Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
auch die Zurich Versicherung hat offenbar von der HUK-Coburg die Unart übernommen, die Sachverständigenkosten nur zum Teil zu erstatten. Obwohl die Haftungsfrage nachdem Unfall vom 26.9.2011 in Hildesheim klar ist, wird der Schadensersatz des Geschädigten nicht zu 100 Prozent erfüllt. Von den Sachverständigenkosten in Höhe von 544,43 € wurden lediglich 396,51 € erstattet, so dass ein Restbetrag von 147,92 € verblieb. Diesen Schadensersatzbetrag klagte der Sachverständige, an den der Restschadensersatzanspruch abgetreten worden war, mit Erfolg bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Hildesheim ein. Lest nachstehend das Urteil vom 13.7.2012 aus Hildesheim zum Thema Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Verkündet am 13.07.2012
Hildesheim
Geschäfts-Nr.:
43 C 70/12
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin,
gegen
Zurich …
Beklagte,
hat das Amtsgericht Hildesheim durch den Richter am Amtsgericht … im Verfahren gem. § 495 a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 18.06.2012
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 147,92 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2011 zuzahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Hannover entstandenen Mehrkosten, die der Klägerin auferlegt werden.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand und Entscheidunasgründe
(abgekürzt gemäß §§ 313a Abs. 1,495a ZPO)
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht restlichen Schadensersatz nach Verkehrsunfall.
Die Einstandspflicht der Beklagten gemäß § 7 StVG, § 115 VVG ist dem Grunde nach unstreitig; streitig ist alleine die vollständige Erstattung der Sachverständigenkosten.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht gemäß § 7 StVG, § 115 VVG, §§ 249, 398, 631 f BGB einen Anspruch auf Bezahlung der angefallenen Sachverständigenkosten gemäß Rechnung … vom 27.09.2011 (Anlage K 2) in Höhe von € 544,43; abzüglich der von der Beklagten erbrachten Teilzahlung von € 396,51 errechnet sich die Klageforderung in Höhe von € 147,92.
Der bei dem Verkehrsunfall am 26.09.2011 durch den Versicherungsnehmer der Beklagten geschädigte … seine Schadensersatzforderung gegen die Beklagte wirksam an den Sachverständigen und dieser weiter an die Klägerin abgetreten. Gegen die gemäß § 398 BGB wirksame Abtretung werden keine Einwendungen erhoben.
Nach § 249 BGB hat der Geschädigte ohne Abstriche einen Anspruch auf Wiederherstellung des hypothetisch schadensfreien Zustandes; gemäß § 249 Abs.2 BGB kann er Geldersatz unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verlangen. Zu den erstattungsfähigen Schadensersatzkosten des Geschädigten gehören unstreitig die Sachverständigenkosten, die ein verständiger und wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf; er ist nicht zu einer „Marktforschung“ verpflichtet. Eine Grenze ist erst dann erreicht, wenn auch für den Geschädigten bei zumutbarer Aufmerksamkeit erkennbar gewesen wäre, dass ein Sachverständiger ein überhöhtes – geradezu willkürlich festgesetztes – Honorar nehmen wird. Das Gericht kann gemäß § 287 ZPO die Erforderlichkeit der zu erstattenden Kosten schätzen; im Rahmen der Schätzung kann das Gericht auch Tabellen heranziehen, ohne dass es aber daran gebunden wäre.
Die Rechnung des Sachverständigen ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die dagegen von der Beklagten erhobenen Einwendungen greifen im Ergebnis nicht durch. Sie könnten allenfalls erheblich sein, wenn der Geschädigte durch die Beauftragung des Sachverständigen gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hätte. Das ist hier aber unzweifelhaft nicht der Fall gewesen.
Die Kosten des Sachverständigen sind im Verhältnis zum Gutachtenumfang und zur Schadenshöhe noch üblich (§ 632 Abs.2 BGB) und nicht unangemessen (§ 287 ZPO). Aus den von der Klägerin vorgelegten Empfehlungen des Berufsverbandes der Sachverständigen (BVSK) und den von beiden Parteien vorgelegten Urteilen verschiedener Amts- und Landgerichte ergibt sich die Angemessenheit des Honorars. Ergänzend wird auf das am 25.05.2012 gegen die Beklagte ergangene Urteil des Amtsgerichts Hildesheim (Az.: 81 C 1/12) verwiesen.
Es ist zulässig, das Grundhonorar nach Stunden oder pauschal nach der Schadenshöhe zu berechnen; das räumt auch die Beklagte ein.
Bei dem im vorliegenden Rechtsstreit entstandenen Nettoschaden von € 1.141,75 hat nach der BVSK-Honorarbefragung 2011 das Honorar nach HB V Korridor zwischen € 246,00 und € 277,00 gelegen; hierbei handelt es sich um das Honorar, das 50% bis 60% der Sachverständigen in vergleichbaren Fällen abgerechnet haben. Auch wenn es sich hierbei nicht um eine rechtsverbindliche Honorarermittlung handelt, kann danach festgestellt werden, dass von dem Zedenten berechnete Grundhonorar von € 270,00 noch üblich ist.
Außer dem Grundhonorar sind auch die dem Sachverständigen entstandenen Nebenkosten zu erstatten; diese können nach ihrem tatsächlichen Anfall berechnet oder ebenfalls pauschaliert werden. Diese Kosten sind nach ständiger Rechtsprechung nichtin dem Grundhonorar enthalten.
Auch die von dem Sachverständige berechneten Fahrt-, Schreib-, Foto- und sonstigen Nebenkosten bewegen sich noch innerhalb des von dem BSVK ermittelten HB V Korridors. Auch wenn das von der Beklagten vorgelegten Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10.02.2011 (Az.: 13 S 109/10) teilweise zu einem anderen Ergebnis kommt, ergibt sich daraus ebenfalls die Angemessenheit dieser Kosten: ausweislich der Ürteilsgründe ist ein von der Kammer beauftragter Sachverständiger in umfangreichen Ermittlungen zu dem Ergebnis gekommen, dass es zwar kein einheitliches Sachverständigenhonorar gibt, in der Praxis aber die von dem BSVK ermittelten Werte bestätigt werden.
Soweit die Beklagte Fahrtkosten dem Grunde nach pauschal bestreitet, ist die Klägerin dem mit Schriftsatz vom 23.05.2012 substantiiert entgegengetreten. Da die Beklagte nicht bestritten hat, dass der Sachverständige das – ausweislich des Gutachtens nicht mehr verkehrssichere – Unfallfahrzeug in Hildesheim besichtigt hat, ist offenkundig, dass die berechneten Fahrtkosten entstanden sind.
Unter Berücksichtigung aller Umstände sind deshalb die von dem Zedenten angesetzten Grund- und Nebenkosten üblich. Schon gar nicht liegt ein Auswahlverschulden und schuldhafter Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadensminderungspflicht vor.
Die Forderung der Klägerin ist wie erkannt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges in Verbindung mit Mahnschreiben vom 05.12.2011 (Anlage K 6) gemäß §§ 286 Abs.1, 288 Abs.2 BGB zu verzinsen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 281 Abs.3, 708 Nr.11, 713 ZPO. Aufgrund des Streitwertes ist die Berufung nicht zulässig; sie wird auch nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 511 Abs. 4 ZPO offensichtlich nicht vorliegen.
Das Urteil des AG Hildesheim beinhaltet tragfähige Entscheidungsgründe, wenn auch nicht durchgängig, weil lt. BGH zur Höhe des Sachverständigenhonorars unter schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten eine Überprüfung nicht veranlaßt ist und außerdem sicher auch eine Rechnung vorliegt, welche die Erforderlichkeit ausreichend belegt. Deshalb frage ich die kompetenten Juristen sowie die sachkundigen Leserinnen und Leser dieses Blogs, warum denn das Gericht dann noch die erforderlichen Kosten „ex post“ schätzen will und in diesem Zusammenhang glaubt, dabei auf Honorarerhebungen zurückgreifen zu müssen obwohl es für die Beuteilung auf die Situation des Unfallopfers und seine Möglichkeiten zum Zeitpunkt der Beauftragung eines Sachverständigen und damit einzig und allein auf die Sicht „ex ante“ ankommt. Ist das ein so nebulöser Bedingungszusammenhang oder ein Buch mit sieben Siegeln,dass immer wieder Zahlenspiele vergleichend ins Feld geführt werden ? Ich verweise in diesem Zusammmenhang auf den Wortlaut des BGH-Beschlusses, der vor einigen Tagen hier eingestellt wurde.
Aber wenn sich schon ein Gericht veranlaßt sieht, zur Begründung seiner Entscheidung auf Honorarerbungen hinweisen zu müssen, wie ist es dann mit der Beurteilungsmöglichkeit durch das Unfallopfer zu einem viel früheren Zeitpunkt bestellt ? Ein Verstoß gegen die Schadsenminderungspflicht kann unter keinem praktischen Gesichtspunkt vorliegen und was die angebliche „Erforderlichkeit“ der Honorarhöhe angeht, hat meines Wissens bisher ein Versicherer den vorgenommenen Abzug noch nicht einmal ansatzweise dezidiert und ausreichend tragfähig begründet. Ich bin deshalb der Ansicht, dass der, wer etwas bestreitet und was übrigens sein gutes Recht ist, dafür auch den Beweis anzutreten hat und das sollte ihm seites des Gerichts grundsätzlich auch zur Auflage gemacht werden können.
Dipl.-Ing. Harald Rasche
Bochum & Tangendorf (Toppenstedt)
Liebe captain-huk-Redaktion,
man kann dieses Urteil unter verschiedenen Gesichtspunkten ausleuchten und einer davon ist – um beim Thema und beim Kern der Sache zu bleiben – zweifelsohnen der § 249 BGB.
Damit hat auch in diesem Falle die hinter dem Schädiger stehende Haftpflichtversicherung gem. § 249 BGB S. 1 nicht d e n Zustand wieder hergestellt, der bestehen würde, wenn das zum Schadenersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre, sondern unzweifelhaft einen a n d e r e n Zustand nach eigenem Gutdünken ohne eine schadenersatzrechtlich tragfähige Begründung, denn auch nach §249 BGB S. 2 ergibt sich eine solche nicht, weil es im beurteilungsrelevanten Zusammenhang zu einem Zeitpunkt „ex ante“ einzig und allein auf die Sichtweite und die Möglichkeiten des Unfallopfers zum Zeitpunkt der Beauftragung eines Sachverständigen ankommt und nicht auf eine nach Beliebigkeit ausgestaltbare normative Betrachtungsweise „ex post“ der hinter dem Schädiger stehenden Haftpflichtversicherung. Eine solche Handhabung ist nicht nur unredlich, sondern missachtet auch das vom Gesetzgeber Gewollte sowie die Rechtsprechung des BGH und fast aller Instanzgerichte.
H.R.