Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
weil ich es nicht lassen kann, veröffentliche ich noch kurz vor dem Aufstellen und Schmücken des Weihnachtsbaumes, das bei uns traditionell in Männerhand ist, und kurz bevor ich mich vom Captain-Huk-Blog für die Weihnachtstage zurückziehe, hier noch ein Urteil aus Köln zu den Sachverständigenkosten gegen den Versicherungsnehmer der Allianz-Versicherungs AG. Wir meinen, dass das erkennende Gericht umfangreich und fundiert begründet hat. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. Nach Urteilen wie diesen kann man nur raten: Hoffentlich nicht Allianz versichert. Ich wünsche den Leserinnen und Lesern dieses Blogs und meinen Mitstreitern frohe Weihnachten und besinnliche Stunden über die Feiertage.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
269 C 97/15 Verkündet am 30.10.2015
Amtsgericht Köln
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des …
Klägers,
gegen
… (Allianz VN)
Beklagte,
hat das Amtsgericht Köln
auf die mündliche Verhandlung vom 09.10.2015
durch den Richter O.
für Recht erkannt:
1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Köln vom 24.07.2015, Az. 269 C 97/15, wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe:
Das Versäumnisurteil vom 24.07.2015 war aufrechtzuerhalten. Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von weiteren Sachverständigenkosten gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, § 115 VVG i.V.m. gegen die Beklagte zu.
Die Ersatzpflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.
Zu dem im Rahmen von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähigen Schaden gehören auch die für die Erstellung eines Schadensgutachtens angefallenen Sachverständigenkosten. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des erkennenden Gerichts diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.
Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. BGH a.a.O.). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02 -, juris). Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90 -, juris). Maßgeblich ist, ob die nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlicher Herstellungsaufwand verlangten Kosten vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet dem Geschädigten, den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage, d.h. angesichts seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung etwaiger gerade für ihn bestehender Schwierigkeiten, als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12 -, juris).
Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachver$tändigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, einen in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.).
Die Forderung des Sachverständigen gegen den Kläger wurde vollumfänglich durch dessen Prozessbevollmächtigte ausgeglichen. Ob diese Zahlung auf Veranlassung des Klägers erfolgte, ist für die mit der Erfüllung der Sachverständigenforderung verbundenen Indizwirkung nicht relevant. Gleiches gilt für die Frage, ob der Kläger die geltend gemachten Gutachterkosten aus eigenen Mitteln beglichen hat. Ein etwaiger Freistellungsanspruch hätte sich aufgrund der ernsthaften und endgültigen Erfullungsverweigerung des Haftpflichtversicherers in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Ob der Sachverständige vor Einreichung der Klage seine Forderung gegenüber dem Kläger erhoben hat, kann deshalb ebenfalls dahinstehen. Eine Parteivernehmung des Klägers zu diesen nicht entscheidungserheblichen Fragen war nicht durchzuführen.
Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris, m.w.N.). Ein Indiz für die Erforderlichkeit bilddet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.).
Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht hierbei grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1996 – VI ZR 138/95 -, juris). Solche Umstände, die für den Kläger erkennbar waren, sind hier nicht dargelegt worden.
Mit diesen Grundsätzen sind, auch im Rahmen der freieren Stellung des erkennenden Gerichts bei der Schadensbemessung nach § 287 Abs. 1 ZPO, die Erwägungen nicht zu vereinbaren, mit denen die Beklagte hier zu einer Kürzung der vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten gelangt ist. Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat das Gericht zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergibt, darf sie nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (vgl. BVerfG NJW 2010, 1870 Rn. 19). Nach diesen Maßstäben durfte die Beklagte nicht die dem Kläger vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Kosten auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes oder der Rechtsprechung zu dieser Thematik kürzen. Nur wenn der Kläger hätte erkennen können, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12 -, juris).
Solche Umstände lagen hier nicht vor. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war der Kläger gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet. Dem Kläger musste auch nicht das Ergebnis der Umfrage bei den Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare oder die Rechtsprechung zu dieser Thematik bekannt sein. Damit fallen aber die geltend gemachten Kosten nicht von vornherein aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrags nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Die Beklagte hätte deshalb vorliegend darlegen und beweisen müssen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung wurde von den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 31.07.2014 unter Fristsetzung zum 14.08.2014 zur Zahlung gemahnt, so dass seit dem 15.08.2014 Verzug besteht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 343 Satz 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Da mit dieser Entscheidung für keine Partei die zur Eröffnung der Berufung führende Beschwer von über 600,00 EUR erreicht ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Zulassung der Berufung zu prüfen, § 511 Abs. 4 ZPO. Die Berufung ist danach nicht zuzulassen gewesen, weil die Rechtssache ihre Entscheidung allein aus den Umständen des vorliegenden Falles gefunden hat und somit weder grundsätzliche Bedeutung besitzt oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, § 511 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ZPO.
Der Streitwert wird auf 262,10 EUR festgesetzt.