Mit Datum vom 31.08.2016 (820 C 244/16) hat das AG HH-Barmbek den Halter zur Zahlung der von der HUK-Coburg gekürzten Sachverständigenkosten in Höhe von 52,19 € zzgl. Zinsen sowie zur Freihaltung von vorgerichtlichen RA-Kosten verurteilt. Erstritten wurde das Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.
Amtsgericht Hamburg-Barmbek
Az.: 820 C 244/16
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
…
– Beklagter –
erkennt das Amtsgericht Hamburg-Barmbek – Abteilung 828 – durch den Richter am Amtsgericht … am 31.08.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 52,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit 06.02.2016 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevöllmächtigten in Höhe von 70,20 € freizuhalten.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 52,19 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist – mit Ausnahme der Kosten für Halterauskunft – begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des restlichen Honorars für das Sachverständigengutachten sowie auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
1. Der Anspruch auf Zahlung des restlichen Sachverständigenhonorars in Höhe von 52,19 € folgt aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 398 BGB. Er ist dem Kläger wirksam vom Geschädigten gemäß § 398 BGB abgetreten worden.
a) Der Zedent kann als Geschädigter den Ersatz der Sachverständigenkosten in der geltend gemachten Höhe als Schadensersatz beanspruchen, da sie aus seiner Sicht für eine sachdienliche Rechtsverfolgung erforderlich waren.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte dem Grunde nach in voller Höhe für äen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 22.12.2015 haftet. Von diesem Anspruch sind grundsätzlich auch die Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens erfasst, da diese zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gernaß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören. Die Höhe der Kosten richtet sich nach der zwischen dem Kläger und dem Zedenten bei Auftragserteilung getroffenen Vergütungsvereinbarung (Anlage K 1), wonach sich das Honorar nach der „umseitjg abgedruckten Honorarvereinbarung“ bestimmt Deshalb kann es auch dahinstehen, ob die Vergütung ortsüblich ist. Hierauf käme es nur an, wenn keine Vergütungsvereinbarung getroffen worden wäre und die Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB anhand der Üblichkeit zu bemessen wäre.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Honorarvereinbarung nicht wegen Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung unwirksam. Auch wenn ein solcher Verstoß vorliegen sollte, ließe dieser die Wirksamkeit der getroffenen Abreden dennoch unberührt (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 134 Rn. 26 m.w.N.). Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang bestreitet, dass die Preisliste bei Vertragsschluss bereits vorlag, steht diesem einfachen Bestreiten die gemäß § 416 ZPO als bewiesen anzusehende Erklärung des Zedenten entgegen, die Honorarvereinbarung sei auf der Rückseite des Auftragsformulars abgedruckt.
Die geltend gemachten Kosten halten sich im Rahmen des nach § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähigen Betrages. Sie stellen den erforderlichen Herstellungsaufwand dar, dessen Ersatz der Zedent nach § 249 Abs. 2 BGB beanspruchen kann. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf nämlich einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv eforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte deshalb damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutfich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot ist der Geschädigte gegenüber dem Schädiger jedoch nicht verpflichtet (BGH Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13 – NJW 2014, 1947).
Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten können deshalb nur erhoben werden, wenn den Geschädigten ein Auswahlverschulden trifft oder die unangemessene Überhöhung evident und für den Geschädigten als Laie erkennbar ist. Bei der Frage, wann von „erkennbar“ überhöhten Preisen auszugehen ist, ist nicht auf Einzelpositionen wie z.B. Foto- oder Fahrtkosten etc. abzustellen, sondern die Überhöhung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, also ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen, zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat, ob ein Missverhäitnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Anderenfalls käme es angesichts der unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten der Kfz-Sachverständigen in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, in denen ein geringes, deutlich unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar, dafür aber verhältnismäßig hohe Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ohne dass es insgesamt zu einer Überschreitung der üblichen Vergütung kommt (LG Hamburg Urt. v. 22.01.2015 – 323 S 7/14 – Juris).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist weder ein Auswahlverschulden des Zedenten ersichtlich, noch sind die hier streitgegenständlichen Sachverständigenkosten als erkennbar überhöht anzusehen. Sie halten sich vielmehr im Rahmen des nach § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähigen Betrages. Eine einzelne Betrachtung der Nebenkosten ist hierbei nicht vorzunehmen, sondern lediglich auf den Rechnungsendbetrag abzustellen. Das geltend gemachte Honorar einschließlich der Nebenkosten in Höhe von 482,19 € übersteigt schon die von dem Beklagten angesetzten und bereits erstatteten Kosten in Höhe von 430,- € lediglich um 12 % und hält sich damit in einem ohne weiteres vertretbaren Rahmen. Auf das dem Zedenten vor Auftragserteilung übersandte Honorartableau (Anlage B 2) kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, da die dort aufgeführten Beträge lediglich die subjektive Auffassung der Haftpflichtversicherung des Beklagten widerspiegeln, an die der Geschädigte aber nicht im Sinne einer Höchstgrenze gebunden ist.
Nichts anderes würde im Übrigen bei einer einzelnen Betrachtung der Nebenkosten gelten. Auch dann kann nicht von einer evidenten Überhöhung ausgegangen werden, die dem Geschädigten hätte auffallen müssen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass solche Nebenkosten oft im Rahmen einer Mischkalkulation des Sachverständigen in das Pauschalhonorar einfließen, kann der Geschädigte hier Missverhältnisse schwer erkennen. Der eine Sachverständige mag hinsichtlich der Fahrtkosten besonders günstig sein, dafür hohe Schreibtosten veranschlagen, und ein anderer Sachverständiger fällt durch besonders günstige Fotokosten auf, berechnet aber besonders hohe Fahrtkosten. Vorliegend sind die geltend gemachten Nebenkosten jedenfalls nicht derart hoch angesetzt worden, dass für den Geschädigten als Laien ein auffälliges Missverhältnis zwischen Gesamtpreis und Gesamtleistung erkennbar gewesen wäre.
Auch die einzelnen Nebenkostenpositionen sind ersatzfähig. Hinsichtlich des zweiten Fotosatzes ist gerichtsbekannt, dass es der Üblichkeit entspricht, dass ein Gutachtenexemplar für die Versicherung erstellt wird und ein weiteres Exemplar für den Geschädigten. Insofern ist die Berechnung von Fotokosten für eine Gutachtenkopie ohne weiteres nachvollziehbar. Ein einfaches Bestreiten des Beklagten genügt deshalb nicht, vielmehr wäre konkreter Vortrag dazu erforderlich gewesen, ob seine Versicherung entgegen der Üblichkeit kein Gutachtenexemplar erhalten hat. Die Berechnung der Kommunikationspauschale und der Restwertanfrage schließlich entsprach der Honorarvereinbarung, nach der diese Positionen gesondert berechnet werden.
b) Entgegen der Auffassung des Beklagten gelten keine anderen Grundsätze allein deshalb, weil der Kläger, dem der Beklagte eine überhöhte Entgeltrechnung vorwirft, durch die Abtretung nunmehr selbst Gläubiger des Schadensersatzanspruchs geworden ist. Entscheidend ist allein, in welcher Höhe der Anspruch ursprünglich bei dem Geschädigten, dem Zedenten, entstanden ist. Der Erstattungsanspruch des Geschädigten verändert sich durch die Abtretung an den Sachverständigen nicht. Ebenso wenig spielt es für die oben dargelegten Anforderungen an die Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Positionen eine Rolle, ob der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen begleicht und selbst den Prozess gegen den Schädiger führt oder ob er – wie hier – seine Forderung gegen den Schädiger erfüllungshalber an den Sachverständigen abtritt und dieser aus abgetretenem Recht gegen den Schädiger vorgeht.
Nichts anderes folgt aus dem vom Beklagten ins Feld geführten Urteil des Amtsgerichts München vom 11.07.2014 (343 C 7578/14 – NJW-RR 2014, 1373). Der dort zugrundeliegende Fall unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von dem hier zu entscheidenden. Anders als hier hatten nämlich der Geschädigte und der Sachverständige dort keine Honorarvereinbarung geschlossen.
c) Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, welche Gegenansprüche des Beklagen im Rahmen eines Gegenprozesses geltend gemacht werden könnten, die aufgrund des dolo agit-Grundsatzes bereits hier zu berücksichtigen wären. Dass der Kläger vertragliche Pflichten gegenüber dem Zedenten verletzt hat, ist nicht ersichtlich. Insbesondere traf den Kläger keine Hinweispflicht bei einer etwaigen Überschreitung des ortsüblichen Preisniveaus. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu entsprechenden Pflichten bei Mietwagen ist auf Kfz-Sachverständige nicht zu übertragen, da den Geschädigten hier gerade keine Pflicht zur Markterforschung trifft (LG Hamburg Urt. v. 22.01.2015 – 323 S 7/14 -juris).
d) Auf den vom Sachverständigen erstellten Rechnungsbetrag von 482,19 € hat die Versicherung des Beklagten 430,- € bezahlt, so dass ein restlicher Schadensersatzanspruch von 52,19 € verbleibt.
2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3,288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte muss sich die Leistungsverweigerung seiner Haftpflichtversicherung vom 05.02.2016 gemäß § 164 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.
3. Der Anspruch auf Freihaltung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Ausweislich der Anlage K 7 ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgerichtlich direkt gegenüber dem Beklagten tätig geworden. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich hierbei auch nicht um eine unzulässige Aufteilung des ursprünglichen Gesamtauftrages. Vielmehr macht hier nicht der Geschädigte einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten geltend, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht. Diesem gegenüber erfolgte die Zahlungsverweigerung, und insoweit sind die ihm zur weiteren Verfolgung des Anspruchs entstandenen Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen. Dass der hier geltend gemachte Betrag bereits zuvor einmal durch den Geschädigten geltend gemacht worden wäre, ist nicht ersichtlich. Es handelt sich auch nicht um eine willkürliche Aufsplittung eines ursprünglichen Gesamtauftrags in immer weitere Einzelaufträge.
Hinsichtlich der Höhe ist eine 1,3-Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagenpauschale anzusetzen. Dies gilt auch in einfach gelagerten Fällen (vgl. BGH Urt. v. 17.09.2015 – IX ZR 280/14 – NJW 2015, 3793).
Hier wird leider auch über Ermessen nachgedacht und über Prozente nach § 249 und leider Abs. 2 geschätzt. Aber die lebensnahe Art der Erklärung ist sehr gut und sollten die Laien am AG- und LG Halle mal lesen! Aber nur die paar Laien, der große Rest hat Freizeit 😉
Hallo, Babelfisch,
52,19 € als angeblich „nicht erforderlich“ und dann auch noch pauschal ohne jedwede seriöse Erklärung trotz der Haftung von 100% rechtswidrig zu kürzen, ist schon eine kaum noch zu überbietende Dreistigkeit, die zeigt, wie wirtschaftliche Macht missbraucht wird. Auch hier dürfte von vornherein klar liegen, dass die prozentual unerhebliche Kürzung weder werkvertraglich noch schadenersatzrechtlich Hand und Fuß hat.
Fakt ist aber, dass mit solchen Kürzungen in jedweder Größenordnung der Geschädigte herabgewürdigt wird zu einem nicht vernünftigen und nicht wirtschaftlich denkenden Menschen, wenn ein behaupteter Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht daraus resultieren soll, dass er sich keines Sachverständigen bedient hat, der so abrechnet, wie sich das die HUK-Coburg Versicherung nach ihrem eigenen Honorartableau vorstellt.
Dieses Honorartableau hat jedoch den Charakter eines Pauschalpreisvertrages mit nicht überprüfbaren Parametern. Die Versicherung ist jedoch nicht der Vertragspartner des Geschädigten und somit hat sie auch keine gesetzliche Grundlage so zu verfahren.
Gleichzeitig wird dem vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen im Prozess jedoch vorgeworfen, „überhöht“, also unkorrekt und offensichtlich gesetzeswidrig abgerechnet zu haben. Ein eindeutig geschäftsschädigender Vorwurf, wie ich meine, dem entgegengetreten werden muss, so wie es ein Sachverständiger aus Halle bereits praktiziert hat mit dem hier veröffentlichten Urteil des OLG Naumburg.
So lange die HUK-Coburg die rechtswidrig vorgenommene Kürzung nicht sachbezogen bzw. konkret begründen kann, sind die Vorwürfe nicht erheblich und das sollte bei sorgfältiger Überprüfung auch für die damit befassten Gerichte schwierigkeitslos zu erkennen sein. So haben denn u.a. auch das OLG Bamberg und das OLG Saarbrücken deutlich gemacht, dass es sich bei den Kürzungen durch die HUK-Coburg Vers., der Bruderhilfe und der ähnlich verfahrenden VHV um „Mogelpackungen“ handelt, wenn auf werkvertragliche Beurteilungskriterien abgestellt wird
G.v.H.