Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,
nach dem gestrigen „Schrotturteil“ aus München geben wir Euch zum Sonntag noch ein positives Urteil aus Köln am Rhein zu den Sachverständigenkosten gegen den Versicherungsnehmer der Generali Versicherung bekannt. Leider gebraucht auch hier der junge Richter den Begriff der „Sachverständigengebühren“, obwohl es den, wie er im Examen gelernt hat, nicht gibt. Die Bezeichnung „Gebühren“ und eine etwas exotische Ansicht zu den Nebenkosten trüben leider etwas das positive Ergebnis dieses Urteils. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und noch einen schönen Sonntag
Willi Wacker
272 C 156/14 Verkündet am 02.12.2014
Amtsgericht Köln
IM NAMEN DES VOLKES
Schlussurteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin,
gegen
…
Beklagten,
hat das Amtsgericht Köln
auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.2014
durch den Richter Dr. A.
für Recht erkannt:
1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Köln vom 13.10.2014, Aktenzeichen 272 C 156/14, bleibt aufrecht erhalten.
2. Der Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist begründet.
1. Durch den Einspruch ist der Prozess in die Lage vor Säumnis der Beklagten zurückversetzt worden. Denn der Einspruch ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 338 ff. ZPO. Zweifel an der Vertretung des Beklagten durch seine Prozessbevollmächtigten bestehen nach der Vorlage einer Prozessvollmacht nicht.
2. Gemäß § 343 S. 1 ZPO ist das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten, denn die Klägerin hat gegen den Beklagten aus §§ 7 Abs. 1,18 Abs. 1 StVG einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 464, 10 €.
a) Die Haftung des Beklagten ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.
b) Der Klägerin steht nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung weiterer Sachverständigengebühren in Höhe von 464,10 € (935,34 € abzüglich von der Haftpflichtversicherung des Beklagten vorgerichtlich geleisteter 471,24 €) zu. Die Einwände des Beklagten zur Höhe des abgerechneten Honorars greifen aufgrund der nachfolgend wiedergegebenen Rechtsprechung des BGH nicht.
aa) Ein Geschädigter darf einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 471/12) Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (zum Vorstehenden BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, Tz. 7 m.w.N.).
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (zum Vorstehenden BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, Tz. 8 m.w.N.). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden.
Bei der Schadensbemessung nach § 287 ZPO hat das Gericht die besondere Bedeutung einer vorgelegten Rechnung für den konkreten Einzelfall und die Lage des Geschädigten bei der Beauftragung eines Sachverständigen zu berücksichtigen.
Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 528/12, Tz. 19 m.w.N.; Urt. v. 22.07.2014 – VI ZR 357/13, Tz. 15; jeweils zit. nach juris).
Freilich ist der Schädiger auch nicht verpflichtet, dem Geschädigten die Rechnungsbeträge der von diesem im Rahmen der Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Fachunternehmen ohne Möglichkeit der Nachprüfung voll zu ersetzen. Dem Schädiger verbleibt in jedem Falle die Möglichkeit darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings noch nicht (BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, Tz.11, zit. nach juris).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der volle Rechnungsbetrag von 935,34 €, den der Sachverständige … der Klägerin in Rechnung gestellt hat, durch den Beklagten zu erstatten. Die Höhe des vom Sachverständigen … in Rechnung gestellten Grundhonorars wird auch von der Beklagten nicht beanstandet. In Streit steht die Höhe der Nebenkosten. Der Beklagte trägt nicht substantiiert vor, inwiefern die Klägerin insofern gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen haben soll. Es mag sein, dass Fotoentwicklungskosten im Zeitalter der digitalen Fotografie und Schreibkosten bei Verwendung des Systems Audatex tatsächlich nicht anfallen. Auch mögen die berechneten Kopierkosten, Telefonkosten und das Porto objektiv am Maßstab des tatsächlich anfallenden Aufwands überhöht sein. Maßgeblich ist aber, ob diese Kosten bei anderen Sachverständigen, die die Klägerin hätte beauftragen können, nicht angefallen wären, inwiefern die Preise also bereits unüblich sind. Hierzu hat der Beklagte nichts vorgetragen. Und insbesondere fehlt auch jeder Vortrag dazu, ob und inwiefern es für die Klägerin bei Beauftragung des Sachverständigen … von vorneherein erkennbar war, dass dieser überhöht abrechnen würde. Hierauf musste das Gericht nach dem entsprechenden Klägervortrag nicht hinweisen, zumal die Klägerseite die eingangs dargestellte Rechtsprechung sogar in Ablichtung als Anlagen beigefügt hat.
c) Die Klägerin ist auch aktivlegitimiert. Ob sie den Rechnungsbetrag bereits an den Sachverständigen … gezahlt hat, kann dahinstehen. Jedenfalls hat sich ein etwaiger Freistellungsanspruch nach der ernsthaften und endgültigen Weigerung der Haftpflichtversicherung des Beklagten, weitere Sachverständigenkosten zu übernehmen, analog § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch gewandelt.
3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Die Mahnung an die Haftpflichtversicherung des Beklagten wirkte analog § 164 Abs. 3 BGB auch gegenüber dem Beklagten (LG Saarbrücken, Urt v. 09.10.2007 – 4 O 194/07, zit. nach juris).
II. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat angesichts der Entscheidung des BGH vom 11.02.2014 (VI ZR 225/13) weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert insofern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Der Streitwert wird auf 464,10 EUR festgesetzt.
Lassen Sie doch irgendwann mal den besserwisserischen Quatsch mit den „Gebühren“. Neben dem engeren technischen Begriff aus dem Kontext des staatlichen Abgabenrechts gibt es nun einmal einen überkommenen Sprachgebrauch, bei der dieser Begriff in einer Vielzahl von Konstellationen als Synonym für (privatrechtliches) „Entgelt“ verwendet wird. In dieser Bedeutung wird der Begriff ganz selbstverständlich auch von den Gerichten bis hin zum BGH und in der Fachliteratur übernommen; da Missverständnisse nicht zu befürchten sind, wenn man sich ersichtlich außerhalb des abgabenrechtlichen Kontextes bewegt, ist dagegen auch nicht das Geringste einzuwenden.
@Jens
voll daneben!
Wenn sich studierte Juristen in ihren Urteilen umgangssprachlich ausdrücken,dann ist das der Beweis dafür,dass sie von der Materie über die sie urteilen nur oberflächliches Wissen haben wollen.
Solche Deppen verwechseln dann auch gerne die Begriffe „notwendig“ und „erforderlich“.
Es hat seinen dogmatisch bestens belegten Grund,dass der Gesetzgeber z.B. in §249 II,1 BGB den Begriff der Erforderlichkeit verwendet,dagegen z.B. in §91 ZPO den Begriff der „Notwendigkeit“.
Beide Begriffe argumentativ gleichzusetzen ist die Aufgabe der Versicherungsmietmäuler.
Leider erliegen schwache Richter immer wieder solcher Argumentationsstrategie.
Das führt zielgerichtet weg von sauberer juristischer Dogmatik hin zum amerikanischen Caselaw.
Sind sie so einer,der das erreichen möchte?
Wer juristische Dogmatik als besserwisserischen Quatsch abkanzelt ist entweder ein Depp oder ein Mietmaul!
@Hein Blöd
Diese Deine Abmahnung war richtig und wichtig.
Fabian
Im realen Leben muss man sich nicht über die Formulierung „Gebühren“ streiten aber gerade bei den Richtern, die Klagen abweisen weil das klein Gedruckte „in Vertretung der HUK 24 AG“ bei riesen Kopf- und Fusstext „HUK Coburg Allgemeine“ überlesen wurde, sollte Ordnung gefordert werden. Gleicher Witz ist wenn die Schadenaußenstelle HUK in Halle bei über 100 Klagen im Jahr in Halle auf einmal den Gerichtsort Halle, bei einigen Richtern, erfolgreich verneint oder die gleiche Abtretung, welche schon mehrfach, beim gleichen Richter, als bestimmbar erachtet wurde auf einmal wegen der Formulierung unbestimmbar sein soll. Also, wenn Richter solche Lappalien streng unmenschlich der Ordnung wegen bestrafen, so kann hier auch der „Gebührenunsinn“ klar gestellt werden.