Mit Urteil vom 19.09.2008 (913 C 278/08) hat das AG Hamburg-St. Georg die Beklagte(n) zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 620,57 € zzgl. Zinsen sowie weiterer RA-Kosten verurteilt. Auch für die zuständige Hamburger Richterin gilt: Schwacke-Liste ja, Fraunhofer Tabelle nein.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten einschließlich der Kosten für den Vollkaskoschutz sowie für die Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeuges aus den § 823 BGB, §§ 7, 18 StVG, § 3PflVG i.V.m, § 398 BGB. Frau X hat ihre Ansprüche betreffend die Anmietung des Ersatzfahrzeuges ausweislich der Erklärung vom 24.02.2006 wirksam gemäß § 398 BGB an die Klägerin abgetreten, sodass diese nunmehr aktivlegitimiert ist. Die Klägerin besorgt keine Rechtsangelegenheit der Zedentln, sondern macht die ihr eingeräumte Sicherheit geltend, so dass auch unter Beachtung von § 1 RBerG keine Bedenken gegen die Zulässigkelt der Abtretung bestehen.
Unter Berücksichtigung der Teilzahlung der Beklagten in Höhe von EUR 700,00 steht der Klägerin gegen die Beklagte noch ein erstattungspflichtiger Schaden in Gesamthöhe von EUR 620,57 zu. Bei Außerachtlassung der vorbezeichneten Teilzahlung liegt bezüglich der Mietwagenkosten ein erstattungsfähiger Schaden in Höhe von EUR 1.029,31 vor. Mietet ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall ein Ersatzfahrzeug, kann er nach § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB die dafür erforderlichen Mietwagenkosten verlangen. Erforderlich sind dabei die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dies ist bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zum Normaltarif der Fall. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit ist zudem der auf § 242 BGB zurückgehende Rechtsgedanke des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB anzuwenden: Wenn der Geschädigte die Höhe der Kosten für die Schadensbeseitigung beeinflussen kann, ist er unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen.
Da die Klägerin nunmehr den marktüblichen „Normaltarif“ geltend macht, handelt es sich um Mietwagenkosten, die ein Geschädigter für zweckmäßig und erforderlich halten darf. Normaltarife sind unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten für Selbstzahler gebildete Tarife, die günstiger als sogenannte Unfallersatztarife sind. Ausweislich des Mietvertrages vom 24.02.2006 erfolgte die Anmietung des Ersatzfahrzeuges zu einem Unfallersatztarif. Dieser geht auch aus der Rechnung vom 08.03.2006 hervor. Mit Rechnung vom 13.09.2008, auf die sich der Klägervortrag nunmehr bezieht, berechnete die Klägerin jedoch lediglich den „Normaltarif“. Die von der Beklagten vorgelegte Rechnung vom 08.03.2006 ist vorliegend unerheblich, weil die Klägerin den Betrag nachträglich reduziert hat. Abgesehen davon beansprucht die Klägerin lediglich den aus Ihrer Sicht marktüblichen „Normaltarif“ in Höhe von EUR 1.029,31.
Zwischen den Parteien ist streitig, wie hoch der marktübliche „Normaltarif für eine achttägige Miete eines Fahrzeugs der »Gruppe 8″ (nach dem »Schwacke – Mietpreisspiegel 2006″) ist. Unter Berücksichtigung des § 287 ZPO bietet der „Schwacke -Mietpreisspiegel“, dessen Werte sich aus Erhebungen ergeben, die bei Mietwagenunternehmen im maßgeblichen Postleitzahlenbereich vorgenommen worden sind, eine geeignete Schätzungsgrundlage zur Ermittlung des „Normaltarifes“. Abzustellen ist auf den jeweils aufgeführten Modus-Wert, d.h. den Wert, der im maßgeblichen Bereich am häufigsten genannt wurde. Dieser liegt im Postleitzahlenbereich 221* (=> Anmietstation) bei einem Tagespreis von EUR 199,00 brutto und einem Wochenpreis von EUR 995,00 brutto. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Geschädigte Vorsteuerabzugsberechtigt ist, ergibt sich nach Abzug der Mehrwertsteuer ein Mietpreis von EUR 1.029,31 für acht Tage.
Die von der Beklagten vorgelegte Studie des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtscriaft und Organisation IAO ist demgegenüber als Schätzungsgrundlage weniger geeignet. Sie weist gegenüber des „Schwacke – Mietpreisspiegels 2006″ lediglich den Vorteil auf, dass die Mietwagenuntrnehmen unter Vorspiegelung eines realen Mietinteresses, d.h. anonym, um Mitteilung der jeweiligen Mietpreise gebeten wurden. Im Hinblick auf die Repräsentativität bestehen gleichwohl Bedenken. Insbesondere die ermittelten Internetprelse sind nicht geeignet, die marktübliche Miete wiederzugeben. Diesbezüglich wurden lediglich sechs Vermietungsunternehmen in die Untersuchung einbezogen. Nach Angaben des „Bundesverbandes der Autovermieter Deutschland e. V.“ gab es im Jahr 2007 etwa 570 Mietwagenunternehmen in Deutschland. Es verbleibt daher ein erheblicher Teil, der trotz Internetpräsenz unberücksichtigt blieb. Darüber hinaus ist die Studie des Fraunhofer Instituts nicht praxistauglich. Die gängige Rechtsprechung legt zur Ermittlung der Höhe eines Marktpreises das gewichtete Mittel (Modus) zugrunde. Aus den Tabellen der von Beklagtenseite vorgelegten Studie geht jedoch nur Mittelwert hervor. Dieser trifft keine Aussage über den am häufigsten genannten Wert. Ausweislich des auszugsweise vorgelegten „Schwacke – Mietpreisspiegels 2006″ liegt der Modus regelmäßig deutlich über dem arithmetischen Mittel, sodass die in der Studie des Fraunhofer Instituts aufgeführten Werte naturgemäß niedriger sind. Außerdem ist problematisch, dass im Rahmen der Erhebung eine Vorbuchungszeit von einer Woche angenommen wurde. Auf Seite 15 des „Marktpreisspiegels des Fraunhofer IAO“ wird zwar ausgeführt, eine Voruntersuchung habe nachgewiesen, dass der Anmietzeitpunkt nur in äußerst seltenen Fällen einen Einfluss auf den Preis hat. Ein solcher Einfluss Ist jedoch nicht generell auszuschließen. Aus den vorstehenden Gründen handelt es sich bei der Studie des Fraunhofer Instituts nicht um eine unerlässliche fachliche Erkenntnis, die im Rahmen des § 287 ZPO Berücksichtigung zu finden hat und dem „Schwacke – Mietpreisspiegel 2006″ vorzuziehen ist bzw. Zweifel an dessen Geeignetheit aufkommen lässt.
Ein Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen der Geschädigten konnte hier im Rahmen der Ermittlung der Schadenshöhe unterbleiben, weil die Geschädigte von vornherein ein klassentieferes Fahrzeug angemietet und damit den Schadensumfang bereits angemessen reduziert hat.
Darüber hinaus kann die Klägerin die Kosten für die Haftungsreduzierung In Höhe von EUR 240,32 ersetzt verlangen. Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs mit Vollkaskoschutz ist in der Regel eine adäquate Schadensfolge. Davon abgesehen ist ein Unfallgeschädigter während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt, so dass ihm ein geringerer Schutz grundsätzlich nicht zuzumuten ist. Dies gilt insbesondere, wenn das Unfallfahrzeug des Geschädigten, wie hier, vollkaskoversichert war. Die Klägerin kann zudem die Erstattung der unstreitig angefallenen Zustell- und Abholkosten in Gesamthöhe von EUR 42,94 verlangen. Sie hat schlüssig dargelegt dass das Ersatzfahrzeug ab der Reparaturwerkstatt „AB“ zur Verfügung gestellt und von dort wieder abgeholt wurde. Die Geschädigte war auf ein Fahrzeug angewiesen, nachdem sich ihr Unfallfahrzeug in Reparatur befunden hatte.
…… Ebenso hält sich die Abholung im Rahmen des Erforderlichen. Die angesetzten Beträge von jeweils EUR 21,47 sind angemessen.
Damit ergibt sich insgesamt ein erstattungsfähiger Betrag In Höhe von EUR 1.320,57. Abzüglich der vorgerichtlich gezahlten EUR 700,00 verbleibt ein erstattungspflichtiger Schaden von EUR 620,57.
Soweit das AG Hamburg-St. Georg.
Hallo Babelfisch,
wieder ein Urteil pro Schwacke-Liste. Ich glaube behaupten zu können, daß ohne Ihre hier eingestellten Urteile die Rechtsprechung nicht so konsequent die Fraunhofer-Tabelle verwerfen würde. Vielen Dank für Ihre unermüdliche Tätigkeit bei der Einstellung der Mietwagenurteile.
Ihr Werkstatt-Freund
Hi Babelfisch,
den Ausführungen von Werkstatt-Freund kann ich mich nur anschließen. Besser hätte ich es auch nicht sagen können.
Hervorragend Ihre unermüdliche Arbeit.
Ihr Willi Wacker
Vielen Dank für die Blumen, aber es gibt noch viel zu tun. Wir packen es an!!!
Das Lob gebe ich gerne an die Mitstreiter weiter!