Mit Urteil vom 18.10.2007 (405 C 8846/07) hat das AG Hannover die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 428,10 € zzgl Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht bezieht sich zur Schätzung der Mietwagenkosten auf die Tabelle von Sanden/Danner und führt aus, dass das Angebot eines günstigeren Mietfahrzeuges durch die Versicherung vom Geschädigten nicht angenommen werden mußte.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist überwiegend begründet.
Der Klägerin stehen aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte im Wege des Schadensersatzes restliche Mietwagenkosten als Folge des Unfallgeschehens vom xx.xx.2006 in Höhe von 428,10 € zu.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen gegen die Aktivlegimitation der Klägerin keine Bedenken. Aufgrund der Sicherungsabtretung ist sie Inhaberin des dem Geschädigten Herrn XX gegen die Beklagte insoweit zustehenden Schadenersatzanspruches geworden. Die Abtretung verstößt nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz und ist mithin auch nicht nach § 134 BGB nichtig.
Im Streitfall geht es der Klägerin im Wesentlichen darum, die durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, sie besorgt mithin keine Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit.
Mit der Abtretungserklärung vom 18.04.2006 hat sich die Klägerin nur die Ersatzansprüche soweit diesen Mietwagenkosten zugrunde liegen abtreten lassen. Überdies beschränkt sich die Vorgehensweise der Klägerin darauf, die ihr durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, nachdem der Kunde, d. h. der Geschädigte trotz Mahnung nicht gezahlt hat.
Damit besorgt die Klägerin keine fremde Rechtsangelegenheit.
In der Sache selbst beläuft sich der Schadenersatzanspruch der Klägerin hinsichtlich der erstattungsfähigen Mietwagenkosten auf insgesamt 628,10 €, so dass unter Berücksichtigung der seitens der Beklagten vorprozessual vorgenommenen Zahlung in Höhe von 200,00 € die austenorierte Forderung verbleibt.
Dabei kann hier dahinstehen, ob die seitens der Klägerin in Rechnung gestellten Mietwagenkosten als Unfallersatztarif oder als Normaltarif zu qualifizieren sind. Denn ungeachtet dessen bewegt sich der seitens der Klägerin in Ansatz gebrachte Tagestarif im Rahmen des Angemessenen und ist deshalb nach § 249 BGB erstattungsfähig.
Auszugehen ist dabei von der allgemein anerkannten Tabelle von Sanden- Danner, der sich für ein Fahrzeug der Gruppe 5/Gruppe E eine Nutzungsausfallentschädigung von 43,00 € pro Tag entnimmt. Dieser Gruppe ist das seitens der Zedentin angemietete Fahrzeug zuzurechnen. Dies gilt im Übrigen gleichermaßen für das beschädigte Fahrzeug vom Typ VW Touran mit 115 kW.
Da die Nutzungsausfallentschädigung 35 bis 40 % der üblichen Miete ausmacht (vgl. BGH NJW 2005. Seite 277), errechnet sich ein üblicher Mietpreis für ein Fahrzeug der Gruppe 5/Gruppe E von 122,86 €.
Für 4 Tage ergeben sich daher zu ersetzende Mietwagenkosten in Höhe von 491,44 €, wobei es sich insoweit um einen Bruttobetrag handelt, da die angegebenen Beträge der Tabelle von Sanden- Danner Bruttopreise zum Gegenstand haben.
Als weitere Nebenkosten kommen Kosten für die Vollkaskoversicherung von 27,00 € pro Tag, Kosten für das Bringen und Abholen des Fahrzeugs innerhalb eines Radius von 6 km in Höhe von 2 x 24,90 €, Kosten für den zweiten zusätzlichen Fahrer in Höhe von 12,00 € und Kosten für das Navigationsgerät von 4,00 € pro Tag, mithin 185,80 € hinzu.
Das Bringen und Wiederabholen des Mietfahrzeugs kann ein Geschädigter verlangen. Die Beklagte hat deshalb diese Schadensposition auch zu ersetzen.
Dies gilt gleichermaßen bezüglich der Kosten für das Navigationsgerät, weil der Geschädigte bestätigt hat, dass das verunfallte Fahrzeug ebenfalls über ein Navigationsgerät verfügt hat.
Dass diese Bestätigung falsch ist, hat die Beklagte selbst expliziert nicht behauptet.
Im Übrigen kann hier dahinstehen, ob das Fahrzeug des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt vollkaskoversichert war. Es kann ebenso offen bleiben, ob der Geschädigte während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt war und er deshalb die Aufwendungen für eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung ersetzt verlangen kann.
Denn ungeachtet dessen stellt sich die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs mit Vollkaskoschutz in der Regel als eine adäquate Schadensfolge dar, weshalb auch die damit zusammenhängenden Kosten uneingeschränkt zu erstatten sind (vgl. BGH NJW 2005, 1041 f).
Soweit im Einzelfall gleichwohl Abzüge unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung im Betracht kommen und diese der tatrichterlichen Beurteilung gemäß § 287 ZPO unterliegen, ist im Streitfall nicht feststellbar, aufgrund welcher Umstände sich der Geschädigte angesichts der kurzen Mietdauer von 4 Tagen im Wege der Vorteilsausgleichung Abzüge entgegen halten lassen muss.
Allerdings muss sich die Klägerin die beim Geschädigten infolge der Nichtnutzung seines eigenen Fahrzeugs für den Zeitraum von 4 Tagen angefallenen ersparten Aufwendungen abziehen lassen. Die Ersparnis beträgt nach den jetzt maßgebenden technischen und wirtschaftlichen Verhältnissen lediglich noch 10 % der Mietwagenkosten, mithin 10 % von 491.44€, d.h. 49,14 €.
Weitere Abzüge kommen jedoch nicht Betracht.
Insbesondere hat der Geschädigte nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, indem er das hier in Rede stehende Fahrzeug bei der Klägerin angemietet hat, obwohl ihm am 18.06.2006 durch die Beklagte unstreitig das Angebot unterbreitet worden ist, ein gleichwertiges Fahrzeug zu einem Tagespreis von 50,00 € brutto inklusive aller Kilometer und Haftungsbefreiung bei der Firma XX anzumieten. Das Angebot der Beklagten war nämlich nicht annahmefähig, weil es wegen Verstoßes gegen § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Rechtsberatungsgesetz nichtig war.
Da die Anmietung eines solchen Fahrzeugs nur durch Vermittlung und vorherige Reservierung seitens der Beklagten bei der Firma XX genannten Konditionen möglich war – entsprechendes ergibt sich aus der Bestätigung der Firma XX vom 10. Mai 2007 zur Anlage K 16 – handelt es sich bei der entfalteten Tätigkeit der Beklagten um eine fremde Rechtsangelegenheit, die die Beklagte offensichtlich geschäftsmäßig besorgt und die auch nicht unter die Ausnahmeregelung gemäß § 6 Rechtsberatungsgesetz fällt. Dass die Beklagte derartige fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig besorgt, ergibt sich daraus, dass die in Bezug genommene Bestätigung Anlage K 16 gerade in einem Parallelverfahren vorgelegt worden ist.
Soweit die Beklagte andererseits als Haftpflichtversicherer gemäß § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz direkt in Anspruch genommen wird, entsteht hierdurch noch kein Schuldverhältnis zum Geschädigten, welches die Rechtsbesorgung zu einer eigenen Angelegenheit der Beklagten machen würde. Gegen ein solche Berechtigung des Haftpflichtversicherers dem Geschädigten Mietwagen ect. zu vermitteln spricht auch § 3 Nr. 1 Satz 2 Pflichtversicherungsgesetz, wonach der Versicherer den Schadensersatz in Geld zu leisten hat.
Nach alledem gebührt der Klägerin ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von 428,10€.
Soweit das AG Hannover.
Hi Babelfisch,
wieder ein schönes Mietwagen-Urteil. Die Ausführungen des Gerichtes zur Mietwagenvermittlungstätigkeit des Versicherers sind eine glatte Ohrfeige gegen die Versicherung. Prima.
MfG
Willi Wacker
Hallo Babelfisch,
bei den Ausführungen des Gerichtes zur Vermittlungstätigkeit der Versicherung fällt mir der Aufsatz von Boris Schlüszler (ZfS 2006, Heft 1) sowie der Bericht von Peter Pan vom 30.03. 2006 ein. Beides sehr lesenswert.
RA. Wortmann
Hallo Herr Wortmann,
so schön das Urteil aus Herbst 2007 im Ergebnis auch sein mag, tragfähig sind die Argumente für die Gegenwart nicht.
Die Formel „3 x Nutzungsausfall = Mietwagen“ hat der BGH schon als untauglich verworfen, VI ZR 163/06.
Und inzwischen gilt das RDG. Dass die Vermittlung eines Mietwagens eine „rechtliche Prüfung“ voraussetzt, wird man am weiter geltenden Maßstab der Masterpat-Entscheidung des BVerfG nicht ernsthaft behaupten können.
Gefährlich ist also, wenn ein Leser nicht sofort erkennt, dass das Urteil Rechtsgeschichte ist.
Hallo Herr Otting,
da das AG Hannover im Herbst 2007 diesen Rechtsstreit zu entscheiden hatte, hat das Urteil natürlich auch nur inter partes Bedeutung. Gleichwohl sind die Ausführungen des Richters zur Urteilsbegründung beachtlich.
MfG
RA. Wortmann
„Insbesondere hat der Geschädigte nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, indem er das hier in Rede stehende Fahrzeug bei der Klägerin angemietet hat, obwohl ihm am 18.06.2006 durch die Beklagte unstreitig das Angebot unterbreitet worden ist, ein gleichwertiges Fahrzeug zu einem Tagespreis von 50,00 € brutto inklusive aller Kilometer und Haftungsbefreiung bei der Firma XX anzumieten. Das Angebot der Beklagten war nämlich nicht annahmefähig, weil es wegen Verstoßes gegen § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Rechtsberatungsgesetz nichtig war.“
Auch wenn das Rechtsberatungsgesetz durch das Neue Dienstleistungsgesetz ersetzt wurde. Unter welchem Paragraphen ist nachzulesen, dass Mietwagenfirmen und auch Sachverständige, die von ihrem Recht Gebrauch machen gewinnbringend zu kalkulieren, Nachlässe zu Gunsten eines Haftpflichtversicherers auf ihre Rechnungen einräumen müssen. Oder anders herum gefragt, unter welchem Paragraph ist ausgeführt, dass nur Banken und Versicherungen Gewinne realisieren dürfen.
Wenn wir alle immer nur das billigste Produkt kaufen oder den billigsten Anbieter wählen würden, dann dürfte doch wohl schon lange nichts mehr etwas kosten, denn es geht bekanntlich immer noch ein wenig preiswerter.
Darüber nachzudenken, würde sich seitens der Richterschaft empfehlen. Das Ergebnis wäre, solange sich nicht eindeutig Wucher nachweisen läßt, sind die Rechnungen freier Unternehmer in einem demokratischen Staat auch von Versicherern – ohne Abzug und damit in Zukunft ohne langwierige und kostenintensive Prozesse – zu erstatten.
Versicherungen sind dafür da, das Risiko des Einzelnen auf die Masse zu verteilen. Versicherungen sind gerade nicht dafür da, das Risiko der Masse dem einzelnen Unternehmer aufzubürden.
…nirgendwo steht das. Und da hat das LG Weiden deutliche und rechtskräftige Worte zu gesagt, aber eben mit richtigen und aktuellen und nicht mit falschen (3 x NA) und veralteten (RBerG) Argumenten. Es hat doch wenig Sinn, die Leser mit Rechtsgeschichte auf die falsche Fährte zu locken.
Auch das LG Weiden hinkt in seiner Begründung: „Sie ist weiterhin der Auffassung, dass keine Verletzung der Schadensminderungspflicht seitens der Geschädigten vorliegt, da diese nicht verpflichtet war dem Angebot der Beklagten nachzukommen, da unstreitig die offerierten Preise für die Geschädigte ohne Vermittlung der Beklagten nicht erreichbar waren.“
Aus Sicht der Mietwagenfirmen, ohne fragwürdigen Vertrag mit einem Versicherer, warum soll diese in der Regel zum Gericht laufen müssen? Ganz zu schweigen vom Geschädigten, wenn er mit der versicherungsabhängigen Firma nichts am Hut haben will?
Machen wir doch jede Klagebegründung zuallererst an der Dispositionsfreiheit des Geschädigten fest, unter Hinweis der oben von mir ausgeführten Fragestellungen. Wie lautet der Paragraph unter dem steht – der Geschädigte muss sich auf der Suche nach dem billigsten Anbieter begeben?
@ Joachim Otting
Sie haben natürlich recht, es hätte ein Hinweis erfolgen müssen, dass das RBerG vom RDL abgelöst wurde und insoweit eine wesentliche Änderung der Rechtslage erfolgt ist (-> im übrigen: auf wessen Initiative wohl???).
Dennoch versteckt sich ganz am Ende des Urteils ein aus meiner Sicht wichtiger Satz, dessen Kerngehalt auch in diesem Forum bereits häufiger angesprochen wurde und deshalb erwähnenswert ist:
„Gegen ein solche Berechtigung des Haftpflichtversicherers dem Geschädigten Mietwagen ect. zu vermitteln spricht auch § 3 Nr. 1 Satz 2 Pflichtversicherungsgesetz, wonach der Versicherer den Schadensersatz in Geld zu leisten hat.“
Mit frischen Grüßen aus dem Norden
Babelfisch
Hallo Babelfisch,
sehr richtig. Wichtiger als die Änderung des RBerG in das RDG ist an diesem Urteil der von Ihnen erwähnte Satz. Es ist nicht Aufgabe des eintrittspflichtigen Versicherers irgendwelche Dienstleistungen zu vermitteln, die ohnehin der normal Geschädigte ( CH hat bereits darüber ausführlich berichtet ) gar nicht annehmen kann ( Mietwagenpreise, die er selbst gar nicht aushandeln kann ). Der Versicherer soll Schadensersatz in Geld leisten, das ist seine wesentliche Aufgabe und nichts anderes.
Frische Grüße in den Norden