Mit Urteil vom 02.03.2016 (532 C 60/16) hat das Amtsgericht Hamburg-Blankenese die VHV-Versicherung zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten in Höhe von 103,75 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Urteil wurde erstritten von der Kanzlei Hamburger Meile.
Die Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch in der Sache begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten aus § 7 StVG i.V.m. § 115 VVG, § 398 BGB die Zahlung eines restlichen Sachverständigenhonorars in der geltend gemachten Höhe verlangen.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte der Geschädigten X GmbH & Co. KG aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2015 auf der xx in Hamburg, zum Schadensersatz verpflichtet ist und dass diese ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten hat.
Die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten greifen nicht durch:
Die Beklagte kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Kosten entsprächen nicht der „üblichen“ Vergütung im Sinne des 632 Abs. 2 BGB, denn die Klägerin hat mit ihrem Auftraggeber eine konkrete Vergütungsvereinbarung getroffen, die nach dem klaren Wortlaut des § 632 Abs. 2 BGB Vorrang vor einer Bemessung nach „Üblichkeit“ hat. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Gutachtenauftrag, den die Geschädigte der Klägerin erteilt hat, den Inhalt des Auftragsschreibens Anlage K1 hat. Dort wird auf die „umseitigen AGB“ Bezug genommen, in der eine konkrete, vom Schadensumfang abhängige Vergütungshöhe vereinbart wurde, unterteilt nach Grundhonorar und Nebenkosten, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es sich in der Tabelle um Nettobeträge handelt, so dass die gesetzliche Mehrwertsteuer hinzuzurechnen ist.
Diese AGB sind auch Vertragsbestandteil geworden, denn sie waren unstreitig auf der Rückseite abgedruckt, sodass für die Geschädigte eine zumutbare Gelegenheit zur Kenntnisnahme bestand (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Soweit die Beklagte vorträgt, die AGB seien nicht Vertragsbestandteil geworden, weil die Klägerin die vollständige Tabelle „nicht vorgelegt“ habe, ist dies rechtlich unbeachtlich. Es muss lediglich die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben sein; einer tatsächlichen Vorlage bedarf es nicht. Insoweit hat die Klägerin vorgetragen, dass die vollständige Honorartabelle zu den üblichen Geschäftszeiten in den Geschäftsräumen der Klägerin eingesehen werden können. Dies hat die Beklagte nicht bestritten.
Die AGB der Klägerin, insbesondere die darin enthaltene Kostentabelle, sind auch nicht gemäß § 307 BGB unwirksam. Insbesondere folgt dies nicht aus dem Umstand, dass die AGB den Hinweis enthalten, dass sich die Preise an der aktuellen BVSK-Honorarumfrage 2013 orientieren. Eine Irreführung läge darin allenfalls, wenn die Ergebnisse der Honorarumfrage 2015 zum Zeitpunkt der Beauftragung schon veröffentlicht gewesen wären. Dies trägt die Beklagte allerdings selbst nicht vor und war auch gerichtsbekanntermaßen nicht der Fall, denn die Befragung der BVSK-Mitglieder erfolgte im Zeitraum Februar bis September 2015 (vgl. die Kurzerläuterungen der BVSK-Umfrage 2015), so dass die Tabelle erst im Anschluss veröffentlicht werden konnte, während der hier streitgegenständliche Begutachtungsauftrag bereits am 28.4.2015 erteilt wurde.
Der von der Klägerin verlangte Betrag ist auch „erforderlich“ i.S.d. 249 BGB. In ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. zuletzt BGH NJW 2014, 1947 m.w.N.) ist anerkannt, dass der Geschädigte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen darf und von dem Haftpflichtigen nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen kann. Als erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt vom Geschädigten jedoch nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. es ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachver-ständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe dabei regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle.
Nach diesen, mit der Rechtsprechung des BGH übereinstimmenden Kriterien ist der von der Klägerin verlangte Betrag nicht zu beanstanden. Die Rechnung der Klägerin vom 30.4.2015 entspricht in jeder Hinsicht der Honorarvereinbarung (Anlage K1), und zwar sowohl hinsichtlich des Grundhonorars als auch im Hinblick auf die Nebenkosten. Ob die vereinbarten und abgerechneten Preise überhöht sind, kann letztlich dahinstehen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Geschädigte eine etwaige Überhöhung hätte erkennen müssen. Die Beklagte trägt selbst nicht vor, aus welchem Grunde der Geschädigte eine etwaige Preisüberhöhung hätte feststellen müssen; Laien haben diese Kenntnisse regelmäßig nicht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der
Focus insoweit nicht auf Einzelpositionen zu richten (z.B. einzelne Nebenkostenpositionen), sondern eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist (so zutreffend LG Hamburg, 323 S 45/14 Urt. v. 19.2.2015).
Soweit die Beklagte schließlich meint, die aus abgetretenem Recht vorgehende Klägerin könne sich auf die fehlenden Erkenntnismöglichkeiten der Geschädigten nicht berufen, zumal ihr selbst die Marktverhältnisse bekannt seien, verkennt sie, dass der Anspruch im Falle der Abtretung in der Gestalt und der Höhe auf den Zessionar übergeht, die er vor der Abtretung in Person des Zedenten hatte. Dies steht mit der Rechtsprechung des BGH in Einklang. In der Entscheidung des BGH zum Az. VI ZR 357/14, bei der ebenfalls ein Sachverständiger aus abgetretenem Recht des Geschädigten geklagt hatte, hat der BGH nämlich ohne jede Rücksicht auf die vorliegende Zessionssituation ausgeführt, dass es für die Frage der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB bzw. der Schadensminderungspflicht i.S.d. § 254 Abs. 2 BGB auf die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten ankomme; von etwa weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten des Zessionars ist nicht die Rede (vgl. dort, Rn. 1 und 15 f.).
II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 286, 288 BGB).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Soweit das AG HH-Blankenese.