Hallo verehrte Captain-HUK-Leser,
zum Wochenende nun noch ein Urteil aus Landshut. In diesem Rechtsstreit war die Zurich-Versicherung gescheitert. Bemerkenswert ist allerdings die Begründung der Beklagten: Soweit klägerseits auf eine Honorarbefragung von Sachverständigen verwiesen worden sei gelte, dass diese Honorarbefragung kein Maßstab für die Erforderlichkeit darstellen könne. Der Verweis auf diese Honorarbefragung sei daher unzureichend. Damit behauptet doch tatsächlich die Zurich etwas anderes als die HUK-Coburg, die das Gesprächsergebnis doch als Maßstab etablieren will. Hört, hört. Sind die Versicherungen jetzt schon untereinander uneins. Bemerkenswert. Lest aber selbst .
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Amtsgericht Landshut
Az.: 3 C 1445/11
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
– Klägerin –
gegen
Zürich Insurance plc, v.d.d. Hauptbevollmächtigten Eduard Thometzek, Poppelsdorfer Allee 25-33, 53115 Bonn,
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Landshut durch den Richter am Amtsgericht … am 09.09.2011 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 275,25 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.08.2011 zuzahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht vor Vollstreckung die Klägerseite bereits Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht weitere Schadensersatzansprüche in Form von Sachverständigenkosten aus einem Unfallgeschehen im Amtsgerichtsbezirk Landshut vom 28.04.2011 geltend. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Die Klägerin beauftragte das Sachverständigenbüro … mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung des unfallbedingten Schadens. Die Kosten für dieses Sachverständigengutachten belaufen sich gemäß Rechnung des Sachverständigen … auf 664,86 €. Seitens der Beklagten wurde hierauf ein Betrag in Höhe von 389,61 € bezahlt, sodass ein Betrag in Höhe von 272,25 € offen ist.
Die Klägerin trägt vor, dass die Beklagte verpflichtet sei, vollumfänglich die Sachverständigenkosten auszugleichen; die Sachverständigenkosten seien insbesondere nicht überhöht; Zweifel an der Angemessenheit gäbe es nicht. Ein Verstoß gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht läge nicht vor.
Die Klägerin beantragt daher:
Die Beklagte werde verurteilt, an die Klägerin 275,25 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Die Beklagte meint, dass die der Klägerin zustehenden Ansprüche ausreichend reguliert wären. Insbesondere seien Sachverständigenkosten nur soweit zu erstatten, als sie erforderlich gewesen wären. Die streitgegenständlichen Sachverständigenkosten seien nicht erforderlich. Die Grenze der Erstattbarkeit sei die Notwendigkeit und Angemessenheit. Soweit klägerseits auf eine Honorarbefragung von Sachverständigen verwiesen worden sei gelte, dass diese Honorarbefragung kein Maßstab für die Erforderlichkeit darstellen könne. Der Verweis auf diese Honorarbefragung sei daher unzureichend; die Klägerseite sei darlegungs- und beweisbelastet. Auch die Berechtigung der geltend gemachten Nebenkosten werde bestritten. Insbesondere hätte die Klägerin gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, weil sie kein Sachverständigenbüro in ihrer Nähe beauftragt hätte. Mehr als 10 km könnten nicht in Ansatz gebracht werden. Auch die weiteren Nebenkosten seien überhöht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet; die Beklagte schuldet der Klägerin aus dem Unfallgeschehen vom 28.04.2011 weiteren Schadensersatz in Höhe von 275,25 € gemäß den §§ 7, 17, 18 StVG, 249 ff BGB, 115 VVG.
Es ist anerkannt, dass Sachverständigenkosten grundsätzlich nach § 249 Abs. 2 BGB zu den erforderlichen Wiederherstellungskosten nach einem Unfallgeschehen gehören. Nach der Rechtssprechung des Amtsgerichts Landshut kann die Schädigerseite grundsätzlich dem Geschädigten den Einwand einer überhöhten Sachverständigenrechnung unter dem Blickwinkel der subjektbezogenen Betrachtungsweise nicht entgegenhalten, wenn wie hier für den Geschädigten nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige eine überhöhte Rechnung stellen wird. Dem Geschädigten kann bei der Beauftragung eines Sachverständigen keine Marktforschungspflicht auferlegt werden; er ist auch nicht verpflichtet, anders als grundsätzlich bei der Anmietung eines Leihwagens verschiedene Angebote von Sachverständigen einzuholen.
Im übrigen liegt die Rechnung des Sachverständigen … in sämtlichen Positionen innerhalb des Korridors, nach welchem nach der BVSK-Befragung 2008/2009 bzw. 2011 40 – 60 % der befragten Sachverständigen abrechnen, was nach der Rechtssprechung des Amtsgerichts Landshut gemäß den §§ 315, 316 BGB zur Bewertung einer der Billigkeit entsprechenden Abrechnung führt. Soweit diesbezüglich beklagtenseits ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht geltend gemacht wird, weil ein 15 km entfernter Gutachter beauftragt worden wäre, greift dieser Einwand nicht durch; die Klägerin wohnt im ländlichen Bereich; eine Entfernung von 15 km stellt keinen Verstoß gegen die Schadensmindungerpflicht dar. Auch die weiteren Nebenkosten können nicht als überhöht angesehen werden in Anbetracht der als Maßstab zugrundegelegten BVSK-Befragung. Im Ergebnis ist somit die Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten festzustellen; im übrigen gilt, dass der Klägerin kein Mitverschulden bei einer evt. falschen/überhöhten Rechnungstellung angelastet werden kann.
Die Beklagte hat somit auch die weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 275,25 € der Klägerin zu erstatten.
Weiterhin schuldet die Beklagte der Klägerin die zugesprochenen Zinsen (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO;
die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gemäß § 511 Abs. 4 ZPO war die Berufung zuzulassen.
Ne, lieber Willi, die (oder deren Anwalt) haben bestimmt bei CH gelesen und abgeschrieben. Wahrscheinlich sind die auch der Meinung, dass die Befragung einer BVSK-Marktminderheit nicht ausreichend ist, den Markt, insbesondere den örtlichen, hinreichend abzubilden. Insoweit kann man der Zurich folgen. Anscheinend haben die aber nicht genug gelesen, nachdem dann folgender Schwachsinn vorgetragen wurde:
Notwendigkeit und Angemessenheit im Schadensersatzprozess? HUK lässt grüßen! Liebe Zurich, nicht nur CH lesen, sondern auch die verlinkten Urteile des BGH anklicken. Dann wird die Versichertengemeinschaft der Zurich künftig nicht mehr mit völlig unsinnigen Kosten belastet!
Der Hauptbevollmächtigte der Zurich in Bonn hat offenbar immer noch nicht den Aufsatz von Imhof und Wortmann zur erforderlichkeit und der Darlegungs- und Beweislast gelesen. wenn der Geschädigte die ihm vom Sachverständigen übersandte Kostenrechnung an die Versicherung witerleitet, kann er als Laie von der erforderlichkeit ausgehen. Wenn die Versicherung meint, die Rechnung sei überhöht, dann muss sie das darlegen und beweisen. Die Darlegungs- und Beweislast ist genau umgekehrt. Offenbar hat die Zurich, trotz des intelligenten Namens, keine Rechtsabteilung oder nur eine unzureichende. Vielleicht hat die Zurich aber auch nur einen nicht erfahrenen Prozessbevollmächtigten beauftragt. Aufgrund der Darlegungs- und Beweislast auf Seiten der Beklagten reicht auch das schlichte Bestreiten nicht. Schlecht gelaufen für die Zurich!!!
Grüße vom Steinhuder Meer
Hallo Hunter,
sicherlich war das, was seitens der Zurich vorgetragen wurde, sämtlich nicht erheblich, das Klagebegehren zu Fall zu bringen. Die Erforderlichkeit ist aus der laienhaften ex-ante-Sicht des Geschädigten festzustellen. Wenn kein Auswahlverschulden vorliegt oder Leistung und Gegenleistung in keinem außergewöhnlkichen Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, kann und muss der geschädigte Kfz-Eigentümer von den erforderlichen Sachverständigenkosten ausgehen. Wenn der Schädiger meint, die Kosten seien zu hoch, dann muss er das ordentlich darlegen und beweisen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt bei dem Schädiger!!! Liebe Zurich-Versicherung und nicht umgekehrt. Es gibt ja die Möglichkeit der Abtretung eventueller Bereicherungsansprüche gem. § 255 BGB analog, wenn die Zurich meint, dass im konkreten Fall der Sachverständige zu hoch abgerechnet habe. Aber diese Möglichkeit hat die Zurich nicht ergriffen, warum auch immer! Vielleicht wusste sie ja, dass sie dann darlegen und beweisen muss. Auch die Gerichtskostentragungspflicht liegt dann bei ihr. Ich kann daher nur das wiederholen, was Werner Westenfeld vom Steinhuder Meer schon angemerkt hat: Schlecht gelaufen für die Zurich!!!!
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker