Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Thema der fiktiven Abrechnung gebe ich Euch heute noch ein Urteil aus Hechingen bekannt. Auch nach Ansicht des Richters des AG Hechingen kann der Geschädigte entsprechend der BGH-Rechtsprechung zum Porsche-Urteil von den Markenfachwerkstattpreisen ausgehen, auch wenn er fiktiv abrechnet. Das Gericht setzt sich dabei auch überzeugend mit dem Zeitraum der Dispositionsfreiheit auseinander. Bei der konkreten Abrechnung endet diese mit dem Reparaturauftrag und bei der fiktiven mit der Klageeinreichung. Nämlich dann hat der Geschädigte verbindlich entschieden, nicht reparieren zu wollen. Nach diesem Zeitpunkt kann daher auch kein Verweis auf ebventuelle günstigere Reparaturmöglichkeiten mehr erfolgen. Diese Argumentation überzeugt. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen: 2 C 165/12
Amtsgericht Hechingen
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Hechingen
durch den Richter …
am 09.08.2012 auf die mündliche Verhandlung vom 16.07.2012
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 497,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.10.2011 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 80% und die Beklagte 20% zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Berufung wird für die Beklagte zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.720,73 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.
Der Kläger ist Eigentümer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen BL-… . Der Kläger verunfallte mit diesem PKW in Bisingen. Allein verantwortlich an diesem Unfall war der Fahrer des bei der Beklagten versicherten PKW BL-… . Die Einstandspflicht zu 100% der Beklagten ist unstreitig. Der vom Kläger beauftragte Gutachter kalkulierte einen Reparaturkostenaufwand von 3.613,44 €. Hierbei wurden für Arbeitslohn und Lackierung ein Stundenverrechnungssatz einer markengebundenden Fachwerkstatt gewählt. Der Arbeitslohn KL 2 wurde mit 93,94 €, KL 3 mit 99,67 € sowie der Lohn für Lackierarbeiten mit 101,67 € kalkuliert. Nach der Begutachtung am 15.4.2011 wurde der Schaden vom Kläger provisorisch repariert. In M. Werkstatt wurde mittels eines Blechsaugers einmalig an der Seitenwand gearbeitet. Der zeitliche Aufwand betrug ungefähr 5 Minuten und die Arbeiten wurden dem Kläger nicht in Rechnung gestellt. Bei einer Nachbesichtigung am 4.6.11 durch den von der Beklagten beauftragten Gutachter F. wurde vom diesem nur ein erforderlicher Reparaturkostenaufwand von 892,71 € kalkuliert. Mit Schreiben vom 25.8.11 wurde die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 3613,44 € aufgefordert. Hierauf wurde von der Beklagten lediglich ein Teilbetrag von 892,71 € bezahlt. Zur Zahlung der Differenz wurde die Beklagte mit Schreiben vom 20.9.11 mit Frist bis 6.10.11 aufgefordert. Vorgerichtlich sind insgesamt 402,82 € Rechtsanwaltsgebühren dem Kläger in Rechnung gestellt worden. Hierauf zahlte die Beklagte 205,87 €. Erstmals im Schriftsatz vom 29.5.12 (Bl. 46. d.A.) wurde der Kläger auf eine örtliche Referenzwerkstatt hingewiesen. Vorgerichtlich erfolgte kein Verweis auf eine gleichwertige freie Werkstatt. In der Vergangenheit hat der Kläger überwiegend die notwendigen Reparaturen und Kundendienste bei M. Werkstatt durchführen lassen.
Der Kläger ist der Ansicht, zur fachgerechten Beseitigung des Schadens ist der komplette Ausbau der Seitenwand und dessen Austausch gegen ein Neuteil erforderlich. In diesem Zusammenhang trägt der Kläger vor, dass eine derartige Aussage der Zeuge M. gemacht habe, der hierfür auch als Zeuge benannt wird (Bl. 147 d.A.). Weiter trägt der Kläger vor, dass die Verformung an der Seitenwand eine Tiefe von mindestens 5 cm aufwies. Hierfür werden die Zeugen H. M. und M. M. benannt (Bl. 146 d.A.). Des Weiteren ist der Kläger der Ansicht, der Sachverständige hätte auf der Grundlage der zu den Akten gelangten Bilder keine zuverlässigen Angaben zum Schadensumfang machen können. Als Beweis werden hierzu Bilder vorgelegt (Bl. 144 d.A.). Des Weiteren ist der Kläger hilfsweise der Ansicht, als reine Arbeitszeit sei für die Instandsetzung der Seitenwand, sollte kein Neuteil erforderlich sein, Arbeitszeit von mindestens 6 Stunden anzusetzen. Hierfür beantragt der Kläger die Vernehmung der Zeugen M. und M. und beantragt die Bestellung eines weiteren Gutachters (Bl. 147 d.A.). Weiter trägt der Kläger vor, bei dem vom Sachverständigen beschriebenen Reparaturablauf wäre das Risiko eines Wackelfrosches nicht gebannt. Hierfür werden die Zeugen M. und M. angeboten (Bl. 148 d.A.).
In Bezug auf die angesetzten Stundenverrechnungssätze ist der Kläger der Ansicht, dass der Verweis auf eine billigere freie Werkstatt im Prozess verspätet erfolgt ist und damit die Sätze einer markengebundenen Werkstatt ersatzfähig sei.
Der Kläger beantragt daher
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2720,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.10.11 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 196,95 € zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass der Aus- und Einbau eines Neuteils in Bezug auf das Seitenteil hinten links/Kotflügel nicht erforderlich für eine fachgerechte Instandsetzung sei. Zudem ist die Beklagte der Ansicht, dass aufgrund des Verweises auf billigere gleichwertige Fachwerkstätten im Rahmen der Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt nicht erstattungsfähig seien. Insbesondere wird damit argumentiert, dass hier nur die Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt ersatzfähig seien, da in der Vergangenheit der Kläger immer sein Fahrzeug bei M. Werkstatt, ebenfalls einer freien Werkstatt, hat reparieren und warten lassen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beauftragung des Sachverständigen Dipl.-Ing. F. . Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.7.12 verwiesen (Bl. 112 ff. d.A.).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig jedoch weitgehend unbegründet. Dem Kläger steht nachdem bereits auf die Reparaturkosten 892,71 € gezahlt wurden noch ein Zahlungsanspruch in Höhe von 497,64 € zu.
I.
Dem Kläger steht unstreitig ein Anspruch dem Grunde nach gem. §§ 18 StVG, 115 VVG gegen die Beklagte zu.
II.
Der Höhe nach beträgt der erforderliche Reparaturkostenaufwand 1.390,35 € netto. Die beschädigte Seitenwand kann durch „Ausbeulen“ fachgerecht instand gesetzt werden. Ein Neuteil ist nicht erforderlich (1.). Der Kläger kann hier auf der Grundlage von Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt abrechnen (2.).
1. Der Einbau eines Neuteils ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen F. , dem sich das Gericht anschließt, nicht erforderlich. Die Überzeugung des Gerichts beruht auf folgenden Erwägungen:
a) Der Sachverständigen hat unter Verweis auf die vorgelegten Bilder nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass bereits das Schadensbild durch die geringfügigen Reparaturarbeiten des Klägers nahezu beseitigt wurde. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht keine Zweifel, dass ein Neuteil nicht erforderlich ist. Insbesondere der Hinweis auf die Reflektion hat dabei zur Überzeugung des Gerichts beigetragen. Auf den Bilder auf Bl. 125 – 128 sind die Eindellungen nicht mehr erkennbar, vielmehr zeigen sich einheitliche Reflektionen, die an keiner Stelle durch eine Verformung unterbrochen werden. Auch die Ausführungen zum angesetzten Arbeitsaufwand überzeugen das Gericht. Der Sachverständige hat auf Nachfrage des Gericht die genauen Arbeiten an der Seitenwand beschrieben. Diese Ausführungen harmonieren mit der vorgelegten detaillierten Kalkulation (Bl. 131 f. d.A.).
b) Die vorgelegten Fotos, auf deren Grundlage Herr F. seine Ausführungen machten, sind an keiner Stelle zu beanstanden, insbesondere sind sie nicht von schlechter Qualität. Die Fotos 1 – 11 (Bl. 119 – 124 d.A.) zeigen dabei den Schadensumfang vor der provisorischen Instandsetzung. Die Bilder auf Bl. 125 – 128 zeigen den Zustand nach der provisorischen Instandsetzung. Die vom Sachverständigen zu den Akten gereichten Bilder sind, anders als von Klägerseite vorgebracht, gestochen scharf und lassen sachverständige Feststellung zu. Insbesondere die Bilder auf Bl. 126 und 127 d.A. genügen nach Einschätzung des Gerichtes dazu, eine abschließende Stellungnahme seitens Herrn F. abzugeben. Bei den von der Klägerseite vorgelegten (schlechten) Bilder handelt es sich um Abzüge der Bilder, die vom Sachverständigen auf Bl. 125 scharf vorgelegt wurden und dem Sachverständigen in dieser Qualität auch zur Verfügung standen.
c) Die Vernehmung der benannten Zeugen H. M. und M. M. zur Tiefe der Verformung waren nicht veranlasst. Zwar hat der Sachverständige angegeben, dass die Verformung seiner Einschätzung nach nur ca. 1- 2 cm tief war. Selbst wenn man jedoch als wahr unterstellt, dass die Eindellung hier mindestens 5 cm betrug, ändert das nichts an den Feststellungen des Sachverständigen. Entscheidende Grundlage seiner Einschätzung waren die Bilder auf Bl. 126 und 127 d.A.. Diesbezüglich macht der Sachverständige eindeutige und überzeugende Ausführungen.
d) Eine Vernehmung des Zeugen M. in Bezug auf die Aussage, bessere Ergebnisse könne man nur durch Einbau eines Neuteils erreichen, war nicht möglich. Die Frage der erforderlichen Reparaturarbeiten ist eine Frage, die dem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist. Hierfür wurde der Sachverständige F. bestellt. An seinen Ausführungen hat das Gericht aus obigen Gründen keine Zweifel.
e) Die Beauftragung eines Obergutachters war, da das Gericht keinerlei Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens hatte, nicht veranlasst. Insbesondere bestehen keinerlei Bedenken in Bezug auf die fachliche Eignung des Sachverständigen, gerade auch Karosseriearbeiten richtig einschätzen zu können. Der Sachverständige ist dem Gericht aus einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten bekannt und gab hierbei nie Anlass zu der Vermutung seine Ausführungen fehlte die ausreichende fachliche Kompetenz.
2. Es können die Stundenverrechnungssätze einer markengebundene Fachwerkstatt herangezogen werden. Diese belaufen sich nach den Angaben des Sachverständigen sowohl für Arbeitslohn als auch für die Lackierarbeiten auf 99 €.
(1) Die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Werkstatt sind i.S.v. § 249 BGB erforderlich. „Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte vom Schädiger gem. § 249 II 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag beanspruchen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte […]. Der Geschädigte tut im Reparaturfall dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 II 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat“ (BGH NJW 2010, 606 ff.). Die Problematik inwieweit es dem Geschädigten zumutbar ist, der Abrechnung billigere Stundensätze einer freien Werkstatt zugrunde zu legen, ist keine Frage der erforderlichen Kosten, sondern eine Frage der Verletzung der Schadensminderungspflicht.
(2.) Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liegt auf Seiten des Klägers nicht vor. Der in der Klageerwiderung erfolgte Verweis auf billigere freie Werkstätten erfolgte zu einem Zeitpunkt, zudem der Kläger seine Dispositionsentscheidung getroffen hatte. Der Verweis konnte daher die Obliegenheit zur Schadensminderung nicht mehr auslösen:
(i) Ausgangspunkt ist zunächst, dass bei einem Fahrzeugalter von mehr als drei Jahren der Haftpflichtversicherer im Rahmen der fiktiven Abrechnung den Geschädigten auf eine günstigere und technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen kann, wenn der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm die Reparatur außerhalb einer Vertragswerkstatt seiner Fahrzeugmarke unzumutbar machen, insbesondere, weil er sein Fahrzeug in der Vergangenheit stets in einer Vertragswerkstatt warten und reparieren ließ (Wenker VersR 2012, 290 ff. mit Hinweisen auf die entsprechende BGH Rechtsprechung).
(ii) Strittig ist in Rechtsprechung und Literatur, bis wann ein solcher Verweis auf eine billigere gleichwertige Werkstatt möglich ist.
Für die Möglichkeit, noch im Prozess einen solchen Verweis zu geben, sprechen sich folgende Gerichte bzw. Autoren aus:
Figgener scheint davon auszugehen, dass ein fiktiv abrechnender Geschädigter in zeitlicher Hinsicht nicht schutzwürdig ist und daher ein solcher Hinweis jederzeit erfolgen kann (Figgener NJW 08, 1349, 1352).
Ebenso argumentiert das LG Hamburg: „Der Geschädigte, der fiktiv abrechnet, erleidet durch eine solche Verweisung keinen Nachteil. Im Rahmen der fiktiven Abrechnung wird eine hypothetische, tatsächlich nicht durchgeführte Reparatur des Fahrzeugs zum Maßstab genommen. Die Ermittlung der für diese Reparatur anfallenden Kosten kann mangels ihrer Durchführung jederzeit, auch noch im Prozess erfolgen.“ (LG Hamburg 302 S 84/11).
Das OLG Braunschweig ist der Meinung, dass bis zu einer tatsächlichen Reparatur des Geschädigten bei einer markengebundenen Fachwerkstatt noch ein Verweis auf eine billigere freie Fachwerkstatt möglich ist. Nur „in diesem Fall kann er sich darauf berufen, er habe auf die Richtigkeit des zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens vertraut“ (OLG Braunschweig 7 U 51/08).
Das AG Mannheim vergleicht die Problematik mit sonstigen Einwendungen gegen die Höhe der erforderlichen Reparaturkosten. Bezüglich der Höhe der kalkulierten Beträge, z.B. Arbeitszeit oder ähnliches, können auch erst im Prozess Einwendungen erhoben werden und die Klage wird dann entsprechend, sollte sich der Einwand als berechtigt herausstellen, abgewiesen. Derartige Risiken nehmen der Geschädigte in jedem Schadensersatzprozess in Kauf.
Demgegenüber wird von folgenden Gerichten vertreten, dass ein Verweis im Prozess auch bei Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis zu spät kommt:
Das LG Berlin geht demgegenüber davon aus, dass ein Verweis im Rahmen des Prozesses zu spät erfolgt. Ein solcher Verweis müsse zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Geschädigte seine Dispositionsentscheidung noch nicht getroffen habe, ob und wie er die Schadensbehebung durchführt (LG Berlin 43 S 41/11). Das Gericht argumentiert, dem Geschädigten müsse vorgeworfen werden können, „zum Zeitpunkt seiner Disposition schuldhaft von unzutreffenden Grundlagen, hier insbesondere zur Höhe der Reparaturkosten, ausgegangen zu sein“ (LG Berlin 43 S 41/11). Vor diesem Hintergrund müsse der Verweis innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen, wobei als Anhaltspunkt die 3 Monatsfrist des §3 a Abs. 1 PflVersG genutzt werden könne.
Auch das LG Krefeld scheint davon auszugehen, dass der Verweis vor der Dispositionsentscheidung des Geschädigten erfolgen muss (LG Krefeld 3 S 30/09).
Auch das LG Hechingen tendiert in diese Richtung, wenn es schreibt, „die ‚Porsche-Entscheidung des BGH […] schließt bei fiktiver Schadensberechnung einen Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit nur dann aus, wenn der Verweis erst nachträglich und ohne vorherigen Hinweis erfolgt und der Geschädigte diese Möglichkeit bei Vornahme seiner Schadensberechnung somit nicht kannte, eine Marktforschungspflicht trifft ihn nicht; anderenfalls muss er sich aber darauf einlassen“ (LG Hechingen 3 S 11/08).
(iii) Das Gericht schließt sich hier der zweiten Ansicht aus folgenden Gründen an:
Den Gedanken liegen zunächst folgende zwei Ausgangspunkte zugrunde:
§ 254 II S.1 BGB begründet eine Obliegenheit des Geschädigten zur Schadensminderung. Der „Geschädigte soll im Rahmen des von einem vernünftigen und sorgfältigen Menschen zu Erwartenden dazu beitragen, dass der Schaden nicht unnötig groß wird. Darüber hinausgehende Anstrengungen muss der Geschädigte jedoch nicht unternehmen“ (MüKo § 254 BGB Rn. 76). Hieraus folgt zunächst, dass der Geschädigte seiner Obliegenheit Rechnung getragen hat, wenn er einen Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt hat. Eine weitere Initiative kann vom Geschädigten nicht verlangt werden. Die Obliegenheit zur Schadensminderung wird erst dann erneut aktiviert, wenn der Schädiger einen konkreten Verweis auf eine billigere Werkstatt erteilt hat. Inhaltlich muss der Verweis dabei so ausgestaltet sein, dass der Geschädigte mühelos die Gleichwertigkeit prüfen kann, ohne weitere Initiative zu ergreifen. Diese Stufung der Obliegenheit zur Schadensminderung ist interessengerecht, da auf diese Weise einerseits berücksichtigt wird, dass der Geschädigte ohne große Eigeninitiative abrechnen kann, andererseits dem Schädiger aber die Möglichkeit einer Schadensgeringhaltung verbleibt.
Die Möglichkeit der Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis ist aufgrund der Dispositionsfreiheit des Geschädigten anerkannt. Daher gelten grundsätzlich die gleichen Grundsätze für die Abrechnung nach tatsächlicher Reparatur wie bei fiktiver Abrechnung (BGH 154, 397?f; BGH NJW-RR 09, 1031 m.w.N.).
Die Obliegenheit zur Schadensminderung im Zusammenhang mit einer tatsächlich durchgeführten Reparatur besteht nur bis zum Zeitpunkt der Dispositionsentscheidung des Geschädigten. Die Obliegenheit zur Schadensminderung kann nämlich nur solange bestehen, wie eine Möglichkeit zur Schadensminderung besteht. Wenn der Reparaturauftrag erteilt ist, kann der Geschädigte in der Regel keinen Einfluss mehr auf die entstehenden Kosten nehmen, sodass zu diesem Zeitpunkt auch die Obliegenheit zur Schadensminderung in diesem Bezug endet. Daraus folgt auch die zeitliche Grenze, bis zu derer ein Hinweis auf eine billigere Werkstatt möglich ist. Aktiviert nämlich der Hinweis erst die Obliegenheit zur Schadensminderung, so kann der Hinweis, um rechtlich bedeutsam zu sein, nur erfolgen, solange die Obliegenheit noch besteht bzw. aktiviert werden kann. Bei einer tatsächlichen Reparatur muss der Verweis also bis zum Zeitpunkt der Auftragserteilung gegenüber einer Werkstatt erfolgen.
Überträgt man diese Grundsätze nun auf die Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis so scheint es zunächst konsequent, eine zeitliche Grenze abzulehnen, da eine Reparaturentscheidung nicht getroffen wird. Das überzeugt jedoch dann nicht, wenn auch bei einer fiktiven Abrechnung vom Geschädigten eine Dispositionsentscheidung getroffen wird oder eine Entscheidung, die dem gleichzusetzen ist:
Auch der fiktiv Abrechnende trifft eine Dispositionsentscheidung. Eine wirtschaftlich relevante Entscheidung trifft der Geschädigte nämlich spätestens mit der Einreichung der Klage oder der Beantragung eines Mahnbescheides. In diesem Augenblick hat er sich für die Abrechnung auf der Grundlage des Gutachtens entschieden. Einen Verweis auf eine andere Werkstatt kann er nach diesem Zeitpunkt – ähnlich wie nach Beauftragung einer tatsächlichen Reparatur – nicht mehr ohne wirtschaftliche Nachteile berücksichtigen. Er müsste nach einem entsprechenden Verweis nämlich die Klage zum Teil oder vollständig mit der entsprechenden Kostenfolge des § 269 III S.2 ZPO zurücknehmen. Würde man diese Folge akzeptieren, müsste der Geschädigte vor Einreichung der Klage doch eigene Initiative ergreifen und sich nach gleichwertigen, für ihn mühelos zugänglichen Werkstatten erkundigen. Das widerspricht jedoch den Grundsätzen des §254 II S.1 BGB im Zusammenhang mit Reparaturkosten. Wie oben dargelegt, muss der Geschädigte nämlich keine Marktforschung in Bezug auf die Stundenverrechnungssätze betreiben, wenn er für die Ermittlung der Reparaturkosten einen Sachverständigen beauftragt hat.
Die Rechtslage stellt sich – entgegen der Einschätzung des AG Mannheim (a.a.O.) – anders dar, als in Bezug auf die sonstigen Schadenspositionen. In Bezug auf die sonstigen Positionen geht es um die Erforderlichkeit von einzelnen Beträgen oder die Verletzung einer von Anfang an bestehenden Schadensminderungspflicht. Die Klage war von Anfang an (teilweise) nicht begründet. Hier bestand die Möglichkeit des Geschädigten durch genaue Überprüfung, die (teilweise) Abweisung zu vermeiden. In Bezug auf die Stundenverrechnungssätze besteht jedoch keine Pflicht auf Sätze einer freien Werkstatt auszuweichen, bis von Schädigerseite ein entsprechend detaillierter Verweis ausgesprochen wurde. Auch bei intensivster Überprüfung ist rechtlich an der Höhe des angesetzten Stundenverrechnungssatzes bis zum Verweis nichts auszusetzen. Hier würde die Klage – ließe man den Verweis noch im Prozess zu – erst durch den Verweis unbegründet. Eine vorherige Überprüfung wäre nicht erfolgversprechend gewesen, da zu diesem Zeitpunkt rechtlich dieser Betrag ersatzfähig war. Würde man den Verweis noch im Prozess zulassen, müsste der Geschädigte, um eine negative Kostenfolge zu verhindern, bereits vor der Klage Marktforschung betreiben und bereits vorsorglich weniger einklagen. Das widerspräche jedoch den oben dargelegten Grundsätzen.
Alternativ wäre es noch denkbar, diesem Verweis erledigende Wirkung zukommen zu lassen und so dem Geschädigten die Möglichkeit zu eröffnen, über die Erledigungserklärung zu einer für ihn positiven Kostenfolge zu kommen. Anders als beispielsweise die Ausübung eines Gestaltungsrechtes oder die Erhebung der Einrede der Verjährung ist der Verweis auf billigere Werkstätten jedoch rechtlich nicht gleichermaßen fassbar. Vielmehr handelt es sich hier um eine rein tatsächliche Handlung, an die -wegen des hierdurch vermittelten zusätzlichen Wissens auf Geschädigtenseite – die Obliegenheit zur weiteren Schadensminderung geknüpft ist. Vergleichbar ist diese Situation mehr mit folgender Prozesssituation: Dem Kläger steht ein Auskunftsanspruch gegen den Beklagten zu. Der Kläger klagt im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung. Nach der Auskunftserteilung stellt sich heraus, dass von Anfang an kein Zahlungsanspruch bestand. In diesem Zusammenhang ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Auskunftserteilung für die Zahlungsklage kein erledigendes Ereignis darstellt (vgl. BGH NJW 1994, 2895). Die in diesem Zusammenhang diskutierte Lösung, dass die Klage umgestellt wird auf Feststellung, dass der Beklagte zum Ersatz des durch die verspätete Auskunftserteilung entstandenen Schadens verpflichtet ist, lässt sich auf diesen Fall nicht übertragen. Anders als in Bezug auf die Auskunftserteilung besteht nämlich kein Anspruch des Geschädigten und insbesondere keine Pflicht des Schädigers auf einen derartigen Hinweis. Ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist in solchen Fällen allein gestützt auf die verspätete Erteilung des Verweises nicht möglich.
Im Ergebnis wird mit der hier vertretenen Lösung dem Schädiger auch nicht die Möglichkeit genommen, den Geschädigten auf günstigere Werkstätten zu verweisen. Es wird lediglich zeitlich eine Grenze gesetzt.
(iii) An diesem Ergebnis ändert sich auch nicht deswegen etwas, weil der Kläger in Vergangenheit überwiegend die Wartungs- und Reparaturarbeiten in einer freien Werkstatt hat durchführen lassen.
Es ließe sich zwar argumentieren, dass in einem solchen Fall der Geschädigte bereits über billigere Möglichkeiten informiert ist. Allerdings ist Hintergrund der Notwendigkeit des Verweis nicht allein die Kenntnis über eine billigere Alternative, sondern vor allem die Vergleichbarkeit der Qualität (vgl. exemplarisch BGH NJW 2010, 2118 m.w.N.). Ohne einen qualifizierten Verweis mit Angaben zur Qualität der Werkstatt kann der Geschädigte – auch wenn er bereits lange Jahre bei einer freien Werkstatt ist – aus eigener Sachkunde nicht feststellen, ob der Qualitätsstandard vergleichbar ist. Die Frage, ob der Geschädigte damit zufrieden war ist nicht vergleichbar mit der Frage, ob die gleiche Qualität bei geringerem Preis geliefert werden kann. Für Letzteres bedarf es einen konkreten Hinweises, der jedoch zeitlich begrenzt nur bis zum Antrag auf Mahnbescheid oder Erhebung der Klage erteilt werden kann.
III.
Der Kläger hat demgegenüber auf dieser Grundlage keinen weiteren Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gem. §§ 280 I, II, 286 BGB. Der maßgebliche Gegenstandswert beträgt 1.390,35 €. Eine 1,3 Geschäftsgebühr beträgt inklusive Pauschale und Mehrwertsteuer 186,24 €. Gezahlt wurden von Beklagtenseite bereits ein Betrag von 205,87 €.
IV.
Die Zinsentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 280 I, II, 286, 288 BGB.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Zulassung der Berufung beruht auf § 511 IV ZPO. Die Frage des Zeitpunktes, bis wann bei Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis noch der Verweis auf billigere freie Werkstätten erfolgen kann, ist in der Rechtsprechung umstritten und wurde vom LG Hechingen bisher nicht entschieden. Eine Entscheidung diesbezüglich ist wegen der Vielzahl solcher Fälle von grundsätzlicher Bedeutung und dient der Fortbildung des Rechts.
Hi Willi,
Dank für das Hechinger Urteil. Hat damit doch ein Richter die Rechtsprechung zur Verweisung und zur Grenze der Verweisungsmöglichkeit aufgezeigt. Soweit immer wieder daraufhingewiesen wurde, dass auch im Prozess noch auf die günstigere Werkstatt verwiesen werden könnte, weil der Geschädigte immer noch disponieren könnte, so ist dieser Argumentation jetzt ein erhebliches Gegenargument dagegen gesetzt worden.
Ein prima Urteil!
Hallo Forum!
Ich habe gerade einen gleichgelagerten Fall in Bearbeitung, Berufung LG. Gibt es weitere/neuere Rechtsprechung zu der Thematik, als die im Urteil genannte? Ich finde nichts brauchbares. Bin für jeden Hinweis dankbar.
Vielen Dank und beste Grüße
Hallo Sven,
schau Dir auch mal LG Düsseldorf an, wurde vor ein paar Tagen eingestellt.