Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
hier und heute stellen wir Euch eine interessante und wichtige Hinweisverfügung des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg zur fiktiven Abrechnung vom 18.1.2017 vor. Die HUK-COBURG und andere Kfz-Haftpflichtversicherer weisen im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung immer wieder auf Alternativwerkstätten hin, die angeblich günstiger reparieren könnten. Dabei geben sowohl HUK-COBURG als auch die anderen Kfz-Haftpflichtversicherer nicht bekannt, in welcher Beziehung diese angeblich freien Werkstätten zu der eintrittspflichten Kfz-Haftpflichtversicherung stehen, insbesondere ob Interessenkollisionen bestehen. Bekanntlich hatten die Kfz-Haftpflichtversicherer ein Netz an freien Werkstätten aufgebaut, deren Preise sie dann angeben konnten. Inwieweit diese Firmen mit der Versicherung verbandelt sind, wird bewusst nicht bekannt gegeben. In diese Kerbe hat nunmehr die Dezernentin der 914. Zivilabteilung des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg im Rechtsstreit gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG gehauen. Mit Recht, wie wir meinen. Dieser Beschluss sollte daher immer bei fiktiven Schadensabrechnungen und bei nicht ordnungsgemäß dargelegten und bewiesenen Verweisungen der Versicherer dem erkennenden Gericht zur Kenntnis gebracht werden. Bekanntlich trägt der Schädiger bei der Verweisung die Darlegungs- und Beweislast für die qualitativ gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit und für die Behauptung, dass diese Preise nicht auf besonderen vertraglichen Beziehungen zur Werkstatt bestehen. Bezeichnend ist für den konkreten Fall auch, dass die HUK-COBURG zu dem Vortrag des Klägers mit den Abhängigkeiten der konkreten Werkstatt zu der beklagten HUK-COBURG keinerlei Vortrag gebracht hatte. Letztlich hat sie mit ihrem prozessualen Verhalten den Vortrag des Klägers eingestanden. Zu der Hinweisverfügung geben wir Euch noch einige ergänzende Erläuterungen des Einsenders bekannt:
„Ein wunderbarer Hinweis des AG HH-St. Georg, welcher im Einklang mit der Rechtsauffassung des OLG Hamburg die Machenschaften der Versicherer endlich durchdrungen hat bzw. den klägerischen Vortrag zu den Verweisungswerkstätten (gelesen und) verstanden hat und zutreffend von einer Interessenkollision ausgeht.
Die Verweisung hat sich nach der BGH-Entscheidung eben gerade nicht zugunsten der Versicherer erledigt, sondern es ist vielmehr dem Tatrichter der Weg eröffnet worden, zu prüfen bzw. zu hinterfragen, ob die Werkstätten jedenfalls wirtschaftlich im Lager der Versicherer stehen und daher eine Interessenkollision vorliegt.
Unter Berücksichtigung der von den Versicherern zugesicherten Umsätze einer Verweisungswerkstatt verdeutlicht sich die Abhängigkeit sehr einfach, wenn man sich mal überlegt, was passiert, wenn die Versicherung von Heute auf Morgen entscheidet, die Vereinbarung aufzulösen. Fällt der garantierte Umsatz weg, bricht alles zusammen, insbesondere kann die Werkstatt bei den günstigen Preisen auch nicht mehr mit der wenigen Laufkundschaft überleben. Eine Anhängigkeit liegt auf der Hand.“
Lest selbst die Hinweisverfügung und gebt dann Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Hamburg-St. Georg Hamburg, 18.01.2017
914 C 345/16
Verfügung
In Sachen
… / HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG
Das Gericht weist bei vorläufiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage auf Folgendes hin:
Grundsätzlich dürfen auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung die Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt angesetzt werden. Es ist dann Sache des Schädigers, im Rahmen des § 254 BGB auf eine günstigere sowie mühelos und ohne weiteres zugängliche „freie“ Fachwerkstatt mit gleichem Reparaturstandard zu verweisen und diesen Vortrag ggfls. zu beweisen.
Fraglich ist, wie Fälle zu behandeln sind, in denen die Werkstatt mit dem Haftpflichtversicherer „eng verbunden“ ist. Dazu hat der BGH im Rahmen eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Landgericht Hamburg, Urteil v. 13.5.2014, 302 S 8/12) ausgeführt, dass Sonderkonditionen für derartige Versicherungsnehmer des Versicherers eine Verweisung nicht hinderten, solange die Preise im Übrigen für alle Kunden gleichermaßen zugänglich seien. Etwaigen Interessenkollisionen könne im Rahmen der Beweisaufnahme nachgegangen werden (BGH, Urteil v. 28.4.2015, VI ZR 267/14).
Damit hat der BGH dem Gesichtspunkt der Interessenkollision und damit der Unzumutbarkeit der Verweisung keine endgültige Absage erteilt. Allein der Umstand, dass eine Sonderbeziehung des Haftpflichtversicherers mit der Werkstatt im Rahmen der Regulierung von Kaskoschäden besteht, hat allerdings laut BGH keine Unzumutbarkeit zur Folge. Nach Auffassung der hiesigen Vorsitzenden kommt es entscheidend darauf an, ob die Werkstätten nahezu ausschließlich für Haftpflichtversicherer arbeiten. Eine Verweisung ist dann auch dann unzumutbar, wenn diese Werkstatt auch für Privatauftraggeber zu denselben Konditionen tätig würde. Denn dann besteht eine Abhängigkeit, die die Werkstatt als im Lager der Versicherung stehend erscheinen lasse. Auch liegt es nahe, dass es sich dann nicht mehr um marktübliche Preise handelt, sondern die Preise nur aufgrund der vertraglichen Vereinbarung mit den Versicherern angeboten werden können. So hat das nach hiesigem Kenntnisstand auch der 14. Zivilsenat des Hanseatischen OLG in einem Hinweis vom 28.4.2015 in der Sache 14 U 10/14 vertreten.
Die Beklagte bestreitet nicht substantiiert, dass der weit überwiegende Teil des Gesamtumsatzes der Verweisungswerkstatt durch die von den Versicherem gesteuerten Schäden generiert wird und die Beklagte der Werkstatt einen jährlichen Mindestumsatz von 150.000,- € garantiert. Daher dürfte die Verweisungswerkstatt nahezu ausschließlich für Versicherer arbeiten, so dass eine Verweisung hier bereits deshalb unzumutbar ist.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen. Ein Anerkenntnis möge erwogen werden.
L.
Richterin am Amtsgericht
Wer will schon sein Fahrzeug vom Schädiger oder dessen Anleitung reparieren lassen? Ich hoffe die Richter, die dieses markeingreifendes Treiben unterstützen. So wird es neue Konflikte geben, mal sehen ob diese dann, Ihren ebenfalls gekauften Kollegen folgend, das vorgeschriebene gebrauchte und geklebte Bauteil oder die immernoch vorhandene Delle mit Farbtonunterschied akzeptieren, oder doch auf Ihr Recht einer Reparatur vom Fachmann pochen.
Die Frage, die zu klären wäre ist doch ob die Stundensätze tatsächlich mit denen übereinstimmen die in den Schreiben genannt werden. Im allgmeinen kommt bei einem Telefonanaruf Gegenteiliges heraus und schon die Nennung von Netto-Stundensätzen für nicht vorsteuerabzugberechtigte Verbraucher möchte man als irreführend bezeichnen.