Mit Urteil vom 16.04.2009 (915 C 265/08) hat das AG Hamburg-St. Georg die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.931,41 € zzgl. Zinsen sowie weiterer vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab. Es ist davon auszugehen, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt wurde.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten aus den § 7 StVG, § 115 WG, 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Unter Berücksichtigung der Teilzahlung der Beklagten in Höhe von EUR 1.225,70 steht dem Kläger gegen die Beklagte noch ein erstattungsfähiger Schaden in Höhe von EUR 1.931,41 zu. Bei Außerachtlassung der vorbezeichneten Teilzahlung liegt bezüglich der Mietwagenkosten ein erstattungsfähiger Schaden in Höhe von EUR 3.157,11 vor.
Mietet ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall ein Ersatzfahrzeug, kann er nach § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB die dafür erforderlichen Mietwagenkosten verlangen. Erforderlich sind dabei die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BGH Urteil vom 14.10.2008, Az.: VI ZR 308/07). Bei der Prüfung der Erforderlichkeit ist zudem der auf § 242 BGB zurückgehende Rechtsgedanke des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB anzuwenden: Wenn der Geschädigte die Höhe der Kosten für die Schadensbeseitigung beeinflussen kann, ist er unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen.
Zwischen den Parteien ist streitig, wie hoch der marktübliche „Normaltarif“ für eine 31-tägige Miete eines Fahrzeugs der „Gruppe 6″ (nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2006) ist. Normaltarife sind unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten für Selbstzahler gebildete Tarife, die günstiger als so genannte „Unfallersatztarife“ sind. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO legt das Gericht seiner Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten die in dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 für das Postleitzahlengebiet der Anmietstation (21509) ausgewiesenen Mietpreise zu Grunde.
Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006, dessen Werte sich aus Erhebungen ergeben, die bei Mietwagenuntemehmen im maßgeblichen Postleitzahlenbereich vorgenommen worden sind, stellt eine geeignete Schätzungsgrundlage zur Ermittlung des „Normaltarifes“. Die allgemeinen Bedenken, welche die Beklagte an der Verwendung des Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 geäußert hat, führen nicht zu seiner mangelnden Geeignetheit (vgl. für die Anwendbarkeit AG Oldenburg, Urteil vom 27.03.2008, Az.: 23 (22) C 99/08; OLG Karlsruhe, VersR 2008, 2369, 2372, vgl. auch BGH, Urteil vom 14.10.2008, Az.: VI 308/07). Eine realistischere Erkenntnismöglichkeit zur Ermittlung von Mietwagenkosten als eine allgemeine Umfrage unter den Mietwagenunternehmen ist nicht ersichtlich.
Die von der Beklagten angeführte Studie des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation IAO ist demgegenüber als Schätzungsgrundlage weniger geeignet. Sie weist gegenüber des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 lediglich den Vorteil auf, dass die Mietwagenunternehmen unter Vorspiegelung eines realen Mietinteresses, d.h. anonym, um Mitteilung der jeweiligen Mietpreise gebeten wurden. Im Hinblick auf die Repräsentativität bestehen gleichwohl Bedenken. Insbesondere die ermittelten Internetpreise sind nicht geeignet, die marktübliche Miete wiederzugeben. Diesbezüglich wurden lediglich sechs Vermietungsunternehmen in die Untersuchung einbezogen. Nach Angaben des „Bundesverbandes der Autovermieter Deutschland e. V.“ gab es im Jahr 2007 etwa 570 Mietwagenunternehmen in Deutschland. Es verbleibt daher ein erheblicher Teil, der trotz Internetpräsenz unberücksichtigt blieb. Darüber hinaus ist die Studie des Fraunhofer Instituts nicht praxistauglich. Die gängige Rechtsprechung legt zur Ermittlung der Höhe eines Marktpreises das gewichtete Mittel (Modus) zugrunde. Aus den Tabellen der von Beklagtenseite vorgelegten Studie geht jedoch nur Mittelwert hervor. Dieser trifft keine Aussage über den am häufigsten genannten Wert. Ausweislich des auszugsweise vorgelegten Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 (Bl. 119 ff. d.A.) liegt der Modus regelmäßig deutlich über dem arithmetischen Mittel, sodass die in der Studie des Fraunhofer Instituts aufgeführten Werte naturgemäß niedriger sind. Außerdem ist problematisch, dass im Rahmen der Erhebung eine Vorbuchungszeit von einer Woche angenommen wurde. Aus den vorstehenden Gründen handelt es sich bei der Studie des Fraunhofer Instituts nicht um eine unerlässliche fachliche Erkenntnis, die im Rahmen des § 287 ZPO Berücksichtigung zu finden hat und dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 vorzuziehen ist bzw. Zweifel an dessen Geeignetheit aufkommen lässt.
Hinsichtlich von der Beklagten eingereichte Liste der Marktermittlung des „Maximalen Normaltarifs“ ist nicht dargetan, dass diese Liste zuverlässiger in ihren Ergebnissen ist als die Ergebnisse des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006. Gegen sie spricht zum einen, dass sie nicht nach den unterschiedlichen Anmietstationen differenziert, was aber erforderlich wäre, da die Preise ortsabhängig stark variieren können. Zum anderen spricht gegen sie, dass sie allein Internetangebote der vier größten Autovermieter abbildet, was die tatsächlich vorhandene Marktpräsenz nicht ansatzweise wiedergibt. Auch der Gesichtspunkt, dass eine Buchung über das Internet zumeist günstiger ist, als eine persönliche Anbuchung, spricht gegen die genauere Abbildung der zur Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Marktsituation.
Es war hier auch kein Sachverständigengutachten zum Beweis, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 nicht die tatsächlichen Marktpreise abbilde, einzuholen. Das Beweismittel ist nämlich zum Beweis der behaupteten Tatsache ungeeignet. Auch ein vom Gericht zu bestellender Sachverständiger müsste zur Ermittlung der Marktpreise für einen bereits vergangenen Zeitraum eine Befragung im einschlägigen Postleitzahlenbereich ansässigen Mietwagenunternehmer durchführen. Damit wären aber dieselben Fehlerquellen und Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, die die Beklagte auch im Rahmen des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 befürchtet. Neue Erkenntnisse sind deshalb durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zu erwarten.
Nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 ist abzustellen auf den jeweils aufgeführten Modus-Wert, d.h. den Wert, der im maßgeblichen Bereich am häufigsten genannt wurde. Dieser liegt im Postleitzahlenbereich „215″ (= Anmietstation) bei einem Tagespreis von EUR 95,- brutto. Damit ergibt sich ein Betrag in Höhe von EUR 2.945,- brutto für 31 Tage, wobei allerdings aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung von 16 % auf 19 % ab dem 01.01.2007 dieser Betrag auf EUR 3.021,16 inklusive 19 % Mehrwertsteuer zu erhöhen ist. Der Kläger muss sich insoweit auch nicht auf den günstigeren Wochentarif verweisen lassen. Da der Kläger hier nur mit einer Reparaturdauer von drei Tagen entsprechend des Gutachtens rechnen musste, war ihm auch nicht von vornherein möglich, ein Mietfahrzeug zu einem günstigeren Wochentarif anzumieten.
Der Kläger hatte einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten für 31 Tage. Der Kläger hat die Reparatur des Fahrzeugs zügig, nämlich bereits am Unfalltag, in Auftrag gegeben. Die Reparatur dauerte 31 Tage. Dass diese tatsächliche Reparaturdauer erheblich von der gutachterlich veranschlagten Reparaturdauer abwich, ist nicht dem Kläger zuzurechnen. Für das Gericht steht fest, dass sie sich aus nicht von dem Kläger zu vertretenen Gründen verzögert hat, sondern Lieferschwierigkeiten von Ersatzteilen des Großhändlers D. ursächlich sind. Die letzte Lieferung der erforderlichen Ersatzteile erfolgte erst am 04.12.2007. Mietwagenkosten werden bis zum 07.12.2007 geltend gemacht.
Von dem danach erstattungsfähigen Normaltarif in Höhe von EUR 3.021,16 sind die während der Mietdauer ersparten Eigenaufwendungen abzuziehen, die das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 5 % (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 02.03.2007, Az.: 306 S 16/06), also EUR 151,06 schätzt. Es verbleibt damit ein erstattungsfähiger Schaden in Höhe von EUR 2.870,10.
Nicht hinzuzurechnen waren hier die Nebenkosten wie die Kosten der Bring- und Abholkosten sowie der Kosten für eine Vollkaskoversicherung. Diese Kosten sind für den Kläger nicht konkret angefallen, so dass sie auch nicht als im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderliche Kosten angesehen werden können. Ausweislich der Mietwagenrechnung vom 15.12.2007 hat der Kläger eine Haftungsbegrenzung nicht abgeschlossen.
Auch die Kosten für die Anmietung eines Anhängers entsprechend der Mietwagenrechnung vom 15.12.2007 waren nicht ersatzfähig. Inwieweit diese infolge des Unfallgeschehens entstanden sind und sich als adäquate Schadensfolge darstellen, ist nicht vorgetragen.
Zwar kann im Hinblick auf die Besonderheiten der Unfallsituation und des Unfallersatzgeschäftes ein Aufschlag auf den Normatarif gerechtfertigt sein. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen nämlich eine Vielzahl von speziellen Kosten und Risikofaktoren des Unfallersatzgeschäfts einen gegenüber dem Normaltarif erhöhten Tarif. Diese ergeben sich insbesondere aus der Fahrzeugvorhaltung auch schlechter ausgelasteter Fahrzeuge, dem Erfordernis der Einrichtung eines Notdienstes, erhöhten Kosten für die Zustellung und Abholung der Fahrzeuge, an Vermittler zu zahlende Provisionen, dem Beschädigungsrisiko bei Fahrzeugen ohne Kreditkartensicherheit, dem erhöhten Unterschlagungsrisiko, der Forderungsvorfinanzierung, dem Risiko des Forderungsausfalls nach geänderter Bewertung der Haftungsanteile des Kunden am Unfallgeschehen, einem erhöhten Verwaltungsaufwand sowie dem Erfordernis der Umsatzsteuervorfinanzierung. In seinem Schriftsatz vom 27.01.2009 hat der Kläger diese Punkte im Wesentlichen auch angeführt. Der Aufschlag ist aber nicht in jedem Einzelfall der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges quasi automatisch zuzuerkennen. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung des Klägers, inwieweit die vorgenannten Zusatzleistungen durch den von ihr gewählten Autovermieter angeboten und von der Klägerin auch in Anspruch genommen worden sind. Dies hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 27.01.2009 aber nicht getan, sondern diese die Gesichtspunkte nur als solche angeführt, die im Allgemeinen einen Aufschlag rechtfertigen können. Aus dem Vortrag des Klägers insgesamt, nämlich dass das Fahrzeug unmittelbar am Unfalltag angemietet worden ist, am Standort der Werkstatt zur Verfügung gestellt worden ist, dass die Mietzeit nicht vorher absehbar war und das die Mietwagenkosten nicht durch den Kläger vorfinanziert werden mussten, ergeben sich aber hinreichend konkrete Gesichtspunkte, die einen Mehraufwand rechtfertigen. Diesen Mehraufwand schätzt das Gericht vorliegend auf 10 %. Zuzüglich dieser 10 % ergibt sich ein erstattungsfähiger Schaden in Höhe von EUR 3.157,11.
Der Kläger könnte im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung einen den Normaltarif übersteigenden Tarif ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich war. Hierfür fehlt es jedoch an einer Darlegung des Klägers.
Damit ergibt sich insgesamt ein erstattungsfähiger Betrag in Höhe von EUR 3.157,11. Abzüglich der vorgerichtlich gezahlten EUR 1.225,70 verbleibt ein erstattungspflichtiger Schaden von EUR 1.931,41.
Der Anspruch auf Erstattung außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht dem Grunde nach gemäß §§ 7 StVG, 249 ff. BGB, der Höhe nach in Höhe von EUR 718,40. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war hier erforderlich. Aus Sicht des Geschädigten bestanden angesichts der nach der Höhe unklaren Ersatzansprüche vernünftige Zweifel, dass der Schaden nach Anmeldung reguliert würde. Die Kosten ergeben sich ausgehend von einer 1,3 Geschäftsgebühr inklusive Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer nach einem Gegenstandswert von EUR 8.137,30, der sich aus den unstreitig angefallenen Reparaturkosten in Höhe von EUR 4.472,29, den Sachverständigenkosten in Höhe von EUR 487,90, der Unkostenpauschale entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Hamburger Gerichte in Höhe von EUR 20,- sowie den berechtigten Mietwagenkosten in Höhe von EUR 3.157,11 (siehe oben) zusammensetzt.
Soweit das AG Hamburg-St. Georg.
Auch nach dem besagten Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg (14 U 175/08), welches mir nicht vorliegt, wird in Hamburg in den Eingangsinstanzen offensichtlich anders geurteilt.
Dieses Urteil des AG Hamburg-St. Georg ist nachvollziehbar begründet. Möglicherweise kann man damit rechnen, dass es hier im Norden zu höchst unterschiedlichen Rechtsauffassungen der einzelnen Gerichte kommt.
Ich hoffe mit Ihnen, dass das so sein wird. Das hier wiedergegebene Urteil AG HH-St.Georg ist allerdings vom 16.4., das vom OLG vom 15.5., zugestellt am 26.5.09.