dass dem Geschädigten … ein offenkundiges Missverhältnis hätte auftauen müssen.
Der Kläger kann allerdings Schadensersatz aus abgetretenem Recht lediglich in Höhe der Nettogutachterkosten verlangen, da der Geschädigte … unstreitig vorsteuerabzugsberechtigt ist, so dass ihm in Höhe der Mehrwertsteuer kein Schaden entstanden ist. Da der Geschädigte nicht mehr abtreten kann, als ihm selbst zusteht, kann auch der Kläger den Betrag der Mehrwertsteuer nicht von der Beklagten verlangen. Er hat diesbezüglich keinen Schadensersatzanspruch durch die Abtretung erworben, da ein solcher Anspruch des Geschädigten, den dieser hätte abtreten können, niemals bestand.
Der Kläger hat weiterhin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 81,00 € (1,5 Geschäftsgebühr berechnet auf einen Gegenstandswert in Höhe von 358,24 € zuzüglich 20 % Telekommunikationspauschale). Die von den Rechtsanwälten des Klägers berechnete 1,5-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG auch im Verhältnis zur Beklagten verbindlich, weil sie nicht unbillig ist. Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Bei Rahmengebühren steht dem Rechtsanwalt bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20% (sog. Toleranzgrenze) zu.
Da sich der Anwalt innerhalb dieser Grenze, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher vom ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen. Hier war auf jeden Fall eine 1,3-fache Regelgebühr angemessen, weshalb die Rechtsanwälte des Klägers mit der Festlegung der 1,5-fachen Gebühr die Toleranzgrenze eingehalten haben.
Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht nunmehr auch fest, dass dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in dieser Höhe von seinem Prozessbevollmächtigten berechnet worden sind und dass er diese auch bezahlt hat. Dies hat die glaubhafte Aussage des Zeugen … bestätigt.
Der Anspruch des Klägers auf Verzugszinsen beruht auf §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288, 291 ZPO. Verzugszinsen auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren kann der Kläger erst ab 10.03.2012 verlangen, weil er selbst die ihm berechneten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erst am 09.03.2012 bezahlt hat, wie sich im Rahmen der Vernehmung des Zeugen … ergeben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.