AG Hattingen weist in einem in SP 2015, 165 veröffentlichten Beschluss, der allerdings kritisch zu betrachten ist, auf die seiner Meinung nach erforderlichen Sachverständigenkosten hin (AG Hattingen Beschl. v. 24.2.2015 – 16 C 99/14 -).

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nachfolgend geben wir Euch hier einen kritisch zu betrachtenden Beschluss des AG Hattingen zu den Sachverständigenkosten bekannt. Die zahlungsunwillige Versicherung ist leider nicht bekannt. Die Redaktion dieses Blogs hat da so ihren Verdacht, diesen äußern will sie aber nicht. Eigentlich kennt man ja die üblichen Verdächtigen. Inhaltlich ist der Beschluss mehr als kritisch zu betrachten, denn er bezieht sich wieder auf die 100 Euro Nebenkostenbeschränkung,  obwohl diese mit dem BGH-Urteil vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 – bereits aufgehoben wurde. Da hatte der Geschädigte aber mächtig Glück, dass der Sachverständige nur 84,–  € Nebenkosten berechnet hatte? Ebenso ist der Bezug auf das BGH-Urteil VI ZR 357/13 verfehlt, denn im vorliegenden Fall klagt der Geschädigte selbst, so dass das BGH-Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – hätte angewendet werden müssen. Der Beschluss ist daher als absolut unfähige Leistung eines Richters zu bewerten. Verwunderlich ist, dass so ein Mist eines Amtsgerichtes dann auch noch in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wird. Wer hatte daran wohl ein Interesse? Insoweit ist es vielleicht doch nicht verwunderlich? Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

16 C 99/14

Amtsgericht Hattingen

Beschluss

In dem Rechtsstreit…

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Gerichts die Klage begründet ist.

Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von weiteren 57,58 Euro gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB zu.

Die Haftung der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 25.09.2014 ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.

Der Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten ist zugunsten der Klägerin ebenfalls dem Grunde nach gegeben und unstreitig.

Der Höhe nach hat die Klägerin aber noch einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 57,58 Euro gegen die Beklagte.

Zunächst einmal ist an der Berechnung des Sachverständigenhonorars nach der Schadenshöhe nichts auszusetzen. Der BGH führt hierzu in seinem Urteil vom 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/07, aus, ein Kfz-Sachverständiger überschreite allein dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornehme, die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung grundsätzlich nicht. Schadensgutachten dienten i.d.R. dazu, die Realisierung von Schadenersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrages werde als Erfolg geschuldet; hierfür hafte der Sachverständige. Deshalb trage eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten sei.

Dabei könne jedoch der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen seien. Er sei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen könne. Dabei sei bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich sei, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch sei der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibe, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftrage, der sich später im Prozess als zu teuer erweise.

Die Frage, ob das von der Klägerin berechnete Honorar zu teuer ist, muss entweder durch Durchführung einer Beweisaufnahme mit Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens ermittelt oder von dem Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.

Vorliegend hält das Gericht eine Schätzung anhand der sogenannten BVSK-Honorarumfrage 2013 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e. V. und der VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013 der Verbände der unabhängigen Kraftfahrzeug-Sachverständigen e.V. und des Bundesverbandes öffentlich bestellter, vereidigter oder anerkannter qualifizierter Kfz-Sachverständiger e.V. für angemessen. Das Gericht kommt unter Berücksichtigung der genannten Honorarumfragen zu folgendem Ergebnis:

Nach der aktuellen Honorarbefragung 2013 des BVSK berechnen 90% der BVSK-Mitglieder oberhalb des Wertes HB II und 95% unterhalb des Wertes HB III. Innerhalb dieses Bereiches wird also ganz überwiegend abgerechnet. Außerdem wird der sog. HB V Korridor angegeben, in dem immerhin 50 % bis 60 % der Mitglieder ihr Honorar berechnen, also ebenfalls die Mehrheit.

Die von dem Kläger abgerechneten Kosten liegen aber innerhalb dieser Werte, also unterhalb HB III bzw. innerhalb des HB V Korridors. Auszugehen ist insoweit von der Brutto-Schadenhöhe i. H. v. insgesamt 2.591,61 €. Danach beträgt das Grundhonorar nach HB III bei 391,00 € und nach dem HB V Korridor 358-391 €. Das Grundhonorar der Klägerin liegt bei 390,00 € und damit innerhalb dieses Korridors bzw. unterhalb von HB III.

Die Fahrtkosten pauschal liegen bei bis 21,34 €, die Klägerin hat vorliegend 14,00 € geltend gemacht, so dass sie auch innerhalb dieses Rahmens liegt. Die Post- und Telekommunikationspauschale zuzüglich Schreibkosten liegt bei einem Betrag bis 29,87 € und die Klägerin hat vorliegend für diese Posten insgesamt 30,00 € geltend gemacht, so dass sie lediglich drei Cent über diesen Rahmen liegt.

Lediglich die Kosten i.H.v. 40,00 € für „Fotoanlage“ lassen sich nicht zuordnen.

Wenn die VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013 zugrundegelegt wird, ergibt sich bei einem Gegenstandswert bis 2.750,00 € brutto ein Grundhonorar-Korridor von 330,00 bis 454,00 €. Mit einem Grundhonorar i.H.v. 390,00 € liegt die Klägerin dabei ziemlich genau in der Mitte.

An diesem Ergebnis ändert auch die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in dem Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13, nichts. Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht Saarbrücken die BVSK-Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten hat, die zu erwartenden Ansätze bei anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden. Das Landgericht Saarbrücken, so der Bundesgerichtshof, hat das Ergebnis dieser Befragung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bereits deshalb nicht als geeignete Schätzgrundlage für die Nebenkosten angesehen, da sie nicht hinreichend aussagekräftig sei und relevante Fragen offen lasse. Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch ausgeführt, dass das Landgericht Saarbrücken unter Hinweis auf die von ihm geführten zahlreichen Parallelverfahren ergänzend ausgeführt habe, die Sachverständigen würden auf dem regionalen Markt mit sehr uneinheitlichen Preisansätzen abrechnen. Das Landgericht Saarbrücken hat also die BVSK-Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten, die zu erwartenden Ansätze bei anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden, da das Landgericht Saarbrücken aufgrund vor ihm geführter zahlreicher Parallelverfahren festgestellt hatte, dass die Sachverständigen auf dem regionalen Markt im Bereich Saarbrücken mit sehr uneinheitlichen Preisansätzen abrechnen. Dieses hat das Amtsgericht Hattingen für den hiesigen regionalen Markt bislang nicht feststellen können. Insofern betrifft die Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken und des Bundesgerichtshofes in dem mit dem Urteil vom 22.07.2014 entschiedenen Fall eine Entscheidung, die die spezifischen Besonderheiten des regionalen Marktes in Saarbrücken berücksichtigt, auf den vorliegenden Fall aber nicht zwingend anzuwenden ist. Außerdem hat der Bundesgerichtshof auch in seinem Urteil vom 22.07.2014 eindeutig festgestellt, dass das Gericht die Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen kann, wenn der Schätzung tragfähige Anknüpfungspunkte zugrundeliegen. Vorliegend hat das Gericht sowohl die BVSK-Honorarbefragung 2013 berücksichtigt als auch die VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013. Damit hat das Gericht tragfähige Anknüpfungspunkte für seine Schätzung zur Verfügung gehabt.

Im Ergebnis sind auch die geltend gemachten Nebenkosten nicht zu beanstanden. Insofern stützt sogar die von der Beklagten vorgelegte Entscheidung des Amtsgerichts Hagen in dem Verfahren mit dem Az. 14 C 29/14 die hiesige Rechtsauffassung. Dort wurden nämlich Nebenkosten i.H.v. 218,88 € als überhöht angesehen, dagegen wurden entsprechend der Auffassung des Landgerichts Saarbrücken Nebenkosten in Höhe von lediglich 100,00 € als erstattungsfähig anerkannt. Nach der Entscheidung des Amtsgerichts Hagen sind Nebenkosten, soweit sie diesen Betrag von 100,00 € übersteigen, quasi willkürlich überhöht und „Preis und Leistung stehen erkennbar in einem auffälligen Missverhältnis zueinander“ (vergleiche Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2012, Az. 13 S 109/10). Die Klägerin hat vorliegend jedoch lediglich Nebenkosten i.H.v. 84,00 € netto geltend gemacht, die auch brutto noch unter 100,00 € liegen.

Also auch die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung kommt daher nicht zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin geltend gemachten Nebenkosten überhöht sind. Auch die anderen zitierten Entscheidungen der Amtsgerichte Dortmund und Hagen haben lediglich berechnete Nebenkosten i.H.v. 180,00 € oder 171,36 € in Abzug gebracht, nicht aber Nebenkosten die bis 100,00 € betragen.

Nach alledem ist die Klage hinsichtlich der Hauptforderung begründet.

Der Zinsanspruch ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB begründet.

Das Gericht weist darauf hin, dass es die Berufung nicht zulassen wird, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache kann genauso wenig festgestellt werden, wie die Notwendigkeit einer Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Das Gericht beabsichtigt, ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Die Parteien erhalten Gelegenheit, binnen 2 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses ergänzend und abschließend vorzutragen sowie ggf. Beweise anzubieten oder vorzulegen.

Den Parteien wird aufgegeben, binnen 2 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses mitzuteilen, ob sie auf ein Absetzen der Entscheidungsgründe des Urteils gemäß § 313a Abs. 1, S. 2 ZPO verzichten.

Hattingen, 24.02.2015

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. Babelfisch sagt:

    An Veröffentlichungen solcher Entscheidungen erkennt man, wie wichtig es ist, mit einem Blog wie CH einen entscheidenden Gegenpol zu setzen, um der Phalanx der interessegetriebenen Fachzeitschriften das Feld der Informationen nicht allein zu überlassen.

  2. Glöckchen sagt:

    „Versicherungsrecht“ lese ich um mich an der ständigen versicherungsgeneigten Strampelarbeit dieser Redaktion zu erheitern.
    Die bringen sogar „königlich bayerisches Amtsgericht“ wenn es einmal versicherungsfreundlich entschieden haben sollte.
    Stattdessen wurde BGH VI ZR 225/13 bislang dort nicht veröffentlicht.
    Redaktionelle Gehirnwäsche für Juristen?
    Klingelingelingelts?

  3. Wener H. sagt:

    @ Glöckchen

    Da liegst du allerdings falsch. Das BGH-Urteil VI ZR 225/13 ist in der Versicherungsrecht veröffentlicht im Jahrgang 2014 unter Seite 474 ff.

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