Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachfolgend veröffentlichen wir hier wieder ein positives Urteil aus Hamburg zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG mit umfangreicher – schadensersatzrechtlich völlig korrekter – Begründung. Nachdem so etwas bei der HUK-COBURG jedoch nicht ankommt, wurde wohl auch hier nur wieder eine weitere Perle vor die Säue geworfen? Wieder einmal ist die HUK-COBURG unbelehrbar. Sie verweist immer noch auf das von ihr selbst gestrickte Honorartableau und meint doch allen Ernstes, dass die darin aufgeführten Werte die angemessenen Sachverständigenkosten darstellen würden. Sie hat immer noch nicht gelernt, dass es im Schadensersatzrecht nicht auf werkvertragliche Gesichtspunkte, wie Angemessenheit und Üblichkeit, ankommt. Im Schadensersatzrecht haben werkvertragliche Gesichtpunkte keine Rolle zu spielen. Vielmehr kommt es auf die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB an. Das selbst gestrickte Honorartableau eignet sich noch nicht einmal als Schätzgrundlage, denn ein eintrittspflichtiger Versicherer kann dem Geschädigten als Gläubiger nicht diktieren, in welcher Höhe Schadensersatz zu leisten ist. Ein Preisdiktat durch die HUK-COBURG geht schon gar nicht! Lest aber selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingereicht durch Frau Rechtsanwältin Synatschke-Tchon aus Hamburg.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Hamburg
Az.: 31c C 19/15
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch die Vorstände Wolfgang Flaß-hoff, Stefan Gronbach, Klaus-Jürgen Heitmann, Dr. Hans Olav Heroy, Jörn Sandig und Dr. Wolfgang Weiler, Nagelsweg 41-45, 20090 Hamburg
– Beklagte –
erkennt das Amtsgericht Hamburg – Abteilung 31c – durch die Richterin am Amtsgericht F. am 20.05.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 71,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 28.11.2014 sowie 70,20 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 15.02.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 495a, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Der Kläger als Kfz-Sachverständiger kann von der Beklagten als Haftpflichtversicherer eines unfallverursachenden Fahrzeugs Zahlung restlichen Sachverständigenhonorars in Höhe von 71,44 € verlangen, §§ 7 StVG, 115 VVG, 398 BGB.
Der Kläger erstattete für den Verkehrsunfallgeschädigten P. R. am 11.11.2014 / 13.11.2014 ein Kfz-Schadensgutachten nach einem Verkehrsunfall vom 08.11.2014 in 22453 Hamburg, Kollaustraße. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 % ist unstreitig.
Die klägerische Aktivlegitimation ergibt sich hier aus § 398 BGB. Als Anlage K1 wurde eine schriftliche Abtretungserklärung des Verkehrsunfallgeschädigten vorgelegt, wonach dieser seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Brutto-Endbetrages der Rechnung des Sachverständigen unwiderruflich erfüllungshalber an das Kfz-Sachverständigenbüro, hier den Kläger, abtrat. Der Kläger hat diese Abtretung (formularmäßig) angenommen. Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Abtretung hatte das Gericht nicht.
Der Kläger stellte in seinem privaten Kfz-Schadensgutachten vom 13.11.2014 einen Schaden wie folgt fest: fiktive Brutto-Reparaturkosten von 3.567,30 € (nach einem Abzug wegen Wertverbesserung), Wertminderung: 200,- €, Wiederbeschaffungswert differenzbesteuert: 4.500,- €, Restwert: 2.000,- €. Bei dem unfallgeschädigten Pkw handelte es sich um einen Toyota AYGO. Für seine Feststellungen stellte der Kläger sein Sachverständigenhonorar mit Schreiben vom 17.11.2014 (Anlage K4) wie folgt in Rechnung: Grundhonorar: 466,50 €, Fahrtkosten bis 30 km: 24,81 €, 1. Fotosatz / lichtbilder: 23,80 e, Schreibgebühren / Bürokosten: 45,05 €, weitere Fotos in Kopie: 15,- €, Schreibkosten je Kopie: 21,59 €, Kommunikationspauschale: 13,43 €, Porto Inland: 2,90 €, Restwertanfrage: 12,50 €. Es ergab sich so ein Netto-Betrag von 625,58 € und ein Bruttobetrag von 744,44 €. Hierauf erstattete die Beklagte vorgerichtlich nur 673,– € und verweist mit der Anlage B1 auf eine eigene Sachverständigen-Honorartabelle „Honorartableau 2012 HUK-Coburg“ vom 01.11.2011. Die Beklagte erkennt nur die dortigen Preise als angemessene Sachverständigenkosten an und hält das klägerseits angesetzte Honorar für „erkennbar überhöht“. Der Kläger seinerseits berechnete sein Honorar auf Basis einer dem Vertragsschluss mit dem Verkehrsunfallgeschädigten zugrunde liegenden Honorartabelle, die ein „Grundhonorar netto HB V Mittelwert zwischen HB II und HB III“ sowie Nebenkosten ausweist.
Dem Kläger, der hier aus abgetretenem Recht klagt, steht der gesamte Betrag seines in Rechnung gestellten Sachverständigenhonorars aus seiner Sachverständigenkostenrechnung vom 17.11.2014 zu.
Es ist die volle Honorarforderung des Klägers von der Beklagten nach §§ 115 VVG, 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzen.
Der Unfallgeschädigte und Zedent des Schadensersatzanspruchs und der Kläger, der Zessionar, haben am 11.11.2014 einen Vertrag über die Erstellung eines KFZ-Sachverständigengutachtens geschlossen. Ein solcher Gutachtenauftrag ist ein Werkvertrag (§ 631 ff BGB/ Sprau, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., Einf § 631, Rn: 24). Zur Vergütung haben die Parteien vereinbart: „Der Sachverständige berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenshöhe,“ sowie „Die Abrechnung erfolgt anhand der Preisliste auf der Rückseite dieser Erklärung“ (Anlage K1).
Ein Verkehrsunfallgeschädigter kann vom Schädiger (bzw. über § 115 VVG von dessen Versicherung) nach § 249 Abs. 2 BGB im Fall der Sachbeschädigung statt Naturalrestitution Geldersatz verlangen. Zu ersetzen ist das Integritätsinteresse, d.h. der Geldbetrag, der zur Herstellung desjenigen Zustands erforderlich ist, der ohne das schädigenden Ereignis bestünde (Grüneberg, Palandt, BGB, 73. Aufl., § 249, Ran: 5).
Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens (Grüneberg, Palandt, BGB, 73. Aufl., § 249, Rn: 58 m.w.N.). Dies umfasst Sachverständigenkosten, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007, VI ZR 67/06, juris).
Erforderlich sind Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 -, juris; BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris). Dies ist Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsgebots. § 254 Abs. 2 BGB ist entsprechend heranzuziehen (Grüneberg, Palandt, BGB, 73. Aufl., § 249, Rn: 12).
Die Erforderlichkeit des Herstellungsaufwands bemisst sich mit Rücksicht auf die Situation des Geschädigten, insbesondere auf individuelle Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für den Geschädigten bestehenden Schwierigkeiten. Mithin findet eine subjektbezogene Schadensbetrachtung statt (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 – VI ZR 17/11 -, juris; BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris).
Es ist daher entscheidend, ob die Abrechnung des Sachverständigen auffällig willkürlich oder erkennbar überhöht ist oder in einem außergewöhnlichen Missverhältnis von Preis und Gegenleistung steht. Dann bildet sie nicht den erforderlichen Wiederherstellungsautwand ab (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 – juris; Grüneberg, Palandt, 73, Aufl., § 249, Rn: 58). Ansonsten ist das der Fall und die Erstattungsfähigkeit zu bejahen.
Der Geschädigte ist nicht zur Markterforschung nach einem möglichst preisgünstigen Sachverständigen verpflichtet, sondern darf einen für ihn in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen beauftragen (BGH, Urteil v. 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 – juris).
Im hier vorliegenden Streitfall ist nach Maßgabe auch der jüngsten BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil v. 22. Juli 2014, VI ZR 357/13, juris) eine für den Geschädigten erkennbare Überhöhung des Sachverständigenhonorars nicht festzustellen.
Es ist nicht zu beanstanden, dass sich das vorliegende Sachverständigenhonorar an der festgestellten Schadenshöhe anlehnt bzw. mit dieser steigt Gutachterkosten dürfen auch nach der Schadenshöhe bemessen werden (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 -, juris).
Zwar ist der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 – juris).
Jedoch liegen hier die vom Kläger als Kfz-Sachverständigen angesetzten und in Rechnung gestellten Preise nicht erkennbar erheblich über sonstigen Kfz-Sachverständigenhonoraren nach Verkehrsunfällen, so dass sie nicht mehr geeignet wären, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris). Bei der insoweit vom Tatrichter vorzunehmenden Schätzung nach § 287 ZPO müssen tragfähige Anknüpfungspunkte vorliegen, die Schätzung muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris). Die Beklagte meint, 600 € brutto inkl. aller Nebenkosten seien ein angemessener Preis für ein vergleichbares Schadensgutachten nach einem Verkehrsunfall. Die in Rechnung gestellten 744,44 € brutto seien hingegen erheblich überhöht und unangemessen. Die Beklagte stützt sich dabei auf eine eigens erstellte Sachverständigenhonorartabelle (Anlage B1), die die Sachverständigenkosten für nach Verkehrsunfällen erstellte Schadensgutachten abbilden soll. Diese Tabelle ist jedoch nicht allgemein zugänglich und einem Verkehrsunfallgeschädigten in der Regel nicht bekannt. Ein Verkehrsunfallgeschädigter weiß auch nicht, dass es verschiedene Honorartabellen / Honorarrahmen gibt, nach denen Kfe-Sachverständige arbeiten. Weiter weiß ein Verkehrsunfallgeschädigter auch in der Regel nicht, dass es Probleme hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit des in Rechnung gestellten Honorars geben kann.
Nach dem BGH (Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris) ist der erforderliche Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schädiger zu ersetzen. Zu einer Markterforschung hinsichtlich der Sachverständigenkosten soll ein Verkehrsunfallgeschädigter in der Regel nicht verpflichtet sein. Eine gerichtliche Preiskontrolle findet nicht statt. Der Tatrichter darf nach § 287 ZPO den erforderlichen Herstellungsaufwand schätzen. Die Beklagte möchte ihre Anlage B1 als geeignete Schätzgrundlage i.S.d. § 287 ZPO verwendet wissen. Der BGH hat jedoch auch ausgeführt, dass die regelmäßig beschränkten Erkenntnismöglichkeiten eines Geschädigten zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris, Rn: 16). Weshalb sich für einen Geschädigten ergeben sollte, dass bei einem Brutto-Schaden von 3.567,30 € ein Kfz-Sachverständigenhonorar von 600,– € brutto incl. Nebenkosten noch angemessen sein sollte, nicht aber ein solches von 744,44 € brutto incl. Nebenkosten, ist weder dargetan, noch ersichtlich. Zwar sind 744,44 € 24 % mehr als 600 €. Ein Verkehrsunfallgeschädigter kennt aber auch die „Grenze“ von 600,– € ja nicht. Deswegen vermochte das Gericht im vorliegenden Streitfall aus Sicht eines Verkehrsunfallgeschädigten eine erkennbare Überhöhung des hier angesetzten Kfc-Sachverständigenhonorars nicht feststellen.
Der BGH hat (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris) bei kalkulierten Reparaturkosten von 3.326,66 € brutto ein Brutto-Sachverständigenhonorar von 787,01 € grundsätzlich nicht beanstandet. Hingegen hat der BGH beanstandet, wenn der Tatrichter die angesetzten Nebenkosten auf pauschal 100,- € „deckeln“ würde. Der Tatrichter darf sich jedoch gem. § 287 ZPO die einzelnen Nebenkosten einzeln anschauen. Doch ist auch hier das Maß die „erkennbare Überhöhung“. Die Beklagte kann indes nicht hieraus schließen, dass auch im Streitfall insoweit eine erkennbare Überhöhung gegeben sei. Dass die „Grenze“ pro Foto bei 0,50 € läge und bei gefahrenen Kilometern bei 0,30 € pro Kilometer ist für einen Geschädigten ebenfalls nicht erkennbar.
Legt man diese zitierte BGH-Entscheidung zugrunde, so ist auch im vorliegenden Streitfall in Bezug auf die konkret angesetzten Nebenkosten nicht ersichtlich, dass der Geschädigte eine etwaige Überhöhung hätte erkennen können. Die hier angesetzten Nebenkosten fallen nicht aus einem Rahmen, SO dass für einen Verkehrsunfallgeschädigten eine erkennbare Überhöhung hätte auffallen müssen.
Eine pauschale Kürzung der Nebenkosten gem. § 287 ZPO auf 100 Euro netto ist vom BGH (Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris) beanstandet worden und daher nicht vorzunehmen.
Es sind daher im Außenverhältnis die tatsächlich in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten über §§ 115 VVG, 249 BGB erstattungsfähig, da eine für einen Geschädigten erkennbare Überhöhung nicht festgestellt werden konnte.
Schließlich ändert sich an der vorliegenden Erstattungsfähigkeit gem. §§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB: 287 ZPO nichts, etwa weil der Anspruch hier abgetreten worden ist und hiesiger Kläger das Sachverständigenbüro selbst ist. Es findet in einem solchen Fall auch keine Abkehr von der subjektiven Schadensbetrachtung statt (so aber ohne Begründung: AG Krefeld, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 10 C 361/14 -, juris), da ein abgetretener Anspruch sich inhaltlich nicht verändert. Es geht nur die Gläubigerstellung vom Zedenten auf den Zessionar über (Grüneberg, Palandt, BGB, 73. Aufl., § 398, Rn: 18). Der Inhalt des Anspruchs kann sich dabei nicht verändern.
Auch über § 242 BGB ist der klägerseits geltend gemachte restliche Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall nicht ausgeschlossen.
Die Einrede nach § 242 BGB (dolo agit) muss sich der Kläger vorliegend nicht entgegen halten lassen (so auch: AG Hamburg, Urteil v. 02.01.2015, Az: 32 C 242/14; AG Hamburg, Urteil vom 05.03.2015, 31c C 586/14; a.A. z.B. OLG Dresden, Urteil vom 19. Februar 2014 – 7 U 111/12, 7 U 0111/12 -, juris). Nach der Ansicht des OLG Dresden soll der Haftpflichtversicherer dem Kfe-Sachverständigen ein überhöhtes Honorar entgegen halten können über § 242 BGB, da der Kfz-Sachverständige das überhöhte Honorar als Schadenersatzforderung wieder zurückgewähren müsste an den Verkehrsunfallgeschädigten. Hierüber versucht die Beklagte, ihr „Honorartableau 2012 – HUK-Coburg“ (Anlage B1) zum Maßstab des erstattungsfähigen Sachverständigenhonorars zu machen.
Nach dieser Ansicht soll den Kfz-Sachverständigen eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Verkehrsunfallgeschädigten treffen, dass sein „Honorar ggf. über den üblichen Abrechnungssätzen liege und insoweit möglicherweise nicht in vollem Umfang von der gegnerischen Haftpflichtversicherung erstattet werde“ (OLG Dresden, aaO). Den bei der Verletzung dieser Pflicht entstehenden (eigenen) Schadensersatzanspruch soll die in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages einbezogene gegnerische Haftpflichtversicherung bei Abtretung der Forderung an den Gutachter diesem über § 242 BGB entgegen halten können.
Das hier erkennende Gericht vermag der Konstruktion über eine solche Aufklärungspflicht und dann entsprechender Pflichtverletzung nicht zu folgen.
Eine Aufklärungspflicht ist die Pflicht, die andere Partei über erkennbar entscheidungserhebliche Umstände zu informieren, die ihr verborgen geblieben sind (Roth/Bachmann, MüKo-BGB, 6.Auflage, § 241, Rn: 130), Eine Aufklärungspflicht besteht im Einzelfall, wenn besondere Umstände nur einer Partei bekannt sind und diese weiß, dass die Umstände die Entscheidung der anderen Partei beeinflussen (Emmerich, MüKo-BGB, ö.Auflage, § 311, Rn: 72 m.N.).
Es besteht keine allgemeine Informationspflicht; vielmehr ist nur über gravierende Umstände aufzuklären; insbesondere bei Gefährdung des Vertragszwecks (Roth/Bachmann, MüKo-BGB, 6.Auflage, § 241, Rn: 148). Über allgemeine Marktverhältnisse muss sich jede Partei hingegen selbst informieren (Roth/Bachmann, MüKo-BGB, 6.Auflage, § 241, Rn: 156 m.N.). Im Bereich der Preisgestaltung und -kalkulation ist eine Aufklärungspflicht in aller Regel abzulehnen.
Zudem ist die Situation unklar, in der eine Aufklärungspflicht bestehen soll. Bei nicht erkennbarer Überhöhung kommt es nicht zu Problemen bei der Abrechnung, da (unter Berücksichtigung der Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten) erforderliche Herstellungsaufwendungen vorliegen. In diesem Fall ist keine Aufklärungspflicht über Abrechnungsprobleme angezeigt; sie bestehen nicht.
Bei erkennbarer Überhöhung ist ebenfalls keine Aufklärungspflicht anzunehmen, da Aufklärungspflichten bestehen, wenn eine Partei überlegenes Wissen hat (s.o.). Dies hat der Gutachter bei erkennbarer Überhöhung nicht. Nach dem BGH (Urteil vom 22. Juli 2014, a.a.O.) soll bei erkennbarer Überhöhung ja auch im Außenverhältnis kein Erstattungsanspruch bestehen, mit der Begründung, dies sei dann auch für den Geschädigten erkennbar. Wenn es auch für den Geschädigten erkennbar ist, liegt kein überlegenes Wissen des Sachverständigen mehr vor.
Und bis zu dieser Grenze besteht eine Erstattungspflicht auch im Außenverhältnis.
Daher lässt sich auch dogmatisch der Weg über § 242 BGB und die Konstruktion einer Aufklärungspflichtverletzung über §§ 241 Abs. 2, 280 BGB nicht hinreichend begründen.
Der BGH hat bislang nicht festgestellt, dass es – wie vom BGH bei Mietwagenkosten angenommen – erkennbar überhöhte Sachverständigenhonorare der Kfz-Sachverständigen bei Verkehrsunfällen gebe.
Solange wird man im Außenverhältnis über § 249 Abs. 2 BGB grundsätzlich – und so auch hier – die Erstattungsfähigkeit annehmen müssen.
Die zugesprochenen Zinsen beruhen auf §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € netto folgt als Verzugsschadensersatzanspruch aus §§ 280, 286 BGB. Die Einschaltung der Rechtsanwälte vorgerichtlich wird auch als zweckentsprechend angesehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass gerichtliche Verfahren durch anwaltliche Aufforderungsschreiben vermieden werden können. Auch Rechtsanwälte sind Organe der Rechtspflege und mit entsprechenden Aufgaben versehen. Vor diesem Hintergrund wird im Verzugsfalle die Einschaltung regelmäßig nicht zu beanstanden sein. Entsprechendes gilt für den Ansatz der Regeigebühr von 1,3 als Geschäftsgebühr.
Der Zinsanspruch insoweit ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Hi Willi,
ein schönes Urteil, das auf ganzer Linie überzeugt.
Gerade bei den Ausführungen zum Honorartableau und zu OLG Dresden. Die Überlegungen, die das Gericht dazu anstellt, überzeugen.
Gruß
Werner
Hallo, Willi Wacker,
Amtsgerichte gehen schadenersatzrechtlich weiter auf die abenteuerliche Entdeckungsreise und entsorgen nicht nur den Inhalt des HUK-Kürzungsschreibens, sondern auch das HUK-Honorartableau 2012 als Müll hleich mit.
Damit sind auch die „Argumente“ der LVM-Vers. aus Münster und der VHV-Versicherung aus Hanonnover pulveririsiert, wenn sie es auch noch nicht wahrhaben wollen. Aber der homo sapiens lernt ja an den Dingen und wer solche Blödigkeiten mit schon krankhafter Dreistigkeit zu kultivieren versucht, der scheitert an den Eckpfeilern einer soliden Gesetzgebung, wie hier vertreten auch durch das AG Hamburg mit der Richterin F. am Amtsgericht. Das ist Dienst am Volk und ein Beitrag zur Verteidigung der Unabhängigkeit. Schon Napoleon musste schmerzhaft erfahren, wohin Überheblichkeit und Arroganz führt.
Alter Schwede