Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
wir hatten bereits mehrmals auf Urteile des Amtsgericht Leipzig hingewiesen, in denen der Dezernent der entsprechenden Zivilabteilung die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung (hier: die Allianz Vers. AG.) darauf hinweist, dass grundsätzlich der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer gemäß § 249 BGB zur Erstattung der Sachverständigenkosten verpflichtet ist. Und trotzdem kürzt die Allianz Versicherungs AG weiterhin die berechneten Sachverständigenkosten. Zu Recht weist das erkennende Gericht auch darauf hin, dass das immer wieder von den eintrittspflichtigen Versicherern zitierte Urteil des OLG Dresden vom 19.2.2014 durch die Rechtsprechung des BGH mit Urteil VI ZR 225/13 abgeändert wurde. Gleichwohl wird seitens der Versicherer die (überholte) Entscheidung des OLG Dresden immer wieder zitiert. Nur dieser plumpe Versuch wird bei den Gerichten relativ schnell erkannt, wie das nachfolgende Urteil des AG Leipzig zeigt. Lest aber selbst das Urteil des AG Leipzig vom 18.5.2017 – 105 C 8527/16 – und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 105 C 8527/16
Verkündet am: 18.05.2017
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
Allianz Versicherungs-AG, An den Treptowers 3,12435 Berlin, v.d.d. Vorstand
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht S.
im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO aufgrund der bis zum 30. März 2017 eingegangenen Schriftsätze am 18.05.2017
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 161,80 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.09.2016 sowie weitere € 3,00 vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert beträgt € 161,80.
Tatbestand
entfällt gemäß § 313a Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich aus §§ 398 ff. BGB, 7 ff. StVG, 823 BGB, 115 VVG i. V. m. § 249 BGB begründet.
Das Amtsgericht Leipzig hat bereits mit seinen Urteilen vom 02.08.2007 Az.: 105 C 8014/06, 28.06.2007 Az.: 105 C 643/06, 14.06,2007 Az.: 105 C 203/07, 14.06,2007 Az.: 105 C 204/07, 12.07.2007 Az.: 105 C 2159/07, 19.02.2009 Az.: 105 C 1288/08, 22.03.2012 Az.: 105 C 1320/11 sowie 27.10.2011 Az.: 105 C 2198/11 entschieden, dass eine Beklagte als Haftpflichtversicherung eines Kraftfahrzeuges unter den in den jeweiligen Urteilen festgelegten Prämissen zur Zahlung der Kosten des privaten Kfz-Sachverständigengutachtens verpflichtet ist.
Es wird soweit ergänzend darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 04.04.2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.05.2006 (Az.: X ZR 122/05) grundsätzlich festgestellt hat, dass ein Vertrag, nach dem ein Sachverständiger ein Gutachten über die Höhe eines Kraftfahrzeugunfallschadens zu erstatten hat, ein Werkvertrag ist und für die Bemessung der Vergütung des Sachverständigen der Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung maßgeblich ist, wobei nach § 632 BGB – in dieser Reihenfolge – ihre tatsächliche Absprache, eine eventuell vorliegende Taxe oder die übliche Vergütung den Inhalt der Vereinbarung bestimmen. Anderenfalls ist die verbleibende Vertragslücke nach den Grundsätzen über die ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, für die Gegenstand und Schwierigkeit der Werkleistung und insbesondere die mit dem Vertrag verfolgten Interessen der Parteien von Bedeutung sein können.
Nur wenn sich auf diese Weise eine vertraglich festgelegte Vergütung nicht ermitteln lässt, kann zur Ergänzung des Vertrages auf die Vorschriften der §§ 315 f. BGB zurückgegriffen werden.
Der Bundesgerichtshof hat weiter festgelegt, dass ein Kfz-Sachverständiger, der für Routinegutachten eine an der Höhe orientierte angemessene Pauschalierung seines Honorars vornimmt, die Grenzen des ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraumes grundsätzlich nicht überschreitet. In den Gründen hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass, wenn sich nach einer festen Übung Spannen für Leistungen, wie die Leistungen der Schadengutachter für Kraftfahrzeugschäden, die auch für überregional tätige Auftraggeber wie Versicherungen erbracht werden, allgemein herausgebildet haben, die Feststellung, welche Vergütung üblich ist, dem nicht entgegensteht, dass an einem bestimmten Ort eine feste Übung nicht gesondert festzustellen ist.
Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt haben der Geschädigte C. H. und die Klägerin unstreitig vereinbart, dass die Honorartabelle, die der Auftragserteilung vom 01.06.2015 beiliegt, beziehungsweise auf der Rückseite abgedruckt ist, als Abrechnungsgrundlage dient.
Diese Honorartabelle ist nach Schadenhöhen der Nettoreparaturkosten gestaffelt.
Der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass nicht von Amts wegen ein „gerechter“ Preis zu ermitteln ist, vielmehr geht es grundsätzlich darum, dass die getroffene Bestimmung – des Sachverständigenhonorars – sich noch in den Grenzen der Billigkeit hält und erst dann, wenn der Berechtigte die ihm durch die Billigkeit gesetzten Grenzen der Preisbemessung überschritten hat, die Bestimmung durch die Entscheidung des Gerichts zu ersetzen ist.
Die Vereinbarung der Parteien vom 01.06.2015 ist bindend, da Anhaltspunkte für eine sittenwidrige Preisvereinbarung nicht ersichtlich bzw. substantiiert dargetan sind. Auch sonstige Nichtigkeitsgründe sind nicht erkennbar.
Insoweit wird ergänzend auf die Entscheidungen des Landgerichts Leipzig vom 11.10.2005 Az.: 16 S 238/05 = Amtsgericht Leipzig, Az.: 113 C 7019/04 und vom 09.02.2006, Az.: 12 S 549/05 = Amtsgericht Leipzig, Az.: 117 C 13084/04 verwiesen.
Anhaltspunkte von den grundsätzlichen Entscheidungen dieses Gerichts oder auch den anderen Referaten des Amtsgerichts Leipzig abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
Auf die weitergehenden Ausführungen der Beklagten führen im Ergebnis nicht zum Erfolg. Ein Missverhältnis zwischen dem entstandenen Schaden und der Höhe des Gutachterhonorars der Klägerin ist nicht ersichtlich.
Gerade bei der technischen Untersuchung von Kraftfahrzeugen, die im Straßenverkehr ein erhebliches Gefahrenpotential darstellen, kommt es darauf an, dass im Falle des Eintritts eines Schadens dieser mit der gebotenen Sorgfalt und Sachkunde vom Sachverständigen untersucht wird.
Pauschalierungen und Bezugnahmen auf anders lautende amts- bzw. landgerichtliche Urteile im Bundesgebiet greifen nicht.
Dies gilt auch für die Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02.2014, die vom Bundesgerichtshof geändert wurde.
Insbesondere ist auch die Rüge der Beklagten der Kosten eines Lichtbildes bzw. Kopiekosten, die Höhe der Schreibkosten und der sonstigen Nebenkosten nicht nachvollziehbar. Insoweit wird im Hinblick auf die Nebenkosten auf die Entscheidung dieses Gerichts vom 28.06.2007 Az.: 105 C 10643/06 verwiesen. Im Übrigen sind auch die geltend gemachten Nebenkosten zwischen den Parteien vereinbart (Anlage K 1).
Die Entscheidung über die zuerkannten Nebenfbrderungen beruht auf §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Da sind sie wieder, die werkvertraglich pauschal erfundenen Einwendungen:
„Insbesondere ist auch die Rüge der Beklagten der Kosten eines Lichtbildes bzw. Kopiekosten, die Höhe der Schreibkosten und der sonstigen Nebenkosten nicht nachvollziehbar.“
Hingegen ist die Replik des Amtsgerichts ausschließlich schadenersatzrechtlich bestimmt:
Insoweit wird im Hinblick auf die Nebenkosten auf die Entscheidung dieses Gerichts vom 28.06.2007 Az.: 105 C 10643/06 verwiesen. Im Übrigen sind auch die geltend gemachten Nebenkosten zwischen den Parteien vereinbart (Anlage K 1).
Dazu der BGH mit auszugsweise folgendem Beschluss:
„Honorarvereinbarungen dürfen im Hinblick auf die Verfassungsgarantie der Berufsausübung (Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz) in ihrer Rechtswirksamkeit nicht ohne ausreichenden Sachgrund beschnitten werden. Eine Honorarvereinbarung kann grundsätzlich das Sittengesetz nicht verletzen, wenn sie zu einem aufwandsangemessenen Honorar führt (BGH Urteil vom 03.04.2003 aaO).“
Der Vortrag der Beklagten war ersichtlich nicht von einem ausreichenden Sachgrund geprägt. Das aufwandsangemessene Honorar ist aber den Versicherungen schlichweg „zu teuer“ und die neuste Masche ist der Verweis auf angebliche Billiganbieter, die als solche dann allerdings nicht mehr als neural bzw. unabhängig klassifiziert werden können. Bei sog.Referenzwerkstätten ist das bekantlich nicht anders und so versucht man es auch mal bei den Sachverständigenkosten auf dieser Schiene nach dem Motto: „Wir brauchen kein Gesetz, wer gegen uns ist, wird vernichtet.“ Solche Versklavungstendenzen im 21. Jahrhundert sind modern und werden vielfach einfach hingenommen. Wer hätte das jemals gedacht? Indes hat das AG Leipzig dem erneut einen Riegel vorgeschoben. Danke nach Leipzig.-
Übrigens kostet 1 km Rikschafahrt/ Fahrradtaxi in Hamburg 7,00 €, zzgl. Anfahrkosten in naturgemäß unterschiedlicher Höhe. In Indien verlangt man gerde einmal 70 Cent/Km und die Schafherde der Sachverständigen soll sich nach dem JVEG mit 30 Cent zufrieden geben. Ja geht´s eigentlich noch krasser und nationalsozialistischer?
Bengt H.