Mit Entscheidung vom12.12.2012 (18 C 297/12) wurde die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zum Ausgleich vorgerichtlich gekürzter Kfz-Sachverständigenkosten verurteilt. Das Gericht begründet den Anspruch exakt nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen und verweist die Versicherung auf den Forderungsausgleich (Regressprozess), da der Sachverständige Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist, und deshalb mögliche Fehler des Sachverständigen – auch was die Rechnung betrifft – zu Lasten des Schädigers gehen (OLG Naumburg vom 20.01.2006 – 4 U 49/05). Obwohl es sich um eine etwas ältere Entscheidung handelt, ist sie in der Begründung nach wie vor topaktuell, denn sie trifft den Nagel voll auf den Kopf. Schadensersatz bleibt eben Schadensersatz – zumindest so lange der § 249 BGB dem Gesetz Ausdruck verleiht. Vollständiger Schadensaugleich bedeutet 100%-ige Entschädigung des Geschädigten und nicht 95, 90 oder 80%, wie es die Versicherer tagtäglich (rechtswidrig) praktizieren – und leider von einigen Gerichten auch noch gesetzeswidrige Schützenhilfe bekommen (siehe z.B. aktuell AG Coburg).
18 C 297/12
Amtsgericht Heinsberg
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägers,
gegen
…
Beklagte,
hat das Amtsgericht Heinsberg
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
12.12.2012
durch die Richterin D.
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2012 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten darf die Vollstreckung
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 27.6.2012 in Seifkant geltend. An diesem Tag verursachte der Halter des Fahrzeugs … der bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, einen Unfall, bei dem das Kfz des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen … zu Schaden kam. Die Alleinhaftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten nur noch um den vollständigen Ausgleich der Sachverständigenvergütung.
Der Kläger beauftragte zur Schadensfeststellung aufgrund des Unfalls vom 27.6.2012 das Sachverständigen-Büro … . Die Gutachtenerstellung wurde ihm mit 831,81 Euro brutto in Rechnung gestellt. Die Beklagte regulierte die Kosten der Gutachtenerstellung in einer Höhe von 799,68 Euro, so dass ein offener Betrag von 32,13 Euro besteht. In dieser Höhe verweigerte die Beklagte die Regulierung unter Hinweis auf eine unangemessene Pauschalierung des Sachverständigen-Werklohns.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 32,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der vom Sachverständigen abgerechnete Werklohn spiegele aufgrund seiner Pauschalierung die erbrachte Leistung nicht angemessen wider. Die Rechnung des Sachverständigen sei nicht prüffähig und fällig. Die Nebenkostenabrechnung in der Sachverständigen-Abrechnung sei nicht berechtigt, die Nebenkosten seien nicht angefallen und nicht erforderlich gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigenvergütung in Höhe von 32,13 Euro gegen die Beklagte nach §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 VVG.
1. Der Umfang des Schadensersatzanspruches richtet sich nach § 249 BGB. Der Geschädigte kann im Wege der Naturalrestitution die Wiederherstellung des gleichen wirtschaftlichen Zustandes verlangen, § 249 Abs. 1 BGB, oder nach seiner Wahl den dazu erforderlichen Geldbetrag, § 249 Abs. 2 BGB (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 71. Aufl. § 249 Rn. 2 ff).
2. Die Aufwendungen, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen – zur Feststellung des Schadenhergangs, vor allem aber der Schadenhöhe – entstehen, gehören als notwendige Begleitkosten zu dem, was zur Wiederherstellung des Güterbestandes des Geschädigten geboten ist und sind daher grundsätzlich vom Schädiger vollständig zu ersetzen. Der durch den Schädiger erst in die ersatzbedürftige Lage versetzte Geschädigte kann in aller Regel ohne sachverständige Hilfe die Darlegung und ggf. den Nachweis der konkreten Schadenhöhe als Voraussetzung für den Schadensersatz nicht vornehmen. Die Schaffung der Voraussetzungen für die Regulierung des Schadens liegt diesbezüglich in den Händen des Geschädigten.
2. Nur ausnahmsweise sind Sachverständigenkosten nicht erstattungspflichtig. Das ist dann der Fall, wenn ein sogenannter Bagatellschaden vorliegt, der Geschädigte die Unrichtigkeit des Sachverständigengutachtens selbst herbeigeführt hat oder ihn ein Auswahlverschulden hinsichtlich des Sachverständigen trifft (vgl. Knerr in Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 3. Kapitel Rn. 118 ff m.w.N.). Der Geschädigte muss einen wirklichen Sachverständigen beauftragen, also eine Person, die besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem entsprechenden Sachgebiet hat.
Darüber hinaus besteht keine Einschränkung der Ersatzpflichtig keit von Gutachterkosten. Der Geschädigte muss sich insbesondere nicht auf dem Markt der Sachverständigen nach dem Günstigsten erkundigen (so auch Wortmann VersR 98, 1204, 1211; Otting, VersR 97, 1328, 1330; a.A. AG Hagen, Urteil vom 21.10.2002 -10 C 335/02). Eine solche Erkundigungspflicht würde dem Grundsatz zuwider laufen, dass das Risiko der Schadensfeststellung beim Schädiger liegt und nicht beim Geschädigten. Es ist Sache des Schädigers bzw. dessen Versicherers, sich gegen überhöhte Gutachter-Abrechnungen mit dem Sachverständigen selbst im Wege des Regresses auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es dem Geschädigten in der Schadenssituation unter vertretbarem Aufwand schlicht nicht möglich oder zumutbar sein dürfte, in Erfahrung zu bringen, welche Abrechnungsart und -weise die angemessene ist oder welche Kosten vom Sachverständigen angesetzt werden dürfen und welche nicht.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Sachverständigen bei eigener Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche nach Abtretung durch den Geschädigten die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit und Angemessenheit seiner Vergütungsbemessung trägt (vgl. BGH, Urteil vom 4. 4. 2006 – X ZR 80/05). Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend gerade nicht gegeben. Dem Geschädigten gegenüber können fehlerhafte oder unangemessene Sachverständigenabrechnungen nicht entgegengehalten werden (vgl. OLG Hamm, Urteil 5.3.1997 – 13 U 185/96). Denn der Kraftfahrzeug-Sachverständige, den der Geschädigte nach dem Unfall hinzuzieht, ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten gegenüber dem Schädiger im Sinne von §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB. Dass den Kläger hinsichtlich der Auswahl des Kraftfahrzeug-Sachverständigen ein Verschulden trifft oder dass er die überhöhte Inrechnungstellung ohne weiteres erkennen und zurückweisen konnte, wird von den Beklagten nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
III.
Das Gericht hat im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage wegen der wirtschaftlichen Bedeutung aufgrund des Charakters der Verkehrsunfallschadensregulierung als Massegeschäft die Berufung zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, § 511 Abs. 4 ZPO.
IV.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: 32,13 Euro.
Da capo!
H.U.
Das ist die erste Entscheidung, die in meiner Excel-Liste mit vergleichbaren Urteilen der hiesigen Amtsgerichte (Heinsberg, Geilenkirchen, Erkelenz, Eschweiler, Aachen) steht 🙂 . Die hier betroffene Z-Versicherung (Name klingt ähnlich einer Schweizer Stadt) macht das Spielchen allerdings nicht mehr mit.
Dafür um so heftiger die Vereinigten Haftpflicht Verbrecher; meine Liste hat inzwischen fast 80 Einträge.
Erwähnenswert ist für den LG-Bezirk noch die wegweisende Entscheidung des LG Aachen vom 11.03.2016, http://ra-frese.de/2016/03/15/lg-aachen-bereitet-dem-kuerzungswahn-der-vhv-ein-ende/ – leider fanden die Kürzungen doch kein Ende….
Schön formuliert und das ohne JVEG, BVSK, Indizwirkung, Schadenminderungspflicht, Nichterforderlichkeit, Überhöhung u.v.a.m.:
„Die Aufwendungen, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen – zur Feststellung des Schadenhergangs, vor allem aber der Schadenhöhe – entstehen, gehören als notwendige Begleitkosten zu dem, was zur Wiederherstellung des Güterbestandes des Geschädigten geboten ist und sind daher grundsätzlich vom Schädiger „vollständig“ zu ersetzen.“
„Dem Geschädigten gegenüber können fehlerhafte oder unangemessene Sachverständigenabrechnungen nicht entgegengehalten werden (vgl. OLG Hamm, Urteil 5.3.1997 – 13 U 185/96). Denn der Kraftfahrzeug-Sachverständige, den der Geschädigte nach dem Unfall hinzuzieht, ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten gegenüber dem Schädiger im Sinne von §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB.“
R-REPORT-AKTUELL
@ RA Frese „leider fanden die Kürzungen doch kein Ende….“
Wer noch mal regiert Deutschland?
Die Richterin D. des AG Heinsberg hat sich nicht durch die schadenersatzrechtlich nicht erheblichen Einwendungen der Beklagten dazu provozieren lassen, in altbekannter Manier eine (verbotene) „Überprüfung“ der rechtswidrig gekürzten Gutachterkosten vorzunehmen, wie es in vielen Urteilen leider immer noch nachzulesen ist. Sie musste auch keine Bedenken haben, um die Berufung zuzulassen.
Unter Punkt 1. hat sie dann sogleich den richtigen Einstieg gewählt, der auch deutlich macht, dass es hier um eine konkrete Abrechnung entstandener Gutachterkosten geht und nicht um das Herausfinden eines gerechten Preises für eine fiktive Abrechnung. Gerade deshalb war eine „Überprüfung“ der Rechnungshöhe
und eine „Angemessenheit“ der Einzelpositionen ebenso wenig gefordert, wie die in einem solchen Zusammenhang gern herangezogene „Schätzung“.
„Der Umfang des Schadensersatzanspruches richtet sich nach § 249 BGB. Der Geschädigte kann im Wege der Naturalrestitution die Wiederherstellung des gleichen wirtschaftlichen Zustandes verlangen“…..
Gleich anschließend erklärt sie der Beklagten mit wenigen Worten, was das schadenersatzrechtlich bedeutet:
„Die Aufwendungen, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen – zur Feststellung des Schadenhergangs, vor allem aber der Schadenhöhe – entstehen, gehören als notwendige Begleitkosten zu dem, was zur Wiederherstellung des Güterbestandes des Geschädigten geboten ist und sind daher grundsätzlich vom Schädiger vollständig zu ersetzen.“
Man beachte: …“ was zur Wiederherstellung des Güterbestandes des Geschädigten „geboten ist“ und sind daher „grundsätzlich vom Schädiger v o l l s t ä n di g zu ersetzen.“
Sie hebt dann rein vorsorglich auch ab auf wenige Ausnahmesituationen und stellt insoweit ein Auswahlverschulden in den Vordergrund. Hiermit wird deutlich, warum versicherungsseitig so gut wie nie ein Auswahlverschulden angesprochen wird, dennoch ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht. Vielleicht wird zumindest jeder Sachkundige sich an dieser Stelle fragen, wie das denn schlüssig zu erklären wäre?
Diese Richterin D. geht dann aber sogleich schnörkellos weiter und gibt zu bedenken:
„Darüber hinaus besteht keine Einschränkung der Ersatzpflichtigkeit von Gutachterkosten.“
Genau solche „Einschränkungen“ verfolgen aber die honorarkürzenden Versicherer und provozieren damit Tausende von Prozessen und man erkennt sehr schnell, dass die Schadenersatzverpflichtung in gegenläufigen Urteilen so gut wie überhaupt nicht herausgestellt wird.
Dann gibt sie der Thematik überzeugend Fortgang und führt insoweit aus:
„Der Geschädigte muss sich insbesondere nicht auf dem Markt der Sachverständigen nach dem Günstigsten erkundigen (so auch Wortmann VersR 98, 1204, 1211; Otting, VersR 97, 1328, 1330; a.A. AG Hagen, Urteil vom 21.10.2002 -10 C 335/02).“
Dieser richtige Hinweis wird zwar gebetsmühlenartig auch in klageabweisenden Urteilen wiederholt, jedoch die daraus abzuleitenden Konsequenzen bleiben unbeachtet;hier jedoch keineswegs:
„Eine solche Erkundigungspflicht würde dem Grundsatz zuwider laufen, dass das Risiko der Schadensfeststellung beim Schädiger liegt und nicht beim Geschädigten.
Es ist Sache des Schädigers bzw. dessen Versicherers, sich gegen überhöhte Gutachter-Abrechnungen mit dem Sachverständigen selbst im Wege des Regresses auseinanderzusetzen.“
Und auch mit der angeblichen Lebenserfahrung/Alltagserfahrung einer fiktiven Dritten räumt diese Richterin praxisorientiert auf:
„Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es dem Geschädigten in der Schadensituation „unter vertretbarem Aufwand“ schlicht nicht möglich oder zumutbar sein dürfte, in Erfahrung zu bringen, welche Abrechnungsart und -weise die angemessene ist oder welche Kosten vom Sachverständigen angesetzt werden dürfen und welche nicht.“
Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Sachverständigen bei eigener Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche nach Abtretung durch den Geschädigten die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit und Angemessenheit seiner Vergütungsbemessung trägt (vgl. BGH, Urteil vom 4. 4. 2006 – X ZR 80/05).
Die Richterin schließt dann überzeugend die Urteilsgründe mit folgenden Hinweisen:
„Dem Geschädigten gegenüber können fehlerhafte oder unangemessene Sachverständigenabrechnungen nicht entgegengehalten werden (vgl. OLG Hamm, Urteil 5.3.1997 – 13 U 185/96). Denn der Kraftfahrzeug-Sachverständige, den der Geschädigte nach dem Unfall hinzuzieht, ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten gegenüber dem Schädiger im Sinne von §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB. Dass den Kläger hinsichtlich der Auswahl des Kraftfahrzeug-Sachverständigen ein Verschulden trifft oder dass er die überhöhte Inrechnungstellung ohne weiteres erkennen und zurückweisen konnte, wird von den Beklagten nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.“
Bliebe noch darauf hinzuweisen, dass auch die Zulassung der Berufung überzeugend begründet wurde.
Man erkennt, das es auch noch nicht nur sachkundige , sondern auch redlich arbeitende Richterinnen und Richter in diesem Rechtsstaat gibt.
Einem solchen Urteil kann man nur Hochachtung und Respekt zollen, was mit diesem Kommentar verdeutlicht werden sollte.
D.H.
@ Hans Dampf
Danke für die Einstellung dieses Urteils und vor allen Dingen für deinen Kommentar hierzu. Die Sache mit dem heiligen Geist ist doch nicht so abwegig.
Wir wünschen erholsame Pfingsttage
D.M.
Sehr geehrte Kommentatoren,
zu diesem Urteil des AG Heinsberg passt sehr gut auch das nachfolgende Urteil:
AG Merseburg 10 C 170/17 (X) vom 20.12.2017 zum Thema Indizwirkung der unbezahlten Rechnung aus Abtretung, Vorteilsausgleich, keine Schätzung, Kenntnisstand des Geschädigten.
LUPUS
@virus says: „Wer noch mal regiert Deutschland?“ Das Großkapital. Oder zweifelt da jemand?
@RA Frese
„Dafür um so heftiger die Vereinigten Haftpflicht Verbrecher; meine Liste hat inzwischen fast 80 Einträge.“
Damit ist wohl die VHV in Hannover gemeint. Das dortige Amtsgericht soll als Heimatgericht sowie als Büttel und Wasserträger der VHV hochgradig versaut sein, obwohl Berufungskammern des LG Hannover – bisher leider ohne durchschlagenden Erfolg – versucht haben, dem Prüfungsfanatismus einen Riegel vorzuschieben. Am AG Hannover hat die VHV offenbar eine Fangemeinde unter Richterinnen und Richtern. Die präsentierten Urteile ziehen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, Gehörsrügen, Nichtzulassungsbeschwerden und sogar Dienstaufsichtsbeschwerden nach sich, wie wir aktuell erfahren haben. Alles natürlich ohne Erfolg, jedoch wohl aktenkundig. Dennoch gibt es auch am AG Hannover Richterinnen und Richter, die ihr „Handwerk“ – gemeint im positiven Sinne – verstehen und im Namen des Volkes schadenersatzrechtlich korrekte Urteile absetzen. Legt man klageabweisende oder teilweise klageabweisende Urteile der verschiedenen Abteilungen einmal nebeneinander, so merkt man relativ schnell, wer sich an was orientiert hat. Ein Schelm, der Böses dabei denkt oder gar Absprachen vermutet.
BORIS
@virus
Der Wahnsinn?
@ G.v.H.
Außerhalb der Region Hannover komm die VHV mit ihren verquerten Rechtsansichten meist jedoch nicht zum Zug bzw. bekommt regelmäßig eins auf den Sack, denn nicht alle Gerichte in der BRD verstehen ihre Aufgabenstellung falsch und prüfen, obwohl verboten, in buchhalterischer Kleingeistigkeit und mit schadenersatzrechtlich falsch verstandenen Überlegungen die Rechnungshöhe hinsichtlich eines „angemessenen“ bzw. „richtigen“ Betrages, obwohl das Risiko aus der Funktion des Sachverständigen dem Schädiger zuzuordnen ist. Diesen Zirkelschluss zu verstehen scheint wohl einigen Richterinnen und Richtern schwer zu fallen.
D.H.
Kürzt eine Versicherung entstandene Gutachterkosten, so kann sie sich nicht auf werkvertraglich begrenzte Bewertungskriterien berufen, wie Unangemessenheit, Überhöhung, Nichterforderlichkeit, Üblichkeit, Ortsüblichkeit usw. Das ist auch durch unsere Richterinnen und Richter leicht zu verifizieren >> Kürzungsschreiben und Argumentation der Versicherungsanwälte.
Solche Einwendungen sind aus schadenersatzrechtlicher Sichtweite nach wie vor unerheblich und deshalb muss sich ein Gericht damit auch nicht auseinandersetzen, was jedoch Versicherungen immer anstreben.
Vielmehr steht im Vordergrund die Frage zur Beantwortung an, ob einen Geschädigten aus der Inanspruchnahme eines berufserfahrenen, qualifizierten und versicherungsunabhängigen Kfz.-Sachverständigen ein Auswahlverschulden trifft. Das ist regelmäßig nicht der Fall und wenn dennoch ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht unterstellt wird, so müsste ein solcher Verstoß abgestellt werden auf den Zeitpunkt des Unfallereignisses bzw. auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung, denn da ist der Schaden schon entstanden. Eine tragfähige Begründung für eine gegenläufige Sichtweite wird man in der Regel nicht feststellen können. Da es überdies um konkrete Abrechnungen und nicht um fiktive Schadenkosten geht , so findet sich für eine Abstützung auf § 287 ZPO keine Rechtfertigung, denn die Aufgabenstellung des Gerichts ist nicht fixiert auf buchhalterische Routinetätigkeiten, wie die Überprüfung der Rechnungshöhe und auch nicht von einem Zwang, einen „gerechten“ Preis zu ermitteln, sondern einzig und allein von der Aufgabenstellung, die Grundsätze der Schadenersatzverpflichtung deutlich zu machen auf der Grundlage des § 249 S.1 BGB und der Erkenntnis, dass 100 % Haftung auch 100 % Schadenersatz bedingen und nicht nur 95% oder gar deutlich weniger. Ansonsten greift unter beurteilungsrelevanten Randbedingungen, dass ein Risiko aus der bekannten Position des Sachverständigen als Erfüllungsgehilfe zu Lasten des Schädigers geht. Was die Rechtsprechung im beurteilungsrelevanten Zusammenhang dem Unfallopfer von vorn herein für „Erleichterungen“ zur Durchsetzung seines Schadenersatzanspruches gewährt ist hinlänglich bekannt, wird auch immer wieder in Urteilsgründen zitiert. Im Ergebnis wird diesen Erkenntnissen jedoch nicht Rechnung getragen und schon gar nicht mit dem Inhalt der verschiedensten bekannten Kürzungsschreiben.
In dem bemerkenswerten Aufsatz »Befreiung des Strafrechts vom nationalsozialistischen Denken?« erklärte der Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsinformatik an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Prof. Dr. Gerhard Wolff zum Begriff der Rechtsbeugung:
»Ein Richter, der vorsätzlich ein geltendes Gesetz nicht anwendet, weil er ein anderes Ergebnis für gerechter, für politisch opportuner oder aus anderen Gründen für zweckmäßiger hält, erfüllt den Tatbestand der Rechtsbeugung.«
Rechtsbeugung ist in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 339 StGB eine Straftat und liegt dem Gesetz nach vor, wenn »ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, (…) sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht.«
So meinte der BGH-Richter Thomas Fischer, Richter am BGH, in »Ein Jahr Absprache-Regelung«, ZRP 2010, 249:
»Dass Richter auf die Erfindung von Bauernschläue geprägter Tricks stolz sind, welche den – hier wohl unstreitig eindeutigen – Willen des Gesetzgebers ins Leere laufen lassen sollen, ist fast beschämend; es ist auch kaum geeignet, das Ansehen der Justiz zu mehren.«
Vielmehr wäre es angezeigt, für das eigene verantwortungsvolle Handeln folgende Grundsätze nicht zu ignorieren:
Die Vorschrift des § 249 BGB verpflichtet den Schädiger grundsätzlich, im Rahmen seiner Haftung die dem Geschädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen. Es ist nicht Anliegen der Norm, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen.
„Honorarvereinbarungen dürfen im Hinblick auf die Verfassungsgarantie der Berufsausübung (Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz) in ihrer Rechtswirksamkeit nicht ohne ausreichenden Sachgrund beschnitten werden.
Eine Honorarvereinbarung kann grundsätzlich das Sittengesetz nicht verletzen, wenn sie zu einem aufwandsangemessenen Honorar führt (BGH Urteil vom 03.04.2003 aaO).
Die äußerste Grenze eines angemessenen Honorars ist überschritten, wenn der Auftragnehmer seinen Aufwand in grober Weise eigensüchtig aufbläht und das Wirtschaftlichkeitsgebot wissentlich außer Acht lässt.
Das ist der Fall, wenn die äußerste Grenze eines aufwandsangemessenen Honorars um etwa das Doppelte überschritten wird.“
Gerade letztere Beurteilung ist in der Praxis so gut wie überhaupt nicht anzutreffen und deshalb besteht Veranlassung, auch diesen BGH-Beschluss zu überdenken, was eine Urteilsfindung „Im Namen des Volkes“ angeht.
D.H.
@D.H.
„Das ist der Fall, wenn die äußerste Grenze eines aufwandsangemessenen Honorars um etwa das Doppelte überschritten wird.“
Du hast vorstehend aus dem BGH-Beschluss vom 24.07.2003 (IX ZR 131/00) zitiert.
Unterstellt man als „aufwandsangemessenes“ Honorar nur einmal das, was nach Kürzung die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers als Schadenersatzverpflichtung unterstellt, so werden mit dem Doppelten davon die werkvertraglich erhobenen Einwendungen, was die vergleichbaren Relationen angeht, ad absurdum geführt. Das ist leicht erkennbar, denn das Doppelte des zugebilligten Honorars liegt bei 1599,36 € und die Kürzung liegt bei 3,86 % des tatsächlich abgerechneten Honorars. Angesichts solcher entlarvenden Relationen wird das Urteil des AG Heinsberg noch verständlicher.
Dipl.-Ing. Harald Rasche
Bochum + Toppenstedt
Hallo, Herr Kollege Rasche,
fasse ich alle Kommentierungen zu diesem bemerkenswerten Urteil des AG Heinsberg einmal zusammen, so gewinne ich den Eindruck, dass Zehntausende von Rechtsstreitigkeiten rund um das rechtswidrig gekürzte Sachverständigenhonorar überflüssig waren, weil die Gerichte von schadenersatzrechtlich nicht beurteilungsrelevanten Kriterien ausgegangen sind.
Wäre das im Interesse der Öffentlichkeit nicht einer Headline wert, was allein schon die damit verschleuderten Steuergelder, sowie auch Einkommens-und Umsatzsteuer angeht? Unsere Bundeskanzlerin wird einem solchen pervertierten Wachstumsgedanken sicher nicht das Wort reden wollen. Und warum hat sich bisher die Justiz gegen eine solche Vergewaltigung nicht gewehrt? Allein Fortbildung auf www. captain-huk.de hätte schon gereicht.-
MfG
Katrin v. T.
Urteil aus 2012, da lachen doch die Richter, welche willkürlich, konstruiert diktieren! In Halle hat eine Richterin selbst bei bezahlter Rechnung (im Rahmen vom Mittelwert der VKS Befragung) den Geschädigten auf dem Gekürzten (nach BGH 50/15 mit Mittelwerten aus dem BVSK und dem JVEG in den Nebenkosten) sitzen lassen und das LG wird per Beschluss den Rosinenpickerunsinn bestätigen. Es interessiert kein regionaler Markt oder 249 BGB mehr. So wird auch ein Kenntnisstand ex ante dem Geschädigten zu dieser Rosinenpickerei unterstellt.
Auch im hiesigen Urteil ist es unverständlich, denn es fehlt das Wort „erfüllungsstatt“ : „Dem steht auch nicht entgegen, dass der Sachverständigen bei eigener Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche nach Abtretung durch den Geschädigten die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit und Angemessenheit seiner Vergütungsbemessung trägt (vgl. BGH, Urteil vom 4. 4. 2006 – X ZR 80/05). Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend gerade nicht gegeben.“
@ Iven Hanske
„Dem steht auch nicht entgegen, dass der Sachverständigen bei eigener Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche nach Abtretung durch den Geschädigten die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit und Angemessenheit seiner Vergütungsbemessung trägt (vgl. BGH, Urteil vom 4. 4. 2006 – X ZR 80/05).“
Danke für den Hinweis, denn richtig dürfte sein, dass der Sachverständige nicht seine Vergütungsansprüche geltend macht, sondern den restlichen Schadenersatzanspruch des Geschädigten auf Erstattung entstandener Sachverständigenkosten. Andernfalls hätten wir es mit einer werkvertraglichen Auseinandersetzung zu tun.
Claudia
# Claudia,
Bei Abtretung erfüllungsstatt = Schadensersatz (was auch Vergütungsanspruch genannt werden darf) mit Beweislast des Gutachters ohne Indizwirkung der Rechnung, denn der Geschädigte hat keine Zahlungsverpflichtung und kann auch keine Ansprüche zum Regress (Vorteilsausgleich) anbieten bzw. an den Versicherer abtreten.
Bei Abtretung erfüllungshalber = Schadensersatz mit Beweislast des Gutachters durch die bestehende Indizwirkung der Rechnung, wenn die Rechnung zum Markt plausibel ist, denn der Geschädigte ist zur Zahlung der Rechnung verpflichtet (besteht Zahlungsverpflichtungen) und kann seine Regressansprüche gegen den Gutachter an den Versicherer abtreten.
Bezahlte Rechnung = Abtretung erfüllungshalber, nicht bezahlte Rechnung = Abtretung erfüllungsstatt.