Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nun geht es weiter nach Rheinland-Pfalz. Nachstehend gebe ich Euch ein Urteil des Amtsrichters der 142. Zivilabteilung des Amtsgerichts Koblenz zum Thema der restlichen Sachverständigenkosten und zu den geltend gemachten Anwaltskosten nach Nr. 2300 VV RVG bekannt. Der klagende Geschädigte hat aus eigenem Recht den Halter des schadenstiftenden Fahrzeuges wegen des restlichen Schadensersatzes aus dem Verkehrsunfall vom 8.5.2012 gerichtlich in Anspruch genommen. Die eintrittspflichtige Versicherung hatte nur teilweise die Sachverständigenkosten ausgeglichen. Wenn die Versicherung nicht regelgerecht regulieren will, dann muss eben der Halter und Versicherungsnehmer der Versicherung den Rechtsstreit ausbaden. Die Versicherung hat allerdings ihren Anwalt aus Köln mit der Prozessvertretung beauftragt. Das Gericht hat klar festgestellt, dass der Geschädigte bezüglich des von ihm zu beauftragenden Sachverständigen keine Markterkundigungspflichten hat. Das hatte auch schon bereits der BGH in VI ZR 67/06 festgestellt. Bei der Prüfung der Anwaltskosten nach Ziffer 2300 VV RVG ist das Gericht der Ansicht, dass bei einem „normalen Verkehrsunfall“ (was ist aber schon ein normaler Verkehrsunfall?) lediglich eine 1.3 Gebühr gerechtfertigt sei. Das Urteil hat Herr Rechtsanwalt Lutz Imhof aus Aschaffenburg erstritten und dem Autor zur Veröffentlichung in diesem Blog übersandt. Lest selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
142 C 2710/12
Amtsgericht
Koblenz
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
(abgekürzt nach § 313a Abs, 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
M. D. aus N.
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
H. C. GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführerin U. P. aus K.
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt B. M. aus K.
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Koblenz durch den Richter am Amtsgericht … am 08.04.2013 auf Grund des Sachstands vom 08.04.2013 ohne mündliche Verhandlung, gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 143,79 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30,05.2012 sowie weitere 5,10 € zu bezahlen,
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen,
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Der Kläger .nimmt den Beklagten auf Zahlung restlichen Schadensersatzes (Sachverständigenkosten und restliche vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) aus einem Verkehrsunfall vom 08.05.2012 in Koblenz in Anspruch.
Die volle Einslandspflicht der Beklagten für den entstandenen Schaden dem Grunde nach aus §§ 7, 17 StVG, 823 BGB ist zwischen den Parteien unstreitig.
Streiten die Parteien um die Ersatzpflicht hinsichtlich der restlichen Kosten für die Erstattung eines außergerichtlichen Sachverständigengutachtens, so ist die Klage insoweit begründet. Das Gericht verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 2 – 5 bzw. 2 – 4 der jeweiligen Entscheidungsgründe der Urteile des Landgerichts Koblenz vom 09.05.2012 Az. 12 S 267/11; 12 S 215/11 sowie vom 05.02.2013, Az. 6 S 3163/11 und macht sich die hierin enthaltenen Rechtsausführungen zu Eigen.
Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass es der Beklagten freisteht, sich hinsichtlich für überhöht gehaltener Sachverständigengebühren einen etwaigen Rückerstattungsanspruch des Geschädigten gegen den Sachverständigen abtreten zu lassen und diesen selbst gegen den Sachverständigen geltend zu machen.
Hinsichtlich der noch offen stehenden Geschäftsgebühr unterliegt die Klage indessen der Abweisung,
Bei der in Nr. 2300 VV Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG (kurz: VV) geregelten Vergütung handelt es sich um eine Rahmensatzgebühr, auf die § 14 Abs. 1 S. 1 RVG Anwendung findet (Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. , § 14 Rz. 2). Ist nach dieser Vorschrift für bestimmte Vergütungstatbestände ein von den Umständen des Einzelfalles abhängiger Gebührensatz dem Rahmen nach vorgegeben, so ist der Rechtsanwalt berechtigt, die Höhe der im Einzelfall geschuldeten Gebühr innerhalb dieses Rahmens im eigenen Ermessen zu bestimmen. Hat, wie im vorliegenden Fall, ein Dritter die Gebühr dem Auftraggeber zu erstatten, so ist die vom Anwalt vorgenommene Bestimmung nicht verbindlich, falls sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG). Unbillig ist sie nach wohl herrschender Rechtsprechung dann, wenn sie um mehr als 20 % von derjenigen abweicht, die sich unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Bemessungsgrundsätze ergibt (OLG München, MDR 2004, 176; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., RVG , § 14 Rz. 24).
Allerdings sieht das Gesetz bei dem in Nr. 2300 S. 1 VV geschaffenen Vergütungstatbestand eine zusätzliche Binnendifferenzierung innerhalb des von 0,5 bis 2,5 gezogenen Rahmens vor, wonach eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Nr. 2300 S. 1 VV RVG ist damit die gegenüber dem § 14 RVG speziellere Norm, was dazu führt, dass die auf § 14 Abs. 1 S. 3 RVG gegründete Toleranzrechtsprechung angesichts des eindeutigen Wortlauts von Nr. 2300 S. 1 W jedenfalls dort ihre Grenze findet, wo die Voraussetzungen (umfangreiche oder schwierige Angelegenheit) nicht vorliegen. Der Gesetzeswortlaut eröffnet insoweit keinen Ermessens, sondern einen Beurteilungsspielraum , mit der Folge der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit. An diesen klaren Gesetzeswortlaut sieht sich das Gericht ungeachtet der von der Klägerseite bemühten höchstrichteriichen Rechtsprechung (BGH, ZfSch 2011, 465 ff) gebunden.
Die genannten Vorschriften geben Raum für (OLG Jena, Beschluss vom 02.02.2005, Az. 9 Verg 6/04) ein zweistufiges Prüfungsverfahren. Im ersten Schritt ist der für den Streitfall jeweils geltende Rahmen einschließlich der Grenze der Regelgebühr abzustecken und der Gebührenbestimmung des Anwalts gegenüber zu stellen. Im Falle einer Divergenz ist letztere ohne weiteres hinfällig, ohne dass insoweit ein Ermessen zum Tragen kommt. Innerhalb des so bestimmten Rahmens haben die Kostenfestsetzungsinstanzen sodann in einem zweiten Prüfschritt anhand aller Umstände des Einzelfalls die aus ihrer Warte maßgebliche Gebührenhöhe festzulegen, wobei dem zu tolerierenden Ermessen des Anwalts innerhalb, des von der Rechtsprechung entwickelten Toleranzbereichs Rechnung zu tragen ist.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass im ersten Prüfschritt die Frage zu klären ist, ob es sich um eine umfangreiche oder schwierige Angelegenheit gehandelt hat, da nur in diesem Fall die Schwelle der 1,3 Gebühr gemäß Nr. 2300 S. 1 VV RVG überschritten ist. Hierzu ist es mittlerweile als geklärt anzusehen, dass bei der Regulierung eines „normalen“ Verkehrsunfalls der Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr gerechtfertigt ist (BGH, VersR 2007, 265 ff).
Die Voraussetzungen einer die Schwelle der 1,3 Gebühr gemäß Nr. 2300 S. 1 W überschreitenden Angelegenheit sind indessen im vorliegenden Fall vom Kläger nicht dargetan.
Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass die Geltendmachung einer höheren Geschäftsgebühr als 1,3 hier nicht gerechtfertigt und hinfällig ist, ohne dass die Klägerseite sich hier auf eine Überschreitung im Hinblick auf ein anwaltliches Ermessen berufen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §92 Abs. 2 Ziff.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 780 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.