Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,
hier veröffentlichen wir ein Urteil aus Langenfeld (Rheinland) zu den Sachverständigenkosten gegen die Versicherungsnehmerin der Provinzial Versicherung der Rheinprovinz. Auch in diesem Fall musste die Versicherungsnehmerin das ausbaden, was ihre Kfz-Haftpflichrversicheerung ihr eingebrockt hatte. Das Urteil ist sehr umfangreich begründet, jedoch wieder mit Angemessenheitsvergleichen unter Einbeziehung der BVSK-Honorarbefragung. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
31 C 128/14
Amtsgericht Langenfeld
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Frau A. N. aus H. ,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.,
gegen
Frau M. W. aus D.
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte BLD aus K.
hat das Amtsgericht Langenfeld
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
02.01.2015
durch die Richterin am Amtsgericht B.
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 117,33 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 81,04 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.04.2014 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf die Zahlung restlicher Sachverständigenkosten in zuerkannter Höhe zu.
Der Schädiger hat gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, NJW 2007, 1450 ff). Der tatsächliche Aufwand bildet insoweit freilich (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO oft einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Indes ist der tatsächlich aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch, Insbesondere deshalb kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeiten (z.B. einer überhöhten Honorarforderung des Sachverständigen) abhängig gemacht werden. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen. Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (BGH, a.a.O., juris Rn. 13 m.w.N.). Maßgeblich ist, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten (BGH, a.a.O., juris Rn. 14).
So ist der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint, so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, a.a.O., juris Rn. 16m.w.N).
Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (BGH, a.a.O., juris Rn. 17 m.w.N.).
Unter Anwendung vorgenannter Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, musste der Geschädigte nicht den preisgünstigsten Sachverständigen auswählen, jedoch trägt er das Risiko, wenn die Kosten des Sachverständigengutachtens über das hinausgehen, was verständigerweise für zweckmäßig und angemessen gehalten werden durfte. Einwendungen können dem Geschädigten nur entgegengehalten werden, wenn er im Rahmen des ihm Zumutbaren nicht einen wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung gewählt hat, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten überhaupt beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06).
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass sich der Geschädigte nicht an das Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten hätte. Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten hätte beeinflussen können. Eine bestimmte Vergütung ist bei Erteilung des Sachverständigenauftrages nicht bestimmt worden. Folglich hatte der Sachverständige aus dem Werkvertrag mit dem Geschädigten über die Begutachtung der Unfallschäden einen Anspruch auf die übliche Vergütung im Sinne von § 632 Abs. 2 letzte Alternative BGB. Die in der streitgegenständlichen Rechnung berechnete Vergütung inklusive Nebenkosten und Pauschalen bewegt sich weitestgehend im Rahmen desjenigen, was insgesamt nach der Befragung des Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen (BVSK-Honorarbefragung) für Gutachten vergleichbaren Umfangs als Vergütung gefordert wird. Soweit sie in den Nebenkosten teilweise geringfügig überhöht ist, ergibt sich auch hieraus nicht, dass der Geschädigte keinen wirtschaftlichen Weg zur Schadensbehebung gewählt hat, zumal die Rechnung nicht derartig weit über die in der BVSK-Honorarbefragung festgehaltenen Sätze hinausgeht, dass der Geschädigte die Kosten verständigerweise nicht mehr für zweckmäßig und angemessen halten durfte.
Soweit die Beklagte rügt, dass die Üblichkeit der Sachverständigenkosten nicht an selbst geschaffenen Berechnungsmaßstäben wie der BVSK-Honorarbefragung gemessen werden könne, ist dies ebenfalls unerheblich. Angesichts der Zahl der befragten Sachverständigen und der Systematik ist diese Befragung sehr wohl geeignet, die übliche Vergütung wider zu spiegeln, da das Gesetz nicht vorgibt, auf welchen Umständen die Üblichkeit im Sinne des § 632 BGB beruhen muss.
Auch überschreitet der Sachverständige entgegen der Auffassung der Beklagten die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung grundsätzlich nicht durch eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung seines Honorars, wobei sich bereits aus der BVSK- Honorarbefragung ergibt, dass es der Üblichkeit entspricht, Nebenkosten neben einem Grundhonorar geltend zu machen. Insoweit bleibt es dem Sachverständigen überlassen, ob er die Gebühren für die Nutzungen von Datenbanken und für Schreib- und Kopierkosten sowie Fahrt-, Telefon-, Restwertermittlungs- EDV-Abrufgebühren und Telefonkosten im Grundhonorar berücksichtigt (welches sich hierdurch erhöhen würde), oder diese gesondert abrechnet Hätte der Sachverständige diese Kosten vorliegend im Grundhonorar berücksichtigt, hätte eine für den Geschädigten verständigerweise erkennbare Überschreitung des angemessenen Sachverständigenhonorars nicht vorgelegen. Sämtliche der Kosten sind nicht für die Klägerin erkennbar nicht angefallen oder überhöht.
Soweit die Beklagtenseite rügt, dass ihr die Anlagen zum Schriftsatz der Klägerseite vom 11.12.2014 nicht übersandt worden sind so handelt es sich bei sämtlichen Anlagen um Ausdrucke von Gerichtsurteilen, zu denen die Beklagtenseite selbst Zugang hat.
Die Klägerseite hat die Klage auch nicht mutwillig erhoben. Ausweislich des Wortlautes des Abtretungserklärungsentwurfes der Beklagtenseite hat die Beklagtenseite lediglich die Verpflichtung zur „Feststellung“ (bzw. gemeint wohl Freistellung) von berechtigten Honoraransprüchen des Sachverständigen angeboten, in ihrem Schreiben jedoch gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass sie die Ansprüche des Sachverständigen gerade nicht sämtlich für berechtigt hält. Die Klägerin, welche zur Bezahlung des Sachverständigen verpflichtet war und sich gegebenenfalls einem eigenen Prozess gegen den Sachverständigen ausgesetzt hätte musste mithin nicht auf die vollständige Regulierung/Kostenübernahme der Beklagten bzw. ihrer Versicherung vertrauen. Unter demselben Vorbehalt durfte die Klägerseite die Übernahme etwaiger Rechtsstreitkosten in einem Prozess mit dem Sachverständigen auffassen.
Zinsen auf den zuerkannten Betrag schuldet die Beklagte gemäß §§ 286, 288 BGB.
Hinsichtlich der Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit dem Klageverfahren nur noch die Erstattung einer 1,3er Gebühr verlangt, welche als Mittelgebühr in Ansatz gebracht werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Zulassungsvoraussetzungen nicht vorliegen.
Streitwert: 117,33 €
Hi, Willi,
die folgende Einwendung der Beklagten, eigentlich eine Einwendung ihrer Versicherung, ist besonders herauszustellen:
„Soweit die Beklagte rügt, dass die Üblichkeit der Sachverständigenkosten nicht an selbst geschaffenen Berechnungsmaßstäben wie der BVSK-Honorarbefragung gemessen werden könne, ist dies ebenfalls unerheblich.“
Was sind denn die Berechnungsmaßstäbe der Versicherungen anders ? Daran müssen diese sich nun wohl festmachen lassen. Hier sieht man mal wieder, dass sie sich um Kopf und Kragen reden.
Mit besten Grüßen
Zappi