Mit Urteil vom 22.11.2016 (716a C 380/16) hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek die Halterin des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten in Höhe von 116,41 € zzgl. Zinsen sowie den Kosten einer Halteranfrage sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt.
Das Urteil ist insoweit erfreulich, als dass nach dem Pinocchio-Urteil des BGH (VI ZR 50/15) offensichtlich eine große Anzahl von Amtsgerichten diesen Unsinn kritiklos übernimmt (zB: keine Gewinnanteile bei den Nebenkosten, Nebenkosten nur in Höhe einer Plausibilitätskontrolle, Differenzierung von Grund- und Nebenkosten, etc.). Dies wird auch daran erkennbar, dass bei CH die Veröffentlichung aktueller Urteile nach der BGH Entscheidung deutlich abgenommen hat.
Der Schrott vom BGH sollte eine Herausforderung sein.
Erstritten wurde das Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile in Hamburg.
Die Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht des Geschädigten X aus dem Unfallgeschehen vom …… in der …… in Hamburg zwischen dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …….. und dem Fahrzeug der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen ……. weitere Sachverständigenkosten in Höhe von 116,41 € gemäß den §§ 398 BGB 7, 17 StVG von der Beklagten erstattet verlangen.
Die volle Haftung der Beklagten aus dem Unfallgeschehen vom ….. ist zwischen den Parteien unstreitig. Es geht nur noch um restliche Sachverständigenkosten.
Die nach dem Unfall regelmäßig anfallenden Kosten für die Ermittlung der Höhe des eingetretenen Sachschadens gehören zu den nach § 249 II BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Dies ist vorliegend mit Kosten in einem Umfang von 675,23 € netto der Fall.
Zwar ist der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Der Geschädigte ist dabei aber nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Dies würde in der praktischen Umsetzung auch deshalb schwierig sein, da sich jedenfalls das Grundhonorar der meisten Sachverständigen nach der Schadenshöhe berechnet, die bei Auftragserteilung gerade noch nicht bekannt ist, sondern erst ermittelt werden soll. Deshalb können Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten nur erhoben werden, wenn den Geschädigten ein Auswahlverschulden trifft oder die Überhöhung evident und für den Geschädigten als Laien erkennbar ist.
Nach BGH vom 22.07.2014 – VIZR 357/13 kommt der Rechnung über die Sachverständigenkosten eine entsprechende Indizwirkung für die Erforderlichkeit zu, wenn der Geschädigte den Sachverständigen bereits bezahlt hat. Dies ist vorliegend jedenfalls in Höhe von 116,41 € nicht der Fall. Andererseits weist der BGH in seiner Entscheidung darauf hin (Rn 14), dass der Anspruch des Geschädigten auf Befriedigung seines Finanzierungsbedärfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht lediglich auf den Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet ist. Für die Frage der Erforderlichkeit der eingegangenen Verbindlichkeit gegenüber dem Sachverständigen ist entscheidend, ob die im Raum stehenden Kosten vom Standpunkt eines verständigen wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann.
Vorliegend geht das Gericht von einer wirksam getroffenen Honorarvereinbarung zwischen dem Geschädigten und der Klägerin aus. Dem Geschädigten obliegt im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsschluss geforderten oder später berechneten Preise (BGH vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15). Da die vereinbarten und berechneten Preise sich noch im Rahmen der BVSK-Tabelle bewegen, wäre der Geschädigte bei angestellter Plausibilitätskontrolle zu dem Schluss gelangt, dass auch die überwiegende Anzahl der anderen Sachverständigen die ihm in Rechnung gestellten Entgelte berechnen würden. Er hätte also keine Veranlassung zu der Annahme gehabt, die von ihm verlangten Preise seien überhöht und stünden außer Verhältnis zur Leistung. Schließlich kommt es auf die Frage, ob und welches Honorar üblich und angemessen im Sinne des § 632 II BGB ist, im Rahmen des Schadensersatzprozesses nicht an. Maßgeblich ist allein, ob sich die Sachverständigenkosten nach den anzuwendenden schadenrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten.
Dass vorliegend eine evidente Überteuerung des Sachverständigengutachtens vorliegt, kann das Gericht nicht erkennen. Die Menge der Rechtsstreitigkeiten über einen noch ausstehenden Bruchteil der Sachverständigenkosten und die dazu ergangenen – zum Teil sich widersprechenden – Urteile machen deutlich, wie vielschichtig und unübersichtlich diese Thematik ist und wie unterschiedlich das Thema rechtlich beurteilt wird. Ein Laie, der in der Regel keine Kenntnis von diesen Rechtsstreitigkeiten hat, wird daher nicht beurteilen können, ab welcher Höhe Foto- und Fahrtkosten noch angemessen oder schon überhöht sind oder wie viele Fotos üblicherweise ein Gutachten enthält. Aus der Vielzahl der Rechtsstreitigkeiten aus dem Verkehrszivilrecht ist dem Gericht auch nicht bekannt, dass Sachverständige deutlich unter den hier streitigen Sätzen und Preisen abrechnen. Würde der Geschädigte zuvor im Internet eine kurze Recherche durchführen, stieße er bereits bei dem ersten Suchbegriff auf die BVSK-Honorartabelle.
Dass in diesem Fall eine evidente Überteuerung des Sachverständigengutachtens vorliegt, kann das Gericht weder für das Grundhonorar noch für die berechneten Nebenkosten erkennen. Jedenfalls wäre für den Geschädigten nicht von vornherein erkennbar gewesen, dass die Abrechnungsart des Sachverständigen willkürlich überhöht und im Missverhältnis zur Leistung stünde. Die Nebenkosten fallen vielmehr bei einer nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung nicht aus dem Rahmen, so dass die Grenze der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 II BGB überschritten wäre. Bei der Frage, wann von erkennbar überhöhten Preisen auszugehen ist, ist nicht auf Einzelpositionen abzustellen, sondern die Überhöhung des Sachverständigenhonorars im Rahmen einer Gesamtbetrachtung – ausgehend von dem Rechnungsendbetrag – zu beurteilen. Denn die Gegenleistung zur Gutachtenerstellung ist der Rechnungsendbetrag als verlangte Leistung. Eine andere Vorgehensweise würde dort zu eigenwilligen Ergebnissen, wo ein Sachverständiger ein sehr niedriges Grundhonorar mit deutlich höheren Nebenkosten abrechnet, obwohl er im Ergebnis genauso viel oder weniger als ein anderer Sachverständiger berechnet (vgl. auch LG Hamburg vom 09.04.2015 – 323 S 45/14). Diese Betrachtung steht auch keineswegs den Ausführungen des BGH in VI ZR 50/15, Rn 14 entgegen, in denen der BGH lediglich ausführt, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts und der von diesem vorgenommenen Schätzung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
Unabhängig davon, dass es im Rahmen des Schadensersatzprozesses gerade nicht – wie im Werkvertragsrecht – darum geht, welche Aufwendungen tatsächlich angefallen sind und was als angemessen anzusehen ist, ist auch zu berücksichtigen, dass gerade Fotos des Sachverständigen von gehobener Qualität sein müssen. Denn bei einer umfassend streitigen gerichtlichen Auseinandersetzung über den Hergang des Unfalls stehen bei Bestellung eines Sachverständigen durch das Gericht oft nur noch die Fotos aus dem Parteigutachten zur Verfügung, etwa, weil das Fahrzeug inzwischen veräußert oder repariert wurde. Das Regulierungsverhälten der gegnerischen Haftpflichtversicherung und die unterschiedlichen denkbaren Konstellationen des (zulässigen) Bestreitens sind für den Geschädigten nicht vorhersehbar. In einem derartigen Fall sind dann auch mehrere Foto hilfreich, die vielleicht bei einer „unstreitigen“ oder problemlosen Regulierung nicht alle erforderlich wären. Der Geschädigte muss den erforderlichen Umfang der Beweissicherung zugunsten des Schädigers nicht einschränken.
Keineswegs kann der Schädiger den Geschädigten darauf verweisen, dass er – da sein Fahrzeug fahrfähig ist – selbst zum Sachverständigen fährt, um zugunsten des Schädigers die Abrechnungsposition Fahrtkosten zu ersparen.
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 I, 288 I BGB.
Die angefallenen Kosten für die durchgeführte Halteranfrage kann der Geschädigte ebenfalls erstattet verlangen. Der Geschädigte muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass er die gegnerische Haftpflichtversicherung in Anspruch nehmen kann und in dem Fall die Kosten erspart werden könnten. Der Geschädigte ist insoweit frei in seiner Entscheidung, wen er in Anspruch nimmt und ggfls. verklagt. Dass die Klägerin mit dieser Tätigkeit gegen das RDG verstoßen hat, kann das Gericht nicht erkennen.
II.
Die Beklagte ist auch zur Freihaltung der Klägerin von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 70,20 € gemäß den §§ 280 I, 286 I, 249 II, 257 BGB verpflichtet. Die Klägerin brauchte nach der vorgerichtlichen Zahlungsverweigerung der Beklagten nicht gleich den Klageweg zu beschreiten, sondern durfte einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen. Nicht selten wird eine Zahlungsverweigerung nach Aufforderung durch einen Rechtsanwalt erneut geprüft und die Rechtslage sodann anders beurteilt oder aber lediglich zur Vermeidung eines Rechtsstreits gezahlt. Das Gericht erachtet eine 1,3 Gebühr für angemessen. Die Beklagte hat den ihr gemäß § 14 I S.4 RVG obliegenden Beweis für die Unbilligkeit nicht geführt.
Schließlich ist nicht erkennbar, dass eine Aufteilung des ursprünglichen Gesamtauftrages erfolgt ist unter Verletzung des § 15 RVG. Bei den hier geltend gemachten Anwaltskosten handelt es sich um eigene nicht vom Geschädigten abgetretene Kosten der Klägerin, so dass es sich schon nicht um dieselbe Angelegenheit handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 I, 269 III ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 IV ZPO nicht vorliegen.
Soweit das AG HH-Wandsbek.
Hallo, Babelfisch,
da steht zunächst richtig in den Entscheidungsgründen:
„Zwar ist der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.“
Daran ist wichtig:“Im Rahmen des ihm Zumutbaren“ ! Was ihm jedoch diese HUK-Coburg-Versicherung zumutet, sprengt den wohl damit gemeinten Rahmen deutlich und unterstellt dem Unfallopfer regelmäßig einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht, wobei man sehr wohl überlegt jedoch den Vorwurf eines Auswahlverschuldens meidet. Schon das passt nicht zusammen. Also wird versicherungsseitig ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht wohl darauf abgestellt, dass das Unfallopfer einen Sachverständigen beauftragt hat, der nicht nach einem „Pauschalpreisvertrag“ auf Basis des unüberprüfbaren HUK-Coburg Tableaus mit angeblichen bundeseinheitlichen „Durschnittswerten“ nach Vorstellungen dieser Versicherung abgerechnet hat. Dabei wird versicherungsseitig ein „Routinegutachten“ unterstellt, was immer man darunter verstehen mag. Allerdings sind verkehrsfähige Beweissicherungs-Gutachten nach den sog. Mindestanforderungen keine „Routinegutachten“ , wie jeder Fachman weiß und da fehlt es den „Experten“ der HUK-Coburg-Versicherung offenbar selbst an einer grundsoliden Sachkunde. Bekanntlich hat u.a. die Berufungskammer des LG Bochum diese Trickserei durchschaut und und als das bewertet, was sie ist: Eine raffinierte Mogelpackung, wenn auch anders formuliert. Da ist dem Herrn Vorsitzenden, Prof. Dr. Dieter Coburger vollinhaltlich sogar zuzustimmen. Allein diese Bezugnahme der HUK-Coburg müsste jeden Antrag auf Klageabweisung schon zu Fall bringen, da ein solcher Vortrag ins Blaue hinein schadenersatzrechtlich bekanntlich unerheblich ist sowie unplausibel obendrein, wenn z.B. der Kürzungsbetrag vorprozessual als „nicht erforderlich“ behauptet wird und im Falle eines Prozesses diese angebliche Nichterforderlichkeit sich begrifflich wandelt in eine exorbitante „Überhöhung“. Da muss sich doch selbst jeder auch nur halbwegs logisch denkende Mensch die Augen reiben angesichts eines solchen geradezu virtuosen Austausches von Begrifflichkeiten, von der damit auch verbundenen dreisten Diffamierung einmal ganz zu schweigen. Dass da auch zunehmend der Richterschaft ein Licht aufgeht, ist nunmehr mit häufiger Wiederholung erfreulicherweise festzustellen. Inhalt und Sinn des § 249 S. 1 BGB
kann auch eine HUK-Coburg Versicherung zwecks Profitmaximierung nicht einfach zu Asche werden lassen.
Was jedoch sichtbar und zunehmend erfühlbar wird, ist ein kratertiefes Defizit an sozialer Kompetenz, wenn es u.a. auch am Stammsitz in Coburg offenbar noch übertüncht werden kann.
HR