Hallo verehrte aptain-Huk-Leserinnen und -Leser,
in Leipzig gibt es zwar viel Licht, wie das am Samstag veröffentlichte Urteil des AG Leipzig zeigte, aber leider auch etwas Schatten, wie das heute veröffentlichte Urteil des AG Leipzig zeigt. Kaum zu glauben, dass es bei ein und demselben Gericht so unterschiedliche Urteilsbegründungen gibt. Nachfolgend stellen wir Euch das „Angemessenheitsurteil“ des Dezernats 117 C des AG Leipzig vom 18.3.2016 vor. Der vom Geschädigten zur Schadensfeststellung hinzugezogene Kfz-Sachverständige fertigte das Schadensgutachten, das der Geschädigte bei der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung, der HUK-COBURG, zwecks Schadensregulierung einreichte. Da die HUK-COBURG die berechneten Sachverständigenkosten – wie üblich – nicht vollständig ersetzte, nahm der Sachverständige aus abgetretenem Recht die HUK-COBURG Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. auch gerichtlich in Anspruch. Das erkennende Gericht zeigte bei der Urteilsbegründung zunächst recht ordentliche Ansätze, fiel dann jedoch wieder auf eine willkürliche Kürzung der Nebenkosten gemäß der Rechtsprechung des OLG Dresden zurück. Die Heranziehung der rechtsfehlerhaften Begründung des OLG Dresden ist genauso falsch wie das Aktenzeichen (7 U 114/12 anstatt 7 U 111/12). Dabei übersieht das erkennende Gericht, dass sich OLG Dresden durch BGH VI ZR 225/13 überholt hat. Von dem erkennenden Gericht gibt es auch noch ein fast gleichlautendes Urteil vom 11.03.2016 mit dem Aktenteichen 117 C 9556/15, von dessen Veröffentlichung wir jedoch absehen. Wir halten es einfach nur noch für unglaublich, wie einige Richter und Richterinnen meinen, gesetzgeberische Tätigkeiten ausüben zu müssen. Dabei herrscht die Gewaltenteilung, die ein wesentliches Merkmal unserer Demokratie ist. Nicht umsonst haben die Verfassungsväter die Legislative und die Judikative getrennt. Lest aber selbst das Urteil des AG Leipzig und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 117 C 9558/15
Verkündet am: 18.03.2016
IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., Bahnhofs platz, 96444 Coburg v.d.d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht als ständige Vertreterin der Direktorin J.
im schriftlichen Verfahren mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO am 18.03.2016
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 66,65 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08. Dezember 2012 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Mahnkosten in Höhe von 8,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.01.2016 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 48 % und die Beklagte 52 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 127,33 € festgesetzt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 66,65 € aus den §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249, 398 BGB i.V.m. § 115 VVG.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Geschädigte K. B. hat die streitgegenständliche Forderung wirksam an den Kläger abgetreten. Der Wirksamkeit steht nicht entgegen, dass die Abtretung erfüllungshalber erfolgt ist. Die gesetzlichen Gegebenheiten des Bürgerlichen Gesetzbuchs lassen eine solche Abtretung zur Sicherung des Anspruchs des Zessionars zu (siehe Palandt, BGH-Kommentar, 75. Aufl., § 364, Rn. 7). Der Gläubiger erhält bei Weiterbestehen der bisherigen Forderung eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit. Zwischen den Parteien entsteht ein Rechtsverhältnis eigener Art, aus dem sich die Rechte und Pflichten der Beteiligten ergeben. Eine grobe Benachteiligung des Zedenten liegt dadurch nicht vor.
Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass die Beklagte vollumfänglich für den eingetretenen Schaden haftet.
Die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten überschreitet jedoch teilweise den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 BGB.
Die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens. Der Schädiger hat die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, die objektiv erforderlich sind, um die Schadenshöhe an einem durch einen Unfall beschädigten Fahrzeug festzustellen (Palandt, BGB-Kommentar, 75. Aufl., § 249, Rn. 58; BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az.: VI ZR 225/13, zitiert nach juris).
Als erforderlich sind nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.
Durch die Vorlage der Rechnung des beauftragten Sachverständigen genügt der Geschädigte regelmäßig seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe. Die darin ausgewiesene Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages. In der Rechnung schlagen sich die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektiven Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nieder. Diese Überlegung gilt auch im vorliegenden Fall. Soweit die Beklagte auf die Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 22.07.2014, Az.: VI ZR 357/13 (Rn. 16) verweist, in welcher der BGH die Indizwirkung der Rechnung eingeschränkt betrachtet, so ist die dieser Entscheidung zu gründende Sachlage nicht identisch mit dem vorliegend zu entscheidenden Fall. In der Entscheidung des BGH hatte der Sachverständige selbst geklagt, nachdem ihm der Anspruch an Erfüllungs statt nach § 364 Abs. 1 BGB abgetreten wurde. Im vorliegenden Fall erfolgte die Abtretung erfüllungshalber und der Geschädigte bleibt weiterhin verpflichtet, die Kosten des Sachverständigengutachtens, die sich aus der gelegten Rechnung des Sachverständigen vom 07.11.2012 ergeben, an diesen zu zahlen.
Somit reicht ein einfachen Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung nicht aus, um die geltend gemachte Schadenhöhe in Frage zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014).
Da der Geschädigte nicht selbst die Sachverständigenkosten gegenüber dem Schädigter bzw. dessen Haftpflichtversicherer geltend macht, kann dahinstehen, ob er hätte erkennen können oder müssen, dass das Honorar des Sachverständigen überhöht ist, da dies nur in diesem Verhältnis von Bedeutung ist. Zwar erhebt die Klägerin hier die originären Ersatzansprüche des Geschädigten, die sich durch die Abtretung inhaltlich nicht verändern. Die Beklagte kann allerdings dem Kläger ein überhöhtes Honorar nach § 242 BGB entgegenhalten, da der Kläger im Falle der Zahlung überhöhter Sachverständigerhonorare seitens der Beklagten das Geleistete sogleich als Schadensersatz zurückerstatten müsste. Nach § 241 BGB ist eine Aufklärungspflicht des Sachverständigen gegenüber seinem Auftraggeber darüber anzunehmen, dass sein Honorar gegebenenfalls über den üblichen Rechnungssätzen liegt und insoweit möglicherweise nicht in vollem Umfang von der gegnerischen Versicherung erstattet wird. Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist die Haftpflichtversicherung in den Schutzbereich des zwischen Sachverständigen und Geschädigten abgeschlossenen Vertrages einbezogen und kann deshalb Schadensersatzansprüche beanspruchen, wenn der Sachverständige vertragliche Pflichten verletzt hat, die wie bei der oben genannten Hinweispflicht auch zugunsten der Haftpflichtversicherung bestehen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az.: 7 U 114/12, zitiert nach juris).
Der Sachverständige darf jedoch Nebenkosten nur bis zu 25 % des jeweiligen Grundhonorars für angemessen erachten (vgl. OLG Dresden, a.a.O.).
Nach der Rechnung vom 07.11.2012 setzt sich der Rechnungsbetrag aus einem Grundhonorar in Höhe von 421,95 € und Nebenkosten in Höhe von 156,58 € sowie Mehrwertsteuer in Höhe von 109,90 € (insgesamt 688,33 €) zusammen.
Die Nebenkosten in Höhe von 156,58 € betragen 37,17 % des Grundhonorars und sind damit überhöht. Insoweit hätte der Sachverständige allenfalls 105,49 € (25 %) in Ansatz bringen dürfen. Das Amtsgericht Leipzig folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des OLG Dresden. Insgesamt sind somit Gutachterkosten in Höhe von 421,95 €, Nebenkosten in Höhe von 105,49 € als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 BGB anzusehen. Hinzu kommen 19 % MWSt, so dass sich insgesamt 627,65 € ergeben. Hierauf hat die Beklagte 561,00 € geleistet, so dass noch ein zu zahlender Restbetrag in Höhe von 66,65 € offen ist.
Der Kläger hat auch Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen und Mahnkosten, welche das Gericht jedoch nur in Höhe von 4,00 € pro Mahnung als angemessen erachtet, gemäß den §§ 280, 286, 288 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Hallo, Willi Wacker und sehr geehrte CH-Redaktion,
ein guter Anfang in den Entscheidungsgründen ist feststellbar, jedoch wird es danach abenteuerlich, wenn es u.a. heißt:
„Die Beklagte kann allerdings dem Kläger ein überhöhtes Honorar nach § 242 BGB entgegenhalten, da der Kläger im Falle der Zahlung überhöhter Sachverständigerhonorare seitens der Beklagten das Geleistete sogleich als Schadensersatz zurückerstatten müsste.
Nach § 241 BGB ist eine Aufklärungspflicht des Sachverständigen gegenüber seinem Auftraggeber darüber anzunehmen, dass sein Honorar gegebenenfalls über den üblichen Rechnungssätzen liegt und insoweit möglicherweise nicht in vollem Umfang von der gegnerischen Versicherung erstattet wird.
Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist die Haftpflichtversicherung in den Schutzbereich des zwischen Sachverständigen und Geschädigten abgeschlossenen Vertrages einbezogen und kann deshalb Schadensersatzansprüche beanspruchen, wenn der Sachverständige vertragliche Pflichten verletzt hat, die wie bei der oben genannten Hinweispflicht auch zugunsten der Haftpflichtversicherung bestehen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az.: 7 U 114/12, zitiert nach juris).“
Und dieses Bündel an angeblichen Verpflichtungen / Obliegenheiten ist nur auf der Basis unsubstantiierter Behauptungen des Schädigers bzw. der hinter diesem stehenden Haftpflichtversicherung schadenersatzrechtlich ernsthaft zu diskutieren?
Es gibt keine üblichen Abrechnungsmodalitäten und solche kann es auch unter Anlegung einer sorgfältigen Abwägung sowie nach der BGH-Definition der Üblichkeit nicht geben. Das kann bequem auch eine Amtsrichterin des AG Leipzig durch eine einfache Recherche im Hause bei den zuständigen Abteilungen und durch simple Kommunikation feststellen. Es wär u.E. geradezu fahrlässig, darauf zu verzichten, nur weil es vom gewollten Ergebnis her nicht sein darf.
So wurde auch hier das Unfallopfer diskiminierend als nicht vernünftiger und wirtschaftlich denkender Mensch degradiert, während die für diesen Mist verantwortliche Richterin selbstherrlich für sich in Anspruch nimmt, der Kategorie des homo sapiens anzugehören, die gegenläufig solche herausragenden positiven Eigenschaften besitzt, was sich in der weiteren Begründung allerdings als Schmarren herausstellt.
Nach den weiteren Überlegungen dieser Richterin wäre die Frage berechtigt, ob Weihnachten und Ostern jetzt auf einen Tag fallen?
Nach „allgemeiner Rechtsauffassung“ ? Was ist das denn wohl? DAS wird diese Richterin mit Sicherheit nicht ausreichend tragfähig beantworten können.
Beschränkung der Nebenkosten auf 25 % des Grundhonorars nach OLG Dresden? Warum nicht 20% oder 30 %? Ein solcher „Maßstab“ ist durch des BGH-Urteil aus Februar 2014 zu Recht ad absurdum geführt worden, weil subjektiv darin eine normative und damit willkürliche Zubilligung zu erkennen ist , wie die 100,00 € Deckelung für die Nebenkosten durch das LG Saarbrücken.
Und danach wird dann wieder gerechnet, was das Zeug hält, obwohl der BGH gleichermaßen eine solche Maßnahme zur Beurteilung der Erforderlichkeit abgewiesen hat, denn es ist eine zu verwerfende ex post „Perspektive“, die nicht in Übereinstimmung zu bringen ist mit der ex ante Sichtweite und Sichtweise des Unfallopfers.
Richtig ist allerdings die Bezeichnung als Endurteil, denn mit diesen nachflatternden Entscheidungsgründen ist diese Urteil wirklich am Ende.
Hagen von Coburg