Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
von geplanten Gesetzesänderungen zugunsten der Versicherer kommen wir nun wieder zu den erforderlichen Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Immer wieder versuchen die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer ihre Schadensersatzleistungen rechtswidrig zu verkürzen, indem sie dem Geschädigten einen Teil der Sachverständigenkosten vorenthalten. Selbst wenn dies im Einzelfall nur geringe Beträge sind, macht dies in der Masse gewaltige Beträge aus, so dass es immer wieder erforderlich ist, auf die rechtswidrigen Kürzungen der Versicherer hinzuweisen. Auch in dem nachfolgend dargestellten Fall wollte die Württembergischische Vers. -AG die Sachverständigenkosten kürzen, obwohl der BGH die Sachverständigenkosten als erforderlichen Herstellungsaufwand bezeichnet hat, den der Schädiger grundsätzlich zu ersetzen hat. Allerdings hat das Gericht übersehen, dass sich der Freistellungsanspruch bei ernsthafter Verweigerung in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Lest das nachfolgend veröffentlichte Urteil aus Kaiserslautern zu den Sachverständigenkosten gegen die Württembergische Vers. und gebt sodann Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Aktenzeichen:
8 C 765/13
Amtsgericht
Kaiserslautern
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
…
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Kaiserslautem durch den Richter … am 11.09.2013 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt die Klägerin von der Forderung der Firma KFz-Sachveretändigengesellschaft … aus der Rechnung Nr. … in Höhe von 175,39 € freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil Ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 175,39 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
I.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
1. Die klagende Partei hat ein Anspruch auf Freistellung von den restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 175,39 € gemäß §§ 257 BGB i.V.m. 7 Abs. 1 StVG.
a)
Die grundsätzliche Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 07.09.2012 bei Homburg für Schäden der klagenden Partei steht zwischen den Parteien unstreitig fest.
b)
Die Beklagte hat auch die volle Höhe der Gutachterkosten (Rechnung des Sachverstandigen vom 14.09.2012) in Höhe von 862,29 € netto zu ersetzen, also über die bereits gezahlten 676,90 € einen weiteren Betrag von 175,39 €. Der Einwand der Beklagten, dass die über einen Betrag von 676,90 € hinausgehenden Gutachterkosten nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. Z S. 1 BGB seien, greift nicht durch.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögenenachteil, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urt. v. 30.11.2004, VI ZR 365/03; LG Kaiserslautern, Urteil vom 14.06.2013, Az. 3 O 837/12). Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (BGH, a.a.O.). Dass die Einschaltung eines Sachverständigen geboten war, wird nicht bestritten. Auch die Höhe der geltend, gemachten Sachverständigenkosten ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, da sie noch dem unterteilen, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist regelmäßig nicht verpflichtet, sich nachdem günstigeten Sachverständigen au erkundigen (LG Kaiserslautern, Urteil vom 14.06.2013, Az.: 3 O 837/12; LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2011, Az. 13 S 26/11, S. 6). Im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht ist der Geschädigte vielmehr gehalten, sich zügig um die Schadensermittlung und -behebung zu kümmern, um Kosten für Nutzungsausfallentschädigung bzw. Mietwagen gering zu halten. Eine umfassende Erkundigungspflicht würde dem zuwider laufen. Dem Geschadigten ist es in diesem Zusammenhang nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und vor Beauftragung eines Sachverständigen mehrere Kostenvoranschläge einzuholen; er trägt jedoch das Risiko, dass sich das Gutachten dann im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH Urteil vom 12.06.2005, Az. VI ZR 132/04, NJW 2005, S. 3134 f.; LG Kaiserslautem, Urteil vom 14.06.2013, Az. 3 O 837/12, S. 11). Zudem ist ein vorab durchgeführter Preisverglelch häufig wenig hilfreich, da sich das Preisgeflecht der Sachverständigenhonorierung nicht ohna weiteres vergleichen lässt, da nicht nur Unterschiede lrn Grundhonorar bestehen, sondern auch in den Nebenkosten.
Der Geschädigte kann grundsätzlich den vollen Ausgleich der Gutachterkosten verlangen, soweit für ihn als Laien nicht erkennbar ist, dass der Preis und Leistung des Sachverständigen in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und ihm insoweit ein Auswahlverschulden zur Last fällt (LG Kaiserslautem, Urteil vom 14.06.2013, Az. 3 O 837/12; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.01.2006, 4 U 49/05, NJW-RR 2006, S. 1029 m.w.N.; AG Hamburg-Harburg, Urteil vom 22.09.2011, 646 C 196/11, DAR 2012, S. 441). Für den Geschädigten als Laie ist im Maßstab eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen regelmäßig nicht erkennbar, dass eine Rechnung eines Sachverständigen – das Vorbringen der Beklagtenseite als zutreffend unterstellt – überhöht sein könnte. Denn anders als etwa bei Mietwagenkosten, bei denen der Gechädigte zum einen die Angebote anderer Anbieter unschwer telefonisch oder im Internet überprüfen kann und zum anderen schon anhand der Tagespreise deutlich überhöhte Tarife bei Aufbringung der erforderlichen Sorgfalt erkennen kann, sind dem Durchschnittsgeschädigten bei Sachverständigen weder die Tarife noch deren Berechnungsmethoden auch nur in Ansätzen bekannt (daher hat der Bundesgerichtshof die Übertragung der Grundsätze zu Mietwegenkosten auf Sachverständigenkosten auch ausdrücklich verneint, BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, NJW 2007, s. 1450, 1452). Eine solche Erkennbarkeit dürfte im Regelfall erst dann in Betracht kommen, wenn die Gutachterkoaten über 25 % der Reparaturkosten betragen. Das ist vorliegend nicht der Fall. Eine Erkennbarkeit einer möglichen Überhöhung der Sachverständigenkosten für den Geschädigten aus anderen Gründen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Ohne gegenteilige Anhaltspunkte kann der Geschädigte grundsätzlich davon ausgehen, dass sich der Sachverständige im Rahmen des ihm eingeräumten billigen Ermessens bei der Bemessung seiner Sachveretändigenvergütung hält. Es ist dem Geschädigten auch nicht zuzumuten, ohne konkreten Anlass eine genaue Aufschlüsselung der vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten zu verlangen, oder es gar auf einen Rechtsstrelt mit dem Sachverständigen hinsichtlich der Angemessenheit dieser Kosten ankommen zu lassen. Hat demgemäß der Geschädigte keinen Hinwels darauf, dass die für das Gutachten in Rechnung gestellten Gebühren völlig aus dem üblichen Rahmen fallen bzw. in keinerlei vernünftigen Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen, so kann er diese Kosten vom Schädiger ersetzt verlangen (OLG Nürnberg, VRS 103 S. 321 ff.).
Darüber hinaus kann die Vergütung auch nicht als unangemessen hoch eingestuft werden.
Schon der Umstand, dass sich die im Streit stehende Sachverständigenhonorierung innerhalb des Preiskorridors der Honorarbefragung des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. für die Jahre 2010/2011 bewegt, spricht gegen deren Unangemessenheit (LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2011, Az. 13 S 109/10; Urteil vom 30.05.08, 13 S 20/08). Hierbei wird klargestellt, dass die Befragung der BVSK-Mitglieder nicht als starrer Maßstab verstanden wird, sondern lediglich als Orientierungshilfe, um die Fälle einzugrenzen, die jedenfalls nicht völlig aus dem Rahmen fallen. Sowohl das von dem Sachverständigen berechnete Grundhonorar als auch die in Rechnung gestellten Nebenkosten liegen innerhalb des sogenannten Honorarbereichs V der BVSK-Honorarbefragung, in dem 50 bis 50 % der befragten Sachverständigen abrechnen.
Ebenso wenig bestehen Bedenken gegen eine Abrechnung der Nebenkosten neben der Pauschalierung des Grundhonorars (vgl. auch: LG Kaiserslautern, Urteil vom 14.06.2013, Az. 3 O 837/12). Es ist nicht ersichtlich, warum die Arbeitsleistung nicht pauschal abgerechnet werden soll und daneben noch die tatsächlich angefallenen Auslagen. Diese Abrechnungsart ist nicht zu beanstanden zumal sie auch von Gebührenordnungen wie zum Beispiel dem RVG gewählt wird. Außerdem sind derartige Feinheiten der Abrechnung für einen verständigen Laien nicht zu erkennen.
Zwar mag es zutreffen, dass Kosten für ein Bild von 2,35 €, für Kopien von 1,70 € oder 3,40 € als Schreibgebühren jedenfalls für Personen, die öfters mit Abrechnungen von Sachverständigen zu tun haben, hoch erscheinen. Das gilt aber nur bei isolierter Betrachtung dieser Positionen. Für einen Laien ist – auch im Maßstab eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen – regelmäßig nicht nachzuvollziehen, welche sonstigen Kostenaufwendungen hinter der Fertigung von Fotos, deren Einfügung in das Gutachten und dem Ausdruck stehen (vgl. AG Hamburg-Altona, Urteil vom 26.09.2011, Az. 314a C 91/11, NJW-RR 2012, S. 231). Gleiches gilt für Schreibkosten, Fahrtkosten und sonstigen Kosten. Auch bewegt sich die Höhe der Nebenkosten innerhalb des Honorarkorridors Ziffer V, in dem je nach Schadenshöhe zwischen 50 und 60 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen. Insoweit gehen die Einwendungen der Beklagtenseite, dass Nebenkosten wie Fahhrtkosten, Kosten der Restwertermittlung, Schreibkosten, Porto- und Telefonkosten sowie Fotokosten erhöht sein sollen bzw. gänzlich nicht zu erstatten seien, ins Leere.
2. Die Klägerin hat keinen Zinsanspruch gemäß § 288 BGB, weil danach lediglich eine Geldschuld zu verzinsen ist und die Klägerin lediglich einen Freistellungsanspruch geltend macht.
II.
Die Kostenentscheidung ergeht aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.
Schade ist in den Entscheidungsgründen der nicht notwendige Prüfungsansatz mit Bezugnahme auf ein Honorartableau. Ansonsten sind die Entscheidungsgründe deutlich als Lehrstunde für die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung anzusehen. Auch aus diesem Urteil wird deutlich, dass der Geschädigte nichts zu beweisen hat bezüglich der Erforderlichkeit und der Auswahl des Sachverständigen.
“ Eine umfassende Erkundigungspflicht würde dem zuwider laufen. Dem Geschadigten ist es in diesem Zusammenhang nicht zuzumuten, “Marktforschung” zu betreiben und vor Beauftragung eines Sachverständigen mehrere Kostenvoranschläge einzuholen;….“
Er kann dies in der Praxis auch überhaupt nicht, wenn er bei der Wahl des Sachverständigen abstellt auf einen versicherungsunabhängigen, qualifzierten und praxiserfahrenen Sachverständigen. Deutlich wird dies aus der schon gelaufenen Kommentierung zu den SSH-Sachverständigen. Die sind zwar freiberuflich sowie merkwürdigerweise öffentlich bestellt und vereidigt, aber „Partner der Autoversicherer“ und damit nicht versicherungsunabhängig. Wichtiger ist aber noch, dass bei einer solchen fiktiven Betrachtung fälschlich unterstellt würde, dass a l l e in gleicher Sache zum gleichen Ergebnis finden würden, von der Qualität der erforderlichen Beweissicherung einmal abgesehen. Eine solche Auswahl ist niemals gleichwertig oder vergleichbar und folglich hat der Geschädigte auch nichts zu beweisen, wie manche Sachbearbeiter von Versicherungen „meinen“. Allein schon die Tatsache, dass die Kosten des Sachverständigen im jeweiligen Fall erst feststehen, wenn er seine Tätigkeit abgeschlossen hat, zeigt, mit welchen verquerten „Argumenten “ hier vor Gericht getrickst wird nach dem Motto:“Man kann es ja mal versuchen“. Das damit verbundene Kostenrisiko wird eh durch unsere Postokasse abgedeckt. Hier brauchen wir souveräne
Richterinnen und Richter, die mit diesem Spuk endlich Schluß machen und von der Justizseite her einen Beitrag leisten, die noch unabhängigen Sachverständigen nicht als Freiwild beliebigen Angriffen der Akteure auf der jeweiligen Beklagtenseite auszusetzen.
Mit Gruß zum Wochenende
G.v.H.
Nicht minder deutlich präsentiert sich das Urteil des AG Kaiserslautern
zusammengefaßt mit folgenden Entscheidungsgründen:
1. “ Der Einwand der Beklagten, dass die über einen Betrag von 676,90 € hinausgehenden Gutachterkosten nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. Z S. 1 BGB seien, greift nicht durch.“
2. „Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögenenachteil, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urt. v. 30.11.2004, VI ZR 365/03; LG Kaiserslautern, Urteil vom 14.06.2013, Az. 3 O 837/12).“
3. „Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen.“
4. “ Auch die Höhe der geltend, gemachten Sachverständigenkosten ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, da sie noch dem unterteilen, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.“
5. “ Im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht ist der Geschädigte vielmehr gehalten, sich zügig um die Schadensermittlung und -behebung zu kümmern, um Kosten für Nutzungsausfallentschädigung bzw. Mietwagen gering zu halten. Eine umfassende Erkundigungspflicht würde dem zuwider laufen.“
6. „Ebenso wenig bestehen Bedenken gegen eine Abrechnung der Nebenkosten neben der Pauschalierung des Grundhonorars (vgl. auch: LG Kaiserslautern, Urteil vom 14.06.2013, Az. 3 O 837/12). Es ist nicht ersichtlich, warum die Arbeitsleistung nicht pauschal abgerechnet werden soll und daneben noch die tatsächlich angefallenen Auslagen. Diese Abrechnungsart ist nicht zu beanstanden zumal sie auch von Gebührenordnungen wie zum Beispiel dem RVG gewählt wird. Außerdem sind derartige Feinheiten der Abrechnung für einen verständigen Laien nicht zu erkennen.“
Noch Fragen ?
Mit freundlichen Grüßen
G.v.H.