AG Hattingen mit Beschluss vom 6.10.2015 – 6 C 67/15 -: Geschädigter genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe durch Vorlage der Sachverständigenrechnung als Indiz für den erforderlichen Betrag i.S. d. § 249 II 1 BGB.

Sehr geehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nachdem nach dem Urteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – der Begriff der Inditwirkung der Rechnung des Sachversständigen durch die Argumente der Versicherungen immer mehr aufgeweicht wurde, hat nunmehr ein kleines aber feines Amtsgericht im südlichen Ruhrgebiet in einem Rechtsstreit um die erforderlichen Sachverständigenkosten als notwendiger Herstellungsaufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen, vor dem Unfall bestehenden Zustandes klare Worte in seinem Hinweisbeschluss vom 6.10.2015 gesprochen. Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 30.5.2015 verursachte der Versicherungsnehmer der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung einen Verkehrsunfall, bei dem der Pkw des Geschädigten beschädigt wurde. Die Haftung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung ist unstreitig. Gleichwohl zahlte sie nur einen Teil auf die berechneten Sachverständigenkosten. Der Geschädigte hatte seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe von 1.102,57 € an den von ihm eingeschalteten Kfz-Sachverständigen abgetreten. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte die berechneten Sachverständigenkosten immerhin um 237,44 €. Dieser Betrag war nun Gegenstand der Klage des Sachverständigen aus abgetretenem Recht gemäß § 398 BGB. Das Gericht wies auf Folgendes hin:

6 C 67/15

Amtsgericht Hattingen

Beschluss

In dem Rechtsstreit

…  ./.   …

werden die Parteien auf folgendes hingewiesen:

Ausgehend von der Rechtsprechung des BGH gehören die Sachverständigenkosten für die Einschaltung eines Sachverständigen zur Ermittlung des Fahrzeugschadens nach einem Verkehrsunfall zu den ersatzfähigen Kosten, und zwar der Höhe nach soweit sie als erforderlich und zweckmäßig anzusehen sind.  Der Geschädigte ist dabei im Regelfall berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl zu beauftragen. Dabei muss der Geschädigte bei der Auswahl nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Der Geschädigte genügt dabei insoweit seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage der Rechnung als Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 II 1 BGB (so z.B: AG Dortmund BeckRS 2015, 02536 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH; Vgl. auch AG Hattingen Urt. v. 10.1.2014 – 6 C 116/13 -). Das Amtsgericht Dortmund hat daher in der zitierten Entscheidung ebenfalls die Auffassung vertreten, es sei als angemessen anzusehen, wenn der von dem Geschädigten beauftragte Sachverständige ein Honorar berechne, das lediglich 10 Prozent über Demjenigen liege, das die Versicherung des Beklagten als angemessen ansieht.

Es ist nicht erkennbar, dass die Kosten des Sachverständigengutachtens in Höhe von 1.102,57 € diesen Anforderungen hier nicht genügt. Die durch den Sachverständigen erfolgte Einordnung der Schadensstufe sowie die abgerechneten Nebenkosten halten sich im Rahmen des Üblichen.

Da es sich hier um eine ausgeschriebene gängige Frage handelt, die von den Gerichten inzwischen überwiegend jedenfalls bei nicht unüblich hohen Abrechnungen in dieser Weise entschieden hat, sieht das Gericht keinen Anlass, die Berufung zuzulassen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme.

Nun bitte Eure Kommentare. Ich selbst halte den Verweis auf die zehnprozentige Erhöhung über dem Betrag, den die eintrittspdlichtige Versicherung als üblich und angemessen erachtet, für fragwürdig. Die – völlig irrelevante – Schadensbemessung durch den Schädiger kann niemals Maßstab für eine vom Gericht gemäß § 287 ZPO vorzunehmende Schadenshöhenschätzung sein, da die in dem Honorartableau der HUK-COBURG aufgeführten Werte keine erforderlichen Schadensbeträge darstellen.  Was denkt Ihr? 

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8 Antworten zu AG Hattingen mit Beschluss vom 6.10.2015 – 6 C 67/15 -: Geschädigter genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe durch Vorlage der Sachverständigenrechnung als Indiz für den erforderlichen Betrag i.S. d. § 249 II 1 BGB.

  1. virus sagt:

    Wie schnell man sich kreative Sprache bzw. Ausdrucksweise zu Eigen machen kann.

    Eine/die vorgelegte Rechnung ist kein Indiz sondern ein Fakt (unter dem Vorbehalt inhaltlicher Fehler – z. B. zu viel berechneter Lichtbilder – was leicht zu überprüfen und korrigierbar ist). § 287 ZPO kann nur bei nachgewiesenem Wucher zum Tragen kommen. Dann und nur dann, wäre der Schadensersatzanspruch auf die SV-Honorar-Rechnung durch den Richter auf den erforderlichen Betrag zu schätzen.

  2. Willi Wacker sagt:

    @ virus 13.1.2016 13:56 h.

    Der BGH hat in seinem Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – Rn. 8 ausgeführt, dass „ein Indiz für die Erforderlichkeit die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwandes mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden Preisverinbarung bildet, sofern die Preise nicht auch fürr den (laienhaften) Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt“. Wenn also Preisvereinbarung und spätere konkrete Rechnung im Wesentlichen übereinstimmen, bildet die vorgelegte Rechnung nicht nur ein Faktum, sondern auch das Indiz für die Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages als für die Wiederherstellung des vormaligen Zustades im Sinne des § 249 II 1 BGB. Damit hat die Rechnung auch eine Bedeutung im Sinne des erforderlichen Wiederherstellungsaufwandes. Diese Überlegungen sind nach dem BGH-Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – auch zu berücksichtigen, indem der tatsächliche Aufwand – ex post betrachtet – bei der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO einen Anhaltspunkt – Indiz – für die Bestimmung des ex-ante zu bemessenden Betrages im Sinne des § 249 II 1 BGB bildet.

    Eine vorgelegte Rechnung kann auch ein inhallich falsches Faktum sein. Was darunter zu verstehen ist, hat der kürzlich hier im Blog veröffentliche Beschluss des LG Koblenz vom 2.12.2015 – 12 S 59/15 – gezeigt. Deutlich erkennbar erheblich überhöhte Rechnungen können keine Indizwirkung zeigen. Diese inhaltlichen bzw. rechnerischen Fehler müssen auch für einen Laien, der der Geschädigte regelmäßig ist, leicht und unproblematisch erkennbar sein.

    Wann jedoch eine deutlich erkennbare erhebliche Überhöhung vorliegt, ist meines Wissens bisher von der Rechtsprechung noch nicht explizit erklärt worden. Mann kann allerdinds die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg hinzuziehen, die ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung angenommen hat.

  3. Kai sagt:

    Eigentlich ist das Urteil erfreulich kurz, aber die Begründung hakt gewaltig wie Willi Wacker bereits ausgeführt hat. Ich möchte mal eine Versicherung erleben, wenn ich meinen Beitrag kürze und zwar auf einen Betrag, der 10% über meiner eigens erstellten Beitragsliste liegt.

    Letztlich ist zwar zu vermuten, dass der Richter beim zitierten Urteil sagen wollte, dass ein Honorar, das nur 10% über der versicherungseigenen Liste liegt, gar nicht überhöht sein kann und für den Geschädigten schon gar nicht als überhöht zu erkennen ist, aber es fehlt im vorliegenden Urteilstext das kleine Wort „nur“.

    Unabhängig davon, dass auch dies schon wieder eine Preiskontrolle darstellt…

    Grüße

    Kai

  4. Willi Wacker sagt:

    Hallo Kai,
    bei der oben dargestellten Entscheidung handelt es sich nicht um ein Urteil, sondern einen Hinweisbeschluss. Das Urteil des AG Hattingen in diesem Fall erging am 9.12.2015 und wird wie üblich auch hier veröffentlicht.

  5. Kai sagt:

    Hallo Willi Wacker,

    ich bitte das Versehen zu entschuldigen. Kann schon verraten werden, ob diese Begründung auch Eingang in das Urteil erhalten hat?

    Grüße

    Kai

  6. Willi Wacker sagt:

    Hallo Kai,
    mir liegt zwar das Urteil vom 9.12.2015 vor, ich muss aber gestehen, dass ich wegen der Flut der eingehenden Urteile dieses noch nicht durchgearbeitet habe. Ein Anwalt hat mir gestern alleine mehr als 10 Urteile zur Veröffentlichung übersandt.

    Nach dem ersten Überblick hat das Gericht nicht mehr von der 10-prozentigen Grenze gesprochen. Warte noch ein Weilchen, dann wird das Urteil auch hier veröffentlicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  7. Iven Hanske sagt:

    Von mir fehlen hier auch noch viele Urteile, leider funktioniert mein Zugang hier nicht, warum?

  8. Willi Wacker sagt:

    @ I. Hanske

    Wir haben alle nur zwei Hände und nur 24 Stunden am Tag, die wir für Captain-Huk einsetzen können.

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