Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenanfang geben wir Euch hier ein Sachverständigenkostenurteil aus Landshut unter Zubilligung von „angemessenen“ Fahrtkosten im Schadensersatzprozess bekannt. Nach Ansicht des Gerichts darf der Geschädigte einen Sachverständigen seines Vertrauens also nur dann hinzuziehen, wenn der sich in einfacher Wegstrecke von ca. 9,5 km befindet (20 EUR /1,05/2). So demontiert man nach und nach das Sachverständigenhonorar und höhlt mit einer weiteren „Obergrenze“ das Schadensersatzrecht á la LG Saarbrücken aus. Ob sich das Gericht bei der Beauftragung gerichtlicher Sachverständiger wohl an das eigene „Entfernungslimit“ hält? Mit diesem Urteil sieht man aber wieder, dass die von der Versicherungswirtschaft initiierten Querschüsse gegen die freien Sachverständigen immer mehr auch bei den Gerichten fruchten. Es ist daher Aufgabe der engagierten Geschädigtenanwälte, gegen unsinnige Schriftsätze der Versicherungsanwälte vorzugehen. Es kann nur immer wieder wiedeholt werden, dass werkvertragliche Gesichtspunkte im Schadensersatzprozess keine Rolle spielen. Im Schadensersatzprozess kommt es nur auf die Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB an. Von „Angemessenheit“ ist im § 249 BGB nichts zu lesen. Das unsägliche Urteil aus Saarbrücken, mit dem die Nebenkosten, wie Fahrtkosten, begrenzt werden, wird in den benachbarten Landgerichten nicht akzeptiert. Es ist und bleibt eine unsinnige Einzelfallentscheidung. Die Rechtsprechung auf dem Lande wird daher gut daran tun, sich von derartiger unsinniger Rechtsprechung a la Saarbrücken zu distanzieren. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Landshut
Az.: 1 C 1081/13
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
Bayerischer Versicherungsverband Versicherungs AG, v.d.d. Vorstandsvors. Dr. Frank Walthes, Hermann-Köhl-Str. 2, 93049 Regensburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlösst das Amtsgericht Landshut durch den Richter am Amtsgericht … am 13.08.2013 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 73,61 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.07.2013 zu bezahlen.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3, Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4, Das Urteil ist Vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß §313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht aus dem Verkehrsunfallereignis vom 12.5.2013 in Landshut gegen die Beklagte aus Haftpflichtversicherung des allein für den Unfall verantwortlichen gegnerischen Fahrzeugs der auf Ersatz restlicher Sachverständigenkosten gerichtete Anspruch gem. §§ 7, 17 StVG, 249, 398 BGB, 115 VVG, noch in Höhe von 73,61 € zu.
Sachverständigenkosten zählen grundsätzlich zu den gem. § 249 Abs. 2 BGB erforderlichen und damit zu ersetzenden Wiederherstellungskosten. Erforderlich im Sinne dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall 742,39 € Brutto. Die Beklagte hat hierauf 668,78 € bezahlt, sodass sich ein Restanspruch in Höhe von 73,61 € ergibt.
Die Schädigerseite kann grundsätzlich dem Geschädigten den Einwand einer überhöhten Sachverständigenrechnung unter dem Blickwinkel der subjektbezogenen Betrachtungswelse nicht entgegenhalten, wenn für den Geschädigten nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige eine überhöhte Rechnung stellen wird. Eine solche Erkennbarkelt kann für die angegriffenen Nebenkosten, die noch im Bereich liegen, in dem 50 – 60 % der BVSK-Mitglieder abrechnen, nicht angenommen werden.
Die Grenze der normativen Bestimmung des Begriffs „Erforderlichkeit“ ist jedenfalls auch dann erreicht, wenn willkürlich Leistungen durch den Sachverständigen abgerechnet werden, deren Notwendigkeit schlechthin objektiv nicht mehr nachvollziehbar ist. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
Bereits nicht objektiv erforderlich war allerdings, dass der Geschädigte zur Besichtigung des Fahrzeugs in Landshut ein Sachverständigenbüro in … beauftragt hat, welches dann 72 km Fahrtkosten zu 1,05 € = 75,60 € netto abgerechnet hat. Vollkommen ausreichend wäre die Beauftragung eines Landshuter Sachverständigenbüros gewesen, welches dann nach Schätzung des Gerichts allenfalls pauschale Fahrtkosten in Höhe von 20,00 € berechnet hätte,
Die erforderlichen Sachverständigenkosten waren daher um 55,60 € netto = 66,16 € brutto zu kürzen, weshalb der Restanspruch des Geschädigten, der insoweit auf die Klägerin übergegangen ist, lediglich 73,61 € beträgt.
Hinzu kommen Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe gem. §§ 288, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Vergleichsweise scheint die richterliche Beurteilung zunächst einmal verständlich. Es wäre aber doch zu hinterfragen, w a r u m der Begutachtung durch ein weiter entfernt liegendes Sachverständigenbüro der Vorzug gegeben wurde? War der nicht in Landshut ansässige Sachverständige möglicherweise besonders zuverlässig, qualifiziert und versicherungsunabhängig ? Dazu hätte der Kläger vielleicht ausführlicher vortragen sollen. Man darf nicht vergessen, dass es inzwischen ja einen auffälligen Sachverständigentourismus gibt, wo Geschädigte selbst eine Wegstrecke von 50 oder 60 km ( für 1 Fahrtstrecke !) nicht scheuen, um sich ein „passendes“ Gutachten einzuholen, weil gewisse Personen dafür bekannt sind, besonders großzügig zu schätzen, wo es nichts zu schätzen gibt. Es gibt aber auch einige wenige Werkstätten, die gern auf die Einschaltung solcher Personen zurückgreifen, weil sie sicher sein können, dass alles so aufgeschrieben wird, wie sie es wünschen. Das sollte eigentlich jedem Versicherer auf Anhieb ins Auge stechen.
Andererseits gibt es aber auch Versicherer, die sich nicht scheuen, ihre eigenen Sachverständigen über 70 km und mehr in Marsch zu setzen, um einen „Bagatellschaden“ zu kontrollieren.
Bei einer einfachen Fahrtstrecke von lediglich 36 km kann man über die Erforderlichkeit trefflich streiten, sollte aber nicht übersehen, dass der Sachverständige seinen Fahrzeitaufwand wohl überhaupt nicht in Rechnung gestellt hat und eigentlich nur entscheidend sein kann, was ganz unten auf der Rechnung unter dem Strich steht. Ich persönlich bin jedenfalls der Auffassung, dass solche Wegstrecken und die damit abgerechneten Fahrtkosten noch keinen Verstoß gegen das Schadengeringhaltungsgebot tragfähig in schadenersatzrechtlicher Hinsicht untermauern können. Es ist richtig, dass bei der Einholung von Gerichtsgutachten eine solche Betrachtungsweise ungewöhnlich und wenig praxisorientiert wäre. Meiner Meinung nach hätte hier das Gericht mit lebensnahen Überlegungen den angesprochenen Punkt durchaus bei der ex ante Betrachtung des Geschädigten schlüssig und plausibel berücksichtigen können.- Jetzt haben wir aber wieder ein nicht verständiges und nicht wirtschaftlich denkendes Unfallopfer mehr, das mit einer Art Selbstbeteiligung bestraft wurde und vielleicht die Welt nicht mehr so ganz versteht.
Mit herzlichen Grüßen
ins schöne Landshut
L. Grießhuber