Mit Datum vom 28.06.2011 (267 C 39/11) hat das Amtsgericht Köln die Axa Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.047,38 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht legt bei der Schätzung des Normaltarifs die Schwacke-Liste zugrunde und stellt fest, dass die Fraunhofer Tabelle nicht vorzugswürdig ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist teilweise begründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung eines wertergehenden Betrages in Höhe von 1.047,38 € gemäß den §§ 7, 17 StVG in Verbindung mit § 115 VVG gegen die Beklagte zu1.
Der Geschädigte kann von dem Schädiger bzw, dessen Haftpflichtversicherer gemäß § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger wirtschaftiich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGHZ 160, 377; BGH NJW2006, 2106 ff).
Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Beantwortung der Frage, welche Aufwendungen für die Anmietung eines Ersalzfahrzeuges erforderlich sind, zunächst der Normaltarif heranzuziehen. Für die Ermittlung dieses Normaltarifes bietet dabei die Schwacke Liste eine brauchbare Schätzungsgrundlage. Der BGH hat darüber hinaus festgestellt, dass die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Aufklarung bedürfen, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auch für den entscheidenden Fall auswirken. Einen solchen konkreten Bezug zur konkreten Schadenschätzung hat die Beklagte vorliegend nicht hergestellt. Die vorgelegten Angebote der Firmen Sixt, Europcar und Enterprise bezogen sich auf einen Anmietzeitraum ab dem 23. April 2011, mithin nicht auf den hier streitgegenständlichen (Unfalldatum: xx.xx.2010). Es wurden daher keine konkreten und nachvollziehbaren Angebote vorgelegt, die die Schadensgrundlage in dem konkreten Fall als unrichtig erscheinen lässt. Auch die von der Beklagten vorgelegten und in anderen Rechtsstreitigkeiten eingeholten Gutachten, sind nicht geeignet, die Eignung der Schwacke Liste als Schätzungsgrundlage in Frage zu stellen, da sie ebenfalls nicht auf den konkreten Fall bezogen sind. Die Gutachten betreffen andere Anmietzeiträume und auch andere Regionen. Insoweit wird auf das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Juli 2010, 11 S 241/09 Bezug genommen. Das Landgericht hatte sich in diesem Urteil bereits mit dieser Einwendung der Beklagten ausführlich auseinandergesetzt.
Es lässt sich auch nicht eine derart überlegere Methodik der Fraunhofer Erhebung feststellen, die zugleich die Annahme einer mangelhaften Erhebung für den Schwacke Mietpreisspiegel rechtfertigen könnte. Es bestehen schon erhebliche Zweifel an der Objektivität dieser Erhebung. So wurde diese vom Gesamtverband der Haftpflichtversicherer in Auftrag gegeben. Desweiteren hat das Fraunhofer Institut darüber hinaus das Bundesgebiet in ein- bis zweistellige Postieitzahlengebiete eingeteilt, während der Schwacke – Mietpreisspiegel bei seiner Erhebung dreistellige Postleitzahlengebiete berücksichtigt hat. Damit ist der von dem Fraunhofer Institut zugrunde gelegte Postleitzahlenbereich zu grob und bildet keinen Markt ab. Die Erhebung des Fraunhofer Instituts basiert auch teilweise auf Ergebnisssn von telefonischen Befragungen und zu großen Teilen auf der Auswertung von Internetangeboten. Internetangebote stellen aber keine geeignete Vergleichsgrundlage dar, da die Voraussetzungen einer Internetanmietung nicht vergleichbar sind mit den Voraussetzungen einer Vorortanmietung. So setzt die Internetanmietung eine Vorabreservierung voraus und die Anmietzeit ist von Anfang an befristet. Insoweit wird auf die Entscheidungen LG Köln vom 11.03.2009, 11 S 77/08; LG Köln, Urteil vom 28.04.2009, 11 S 116/08, LG Köln, Urteil vom 25. August 2009, 11 S 317/08; LG Köln, Urteil vom 10.11.2009, 11 S 400/08; LG Köln, Urteil vom27.07.2010, 11 S 251/09 verwiesen.
In der Entscheidung vom 27. Juli 2010 mit dem Aktenzeichen 11 S 251/09 hat sich das Landgericht Köln nochmals ausführlich mit der Erhebung des Fraunhofer Instituts auseinandergesetzt. Auf die dortige Begründung wird vollumfänglich Bezug genommen. Diese Entscheidung ist den Beklagten-Vertretern auch bekannt, da sie an dem Verfahren beteiligt waren.
Dass der 6. Zivilsenat des OLG Köln die Fraunhofer Erhebung gegenüber der Schwacke Liste für vorzugswürdig halt, rechtfertigt aber keine Abkehr von der hiesigen Rechtsprechung der Abteilung 267, zumal andere Senate des OLG einen gegenteiligen Standpunkt vertreten haben (vgl OLG Köln, Urteil vom 23. Februar 2010, 9 U 141/09 und OLG Köln, Urteil vom 22. Dezember 2009, NZV 2010, 144).
Bei der Berechnung der konkret erforderlichen Kosten folgt das Gericht im Übrigen der Abrechnungsweise des OLG Köln in seinem Urteil vom 02. März 2007, 19 U 81/06. Es sind bei der Abrechnung der Mietwagenkosten anhand der Schwacke Liste, die sich bei mehrtägiger Vermietung ergebenden Reduzierungen nach Wochen, Dreitage- und Tagespauschale zu berücksichtigen. Zugunsten des Geschädigten sind desweiteren die geltend gemachten Nebenkosten zu berücksichtigen, die ausweisich der Nebenkostentabelle des Schwacke Mietpreisspiegels neben dem Normaltarif grundsätzlich erstattungsfähig sind, soweit ausweislich der Mietvertragsund Rechnungsunterlagen entsprechende Zusatzleistungen erbracht worden sind.
Desweiteren ist grundsätzlich ein pauschaler Aufschlag für die Unfallersatzsituation in Höhe von 20 % gemäß der obigen OLG Entscheidung gerechtfertigt. Auf einen konkreten Sachvortrag der Klägerin zu den unfallbedingten Mehrkosten und Leistungen kann im Einzelnen verzichtet werden (vgl. hierzu BGH Urteil vom 24. Juli 2008, NJW2008, 2009 110 ff., LG Köln Urteil vom 17, März 2009, 11 S 77/08).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch kein Abzug für ersparte Aufwendungen in Höhe von 15 % vorzunehmen. Unstreitig hat die Klägerin vor dem Unfall ein Fahrzeug aus der Fahrzeugklasse 5 gefahren. Sie hat dann ein Fahrzeug der Fahrzeugklasse 4 angemietet. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, im Hinblick auf das Fahrzeugalter des verunfallten Fahrzeuges seien nur die Kosten eines Fahrzeuges aus einer um eine Fahrzeugklasse niedrigeren Klasse erstattungsfähig, ist dem nicht zu folgen. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass bei einem 6 Jahre alten Fahrzeug eine deutlich höhere Reparaturanfälligkeit besteht und eine Abstufung um eine Fahrzeugklasse gerechtfertigt ist (vgl. hierzu Entscheidung des LG Köln vom 25. August 2009: 11 S 317/08).
Die Klägerin kann auch die Zustell- und Abholkosten beanspruchen Sie hat substantiiert dargelegt, dass das Mietfahrzeug an der Reparaturwerkstatt (Autohaus A.) zur Verfügung gestellt wurde und von dort nach Rückgabe auch wieder abgeholt wurde. Diesbezüglich hat sie auch Beweis angeboten. Die Beklagte hat lediglich pauschal bestritten, dass die Klägerin nicht auf eine Zusteilung- und Abholung des Mietfahrzeuges angewiesen wäre. Die Klägerin konnte entgegen ihrer Berechnung aber lediglich 23,00 € pro Zustellung/Abholung gemäß der vorgelegten Rechnung vom 26. Juni 2010 beanspruchen. Da in der Rechnung ein geringerer Betrag aufgeführt ist, ist der Wert der Schwacke Liste in Höhe von jeweils 25,00 € nicht zu berücksichtigen.
Sofern die Beklagte die Kosten für einen zweiten Fahrer pauschal bestreitet, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Inanspruchnahme dieser Zusatzleistung ergibt sich bereits aus dem Mietvertrag und der Rechnung vom xx. Juni 2010 des Mietwagenunternehmens. Dass diese Kosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, beruht auf der Nebenkostentabelle der Schwacke Liste, in der diese Kosten explizit aufgeführt sind.
Im Hinblick auf die Berechnung des Normaltarifs nach der Schwacke Liste kommt es auf eine weitere Erkundungspflicht der Klägerin hinsichtlich günstigerer Mietwagenangebote nicht an.
Nach alledem ergibt sich für das PLZ Gebiet 479, Gruppe 4 für 11 Tage Schwacke Liste 2010 folgende Abrechnung:
-1 X Wochenpauschale: 555,80 €
-1 X Dreitagespauschale: 261,00 €
-1 X Eintagespauschale: 87,00 €
Gesamt: 903,80 €
-Aufschlag 20%: 180,76 €
-1 X Wochenpauschale Volllkaskoversicherung: 154,00 €
-1 X Dreitagespausachle Voll/Teilkaskoversicherung: 66,00 €
-1 X Tagespreis Voll/Teilkasko 22,00 €
-11 X Zusatzfahrer à 12,00 €: 132,00 €
– Zustellung- und Abholung à 23,00 €: 46,00 €
– Normaltarif: 1.504,56 €
– gezahlt: 457,18€
Restforderung: 1.047,38 €
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB. Desweiteren kann die Klägerin Freistellung hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 57,23 € beanspruchen.
Die Höhe der Rechtsanwaltskosten würde in der Klageschrift vom 16. Februar 2011, dort Seite 21, nachvollziehbar dargelegt.
Hiergegen wendet die Beklagte sich nicht. Die Klägerin hat aber trotz Bestreitens der Beklagten nicht dargelegt, dass sie eine Gebührenrechnung erhalten und diese ausgeglichen hat. Mithin kann sie lediglich einen Freistellungsanspruch geltend machen. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist in einen Freistellungsanspruch umzudeuten.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 Nr. 1, 709, 108 ZPO.
Soweit das AG Köln.
AG Köln liest der Axa Versicherung und ihren Anwälten die Leviten: Dort gilt Schwacke, nicht Fraunhofer!
Montag, 31.10.2011 um 13:42 von Babelfisch
Hallo, Babelfisch
Übertrag mal einige dieser Gedanken auf den von der HUK-Coburg provozierten Streit um das Sachverständigenhonorar. Paßt doch gut.-
Tausche mal Frauenhofer aus gegen das Gesprächsergebnis BVSK-Huk-Coburg, was ja noch viel anrüchiger und spektakulärer ist als die an sich harmlose Frauenhofer-Studie.
Unabhängig davon sind folgende Grundüberlegungen nicht aus den Augen zu verlieren:
o Der Schädiger, und damit auch die Schädigerversicherung, die HUK-Coburg, haben auch überhöhte Sachverständigenkostenrechnungen zu erstatten (BGH NJW 2007, 1450).
o Das jetzt wieder ins Gespräch gebrachte Gesprächsergebnis ist als Sondervereinbarung (BGH DS 2010, 28) kein Maßstab.
o Die sich aus der Sondervereinbarung ergebenden Preise sind keine marktgerechten Preise. Deshalb können die individuellen SV.-Kosten sich auch nicht an dem Gesprächsergebnis des BVSK mit der HUK-Coburg messen. Damit würde die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung den durch sie zu erbringenden Schadensersatz selbst bestimmen. Das kennt das deutsche Recht nicht.
o Das wäre auch ein Ding aus dem Tollhause, wenn der Schädiger selbst bestimmen kann, was er an Schadensersatz zu leisten hat.
>>> Der Aufsatz von Fuchs nimmt an keiner Stelle zu dem Vorwurf Stellung, dass das Gesprächsergebnis Sondervereinbarung i. S. d. Rechtsprechung des BGH ( vgl. BGH DS 2010, 28 m. Anm. Wortmann) ist.
o Kriterien des Sachverständigenhonorars, wie Üblichkeit und Angemessenheit, gehören ins Werkvertragsrecht und haben im Schadensersatzrecht nichts zu suchen.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred M.