AG Leipzig verurteilt die Zurich Insurance plc. zur Zahlung der restlichen, abgetretenen Sachverständigenkosten mit Urteil vom 14.4.2016 – 111 C 1860/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

kurz vor dem Jahreswechsel bleiben wir noch in Leipzig. Nachfolgend stellen wir Euch hier noch ein Urteil des Amtsgerichts Leipzig zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Zurich Insurance plc. vor. Das erkennende Gericht hat kurz und knapp den Rechtsstreit abgehandelt und geurteilt. Bemerkenswrt ist, dass sowohl das LG Leipzig als auch das AG Leipzig die vom OLG Dresden entschiedene 25-Prozent-Grenze nicht anwendet. Dies auch mit gutem Grund, denn diese durch nichts begründete Grenze wurde ohnehin durch die BGH-Rechtsprechung VI ZR 225/13 überholt. Damit kann man festhalten, dass die vom OLG Dresden entschiedene Grenze Geschichte ist. Die sächsischen Gerichte folgen damit auch nicht der – unsinnigen – Rechtsprechung des OLG Dresden bezüglich der 25%-Grenze bei den Sachverständigennebenkosten. Lest aber selbst das Urteil des AG Leipzig und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab. Das war jetzt das letzte Urteil, das ich im Jahre 2016 veröffentlicht habe.  

Viele Grüße und einen guten Rutsch
Euer Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 111 C 1860/15

Verkündet am: 14.04.2016

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

Zurich Insurance plc, Niederlassung für Deutschland, 53287 Bonn, v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht M.
im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO am 14.04.2016

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 115,86 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit dem 06.09.2013 sowie als Nebenforderung 3,00 € vorgerichtliche Mahnkosten zu bezahlen.

2.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 54,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit 14.04.2015 zu bezahlen.

3.        Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4.        Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 115,86 € festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Zwar wurde die Klage ursprünglich mit Schriftsatz vom 07. Dezember 2015 (Bl. 132 d.A.) von der Klägerin zurückgenommen. Allerdings hat die Beklagte ausweislich des Schriftsatzes vom 29.12.2015 (Bl. 136 d.A.) keine Zustimmung zur Klagerücknahme erteilt.

Die Verweigerung der Einwilligung macht eine Klagerücknahme wirkungslos (vgl. Zöller, ZPO, 31. Aufl., Rn. 16 zu § 269).

Das Gericht hat daher ein Sachurteil zu erlassen.

In der Hauptverhandlung vom 16.11.2015 wurde ein Vergleich geschlossen im Hinblick darauf, dass das Landgericht Leipzig noch nicht darüber entschieden hatte, ob die Nebenforderungen auf 25 % der Hauptforderung zu begrenzen sind. Dieser Vergleich wurde von der Beklagten widerrufen.

Zwischenzeitlich liegt jedoch ein entsprechendes Urteil des Landgerichts Leipzig vom 20. Januar 2016, Az.: 8 S 324/15, vor, durch welches das Urteil des erkennenden Gerichtes hinsichtlich der Pauschalierung der Nebenkosten auf 25% des Grundhonorars, abgeändert wurde.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bezahlung von 115,86 € gemäß 398 Satz 1 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 7 Abs. 1 StVG.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Das Landgericht hat in der oben genannten Entscheidung die Ausführungen des erkennenden Gerichts ausdrücklich dahingehend bestätigt, dass ein Bestreiten der Aktivlegitimation der Beklagtenseite im nunmehrigen Streitverfahren gemäß § 242 BGB ausgeschlossen ist, da die Beklagtenseite einen nach ihrer Auflassung abschließenden Betrag auf die Sachverständigenkosten in Höhe von 478,64 € bezahlt hat.

Sachverständigenkosten sind zu ersetzen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist. Es können nach § 249 Abs, 2 Satz 2 BGB die Kosten erstattet verlangt werden, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen.

Grundsätzlich kann die Beklagte der Klägerin ein überhöhtes Honorar nach § 242 BGB entgegenhalten, da die Klägerin im Falle der Zahlung überhöhter Sachverstandigenkosten seitens der Beklagten das Geleistete sogleich als Schadensersatz zurückerstatten müsate. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist vergleichbar mit den Pflichten der Mietwagenuntemehmer eine Aufklärungspflicht des Sachverständigen gegenüber seinem Auftraggeber darüber anzunehmen, dass sein Honorar gegebenenfalls über den üblichen Abrechnungssätzen liegt und insoweit möglicherweise nicht in vollem Umfang von der gegnerischen Haftpflichtversicherung erstattet wird. Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist die Haftpflichtversicherung in den Schutzbereich des zwischen Sachverständigen und Geschädigten abgeschlossenen Vertrages einbezogen und kann deshalb Schadensersatz beanspruchen, wenn der Sachverständige vertragliche Pflichten verletzt hat, die, wie bei der oben genannten Hinweispflicht auch zugunsten der Haftpflichtversicherung bestehen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az.: 7 U 111/12).

Die Sachverständigenkosten belaufen sich auf insgesamt 594,50 € (brutto), Anlage K 4 (Bl. 20 d.A.). Das Honorar setzt sich zusammen aus einem Grundhonorar in Höhe von 322,00 € netto sowie Nebenkosten in Höhe von 177,58 € netto, entsprechend einem Grundhonorar in Höhe von 383,18 € brutto sowie Nebenkosten in Höhe von 211,82 € brutto. Die geltend gemachten Nebenforderungen überschreiten demnach die vom OLG Dresden ( a.a.O.) berücksichtigte 25 Prozentgrenze.

Die Nebenkosten sind jedoch nicht auf 25 % des Grundhonorars zu beschränken. Diesbezüglich wird vollumfänglich auf das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 20. Januar 2016, Az.: 8 S 324/15, Bezug genommen. Zudem sind die einzelnen Nebenkostenpositionen ortsüblich und angemessen (vgl. LG Leipzig, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs, 1 ZPO.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorlaufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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8 Antworten zu AG Leipzig verurteilt die Zurich Insurance plc. zur Zahlung der restlichen, abgetretenen Sachverständigenkosten mit Urteil vom 14.4.2016 – 111 C 1860/15 -.

  1. G.v.H. sagt:

    Hallo, Willi Wacker,
    auch in diesem Urteil ging es nicht um eine fiktive Abrechnung von Gutachterkosten, sondern um die tatsächlich entstandenen Kosten für ein verkehrsfähiges und versicherungsunabhängiges Schadengutachten. Dennoch in den Entscheidungsgründen:

    „Es können nach § 249 Abs, 2 Satz 2 BGB die Kosten erstattet verlangt werden, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen.“

    Das Urteil des AG Idstein hat im Gegensatz hierzu deutlich herausgestellt, dass schadersatzrechtlich eine solche Bezugnahme nicht erheblich ist und gegensätzlich ausgeführt:

    „Dieser Schaden umfasst auch die Auslagen für das Sachverständigengutachten, was zwischen den Parteien im Grundsatz auch unstreitig ist. Soweit die Beklagte die Erforderlichkeit und Angemessenheit der über 684,59 € hinausgehenden Kosten hierfür gemäß § 249 Abs. 2 BGB bestreitet, geht sie nach Auffassung des hier erkennenden Gerichtes von vorneherein von einem falschen Ansatz aus.

    Die Klägerin will nicht „fiktiv“ abrechnen. Sie verlangte gar nicht „statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag“. Vielmehr will er gerade die zum Ausgleich ihrer Einbuße – Zahlung der Sachverständigenkosten – tatsächlich entstandenen Kosten gemäß § 249 Abs. 1 BGB.“

    G.v.H

  2. RA Schepers sagt:

    @ G.v.H.

    Die Gutachterkosten sind nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand zu ersetzen. Das ist allgemeine Meinung, ständige Rechtsprechung des BGH und auch bei captain-huk (zumindest bisher) unstreitig…

  3. Willi Wacker sagt:

    @ RA Schepers

    Schauen Sie sich mal BGH VI ZR 67/06 an.

    Dort hat der BGH ausgeführt, dass die Kosten des Sachverständigengutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.

    Ebenso können die Sachverständigenkosten zu dem nach § 249 II 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist.

    Mithin können die Gutachterkosten nach BGH sowohl nach § 249 I BGB als auch nach § 249 II 1 BGB ersetzt verlangt werden!!

  4. RA Schepers sagt:

    Der Leitsatz der Entscheidung BGH VI ZR 67/06 lautet

    Nach einem Verkehrsunfall kann grundsätzlich ein in Relation zur Schadenshöhe
    berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erstattet verlangt werden.

  5. Knurrhahn sagt:

    @ RA Schepers
    In rechtlicher Hinsicht entfaltet ein „Leitsatz“ keine eigene Wirkung, da er nicht Teil der Entscheidung ist, sondern der Entscheidung entnommen ist oder diese in prägnanter Weise zusammenzufassen versucht.
    Lt. Urteil des BGH vom 21.11.1991 – I ZR 190/89 ist ein Leitsatz dann als amtlich anzusehen, wenn er von einem Bediensteten des betreffenden Amtes verfasst wurde. Praktisch bedeutet das, dass i. d. R. der Berichterstatter des Spruchkörpers das Urteil redigiert, mit einem Leitsatz versieht und nach Billigung durch den Spruchkörper gegen Honorar einem Publikationsorgan zu Verfügung stellt. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass der Leitsatz den Inhalt des Urteils korrekt wiedergibt.
    (So – jedenfalls auszugsweise – lt. Wikipedia)

    Knurrhahn

  6. Ass. iur. Wortmann sagt:

    @ RA. Schepers
    Wenn es nur auf den Leitsatz ankäme, so hat der BGH mit Urteil vom 22.7.2014 gerade in seinem Leitsatz a) die Sachverständigenkosten als nach § 249 I BGB zu ersetzenden Vermögensnachteil nach einem Verkehrsunfall bezeichnet [BGH Urt. v. 22.7.2014 – VI ZR 357/13 Ls. a) ].
    Ihre Ansicht, dass der BGH in ständiger Rspr. gerade § 249 II 1 BGB angenommen hätte, ist daher nicht richtig. In VI ZR 67/06 hat er beide Normen als Maß für den Schadensersaatz nach Verkehrsunfall angenommen.

  7. Der Franziskaner sagt:

    @RA Schepers
    @Willi Wacker
    Bezieht sich § 249 Abs. 2, Satz 1 BGB nicht auf einen Zusammenhang mit der fiktiver Abrechnung, weil ansonsten ein „Zwang“ zu Schätzung gemäß § 287 ZPO etwas exotisch anmuten würde?
    Der Franziskaner

  8. RA Schepers sagt:

    @ Kollegen Wortmann, Willi Wacker, G.v.H. et al.

    Mea Culpa.

    Ich gebe mich geschlagen. Das nächste mal lese ich richtig.

    Allen einen guten Start in das Jahr 2017! 🙂

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