Sehr geehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
vor einigen Tagen hatten wir Euch hier den Hinweisbeschluss des AG Hattingen vom 6.10.2015 bekannt gegeben. Da aus der Leserschaft bereits nach dem Urteil nachgefragt wurde, haben wir wieder keine Mühen gescheut und das Urteil kurzfristig abgetippt, damit es alsbaldigst, möglichst sogar noch am Wochenende, veröffentlicht werden kann. Der Hinweis auf die Erkennbarkeit innerhalb der 10-prozentigen Überschreitung der Preise, die die Versicherung für angemessen erachtet, fehlt zu Recht in den Urteilsgründen. Dafür hat das erkennende Amtsgericht Hattingen mit Recht Bezug genommen auf die beiden Grundsatzurteile des BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – und vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – . Leider hat das Gericht eine Schadensschätzung an Hand der BVSK-Honorarbefragung vorgenommen, obwohl der BGH in seinem Grundsatzurteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 unter Rn. 10 – ausgeführt hat, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalles das Ergebnis der BVSK-Honorarumfrage nicht kennen musste. Bemerkenswert ist aber, dass das Gericht den Urteilsbetrag, also den Betrag, um den die Beklagte gekürzt hatte, sogar in Worten im Tenor angab. Es waren immerhin 237,44 €! Bei dem klagenden Sachverständigen hatte die Haftpflichtversicherung besonders kräftig gekürzt. Ein derart hoher Kürzungsbetrag war daher auch dem Gericht wert, noch einmal in Zahlen angegeben zu werden. Lest selbst das Urteil des AG Hattingen und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Mit freundlichen Grüße
Willi Wacker
6 C 67/15
Amtsgericht Hattingen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des … – Klägers –
g e g e n
die … – Beklagte –
hat das Amtsgericht Hattingen im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 9.12.2015 durch die Richterin am Amtsgericht M. für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 237,44 € (in Worten: Zweihundertsiebenunddreißig Euro und vierundvierzig Cent) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.7.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jewiligen Basiszinssatz seit dem 25.7.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a I ZPO)
Entscheidungsgründe:
Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von weiteren 237,44 € gemäß §§ 7 StVG, 823, 249, 398 BGB zu.
Die Haftung der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 30.5.2015 ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig. Auch der Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten ist zugusten des Klägers dem Grunde nach gegeben. Der Unfallgesch.ädigte … hat seine Ansprüche an den Kläger abgetreten. Die Beklagte hat auf die streitgegenständliche Rechnung des Klägers bereits den ganz überwiegenden Teil gezahlt. Dadurch hat die sie die Gläubigerstellung grundsätzlich anerkannt. Warum diesbezüglich nun Zweifel bestehen, ist nicht ersichtlich.
Gemäß § 398 Satz 2 BGB tritt mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers, so dass im Hinblick auf die Höhe der Abrechnung keine anderen Maßstäbe anzulegen sind, als wenn der Geschädigte als ursprünglicher Gläubiger die Forrderung selbst klagewweise geltend machen würde.
An der Berechnung des Sachverständigenhonorars nach der Schadenshöhe ist nichts auszusetzen. Der BGH führt in seinen Urteilen vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – und vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 – aus, dass ein Kfz-Sachverständiger allein dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornehme, die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung grundsätzlich nicht überschreitet. Schadensgitachten dienen i.d.R. dazu, die Realisierung von Schadensersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrages wird als Erfolg geschuldet, hierfür haftet der Sachverständige. Deshalb trägt eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechttsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist.
Dabei kann jedoch der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 II BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpukt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen sind. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schaddensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist aber bei der Beurteilung , welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglicht preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist.
Die Frage, ob das vom Kläger berechnete Honorar zu teuer ist, muss entweder durch Durchführung einer Beweisaufnahme mit Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens ermittelt oder vom Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Vorliegend hält das Gericht eine Schätzung anhand der sog. BVSK-Honorarumfrage des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sacverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. für angemessen. Die vom Kläger abgerechneten Kosten liegen innerhalb des HB-Korridors. Auszugehen ist insoweit von der Brutto-Schadenshöhe i.H.v. insgesamt 5.399,59 €. Die Abrechnung des Klägers ist danach nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte Bedenken gegen die durch den Kläger abgerechneten Nebenkosten erhoben hat, überzeigen diese Einwände nicht. Die abgerechneten Nebenkosten sind nicht derart hoch, dass für den Geschädigten als Laien im Maßstab eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen erkennbar war, dass die Rechnung des Sachverständigen überhöht sein könnte. Denn anders als etwa Mietwagenkosten, bei denen der Geschädigte die Angebote anderer Anbieter unschwer telefonisch oder im Internet überprüfen kann, sind dem Durchschnittsgeschädigten bei Sachvrständigen weder die Tarife noch deren Berechnungsmethoden auch nur in Ansätzen bekannt.
Die ausgeurteilten Zinsen und Rechtsanwaltsgebühren rechtfertigen sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB.
Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf bis 500,– € festgesetzt.
Rechtsbehelfsbelehrung:
… (Es folgt die übliche Rechtsbehelfsbelehrung, von deren Veröffentlichung wirr absehen!).