Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,
von Rosenheim in Bayern geht es weiter nach Leipzig in Sachsen. Nachstehend veröffentlichen wir hier ein Urteil des Amtsgerichts Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht. Wieder war es die HUK-COBURG, die die berechneten Sachverständigenkosten gekürzt hatte. Wieder fiel die HUK-COBURG mit ihrer Kürzung auf die Nase – und verlor den Schadensersatzprozess um die restlichen Sachverständigenkosten vor dem Amtsgericht Leipzig. Auch wenn, wie in diesem Fall, der Sachverständige den Restschadensersatz des Geschädigten auf Erstattung der vollständigen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht geltend macht, so bleibt es ein Schadensersatzprozess. Maßgeblich ist insoweit die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB. Insoweit eine positive Entscheidung des AG Leipzig, weil dieses richtigerweise auf die Grundsatzentscheidung zu den Sachverständigenkosten vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – Bezug genommen hat. Leider wurden jedoch die Kosten für die Restwertermittlung nicht zugesprochen. Das ist zum einen falsch und steht im krassen Gegensatz zu den sonstigen Ausführungen der Begründung. Außerdem wurde wieder auf die BVSK-Liste geschielt. Eigentlich bedürfte es dieses Umweges über BVSK gar nicht, denn der Geschädigte muss die Ergebnisse dieses Berufsverbandes nicht kennen (vgl. BGH DS 2014, 90). Im Übrigen kommt es im Rahmen des Erforderlichen nicht auf eine Liste an, die lediglich Werte der Angemessenheit im Sinne des § 631 ff. BGB angibt. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Herstellung Erforderlichen, ist weder der Schädiger noch das Gericht zu einer Preiskontrolle berechtigt, was auch für die Sachverständigenkosten gilt (BGH DS 2006, 144 m. Anm. Wortmann). Lest aber selbst das Urteil des AG Leipzig und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 103 C 4355/15
Verkündet am: 16.10.2015
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
HUK-COBURG Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. in Coburg, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg, vertreten durch den Vorstands Vorsitzenden Dr. Wolfgang Weiler
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht …
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2015 am 16.10.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 661,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 19.05.2011 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der … in Höhe von 101,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 19.05.2011 durch Zahlung an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 681,28 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf restlichen Schadensersatz aus abgetretenem Recht in Anspruch. Die Klägerin betreibt ein Kfz-Sachverständigenbüro. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des Schädigers aus dem Unfallereignis vom 28.02.2011.
Die vollumfängliche Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Schädigers ist zwischen den Parteien unstreitig. Auf das von der Klägerseite erstellte Sachverständigengutachten vom 04.03.2011 nebst zugehöriger Rechnung der Klägerin vom gleichen Tage in Höhe von 1.137,28 EUR, auf die vorliegend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 22.03.2011 direkt an die Klägerin einen Teilbetrag in Höhe von 456,00 EUR gezahlt. Eine weitere Zahlung der Beklagten erfolgte trotz Aufforderung der Prozessbevollmächtigten der Klägerseite nicht. Die Klägerseite ist der Auffassung, die geschädigte … als Eigentümerin des geschädigten Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen … habe die Sachverständigenkosten aus dem Verkehrsunfall zulässigerweise an die Klägerin abgetreten.
Sie beantragt daher:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 681,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 19.05.2011 zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Rechtsanwälte … in Höhe von 101,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 19.05.2011 durch Zahlung an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie habe aufgrund einer Zahlungsanweisung durch die Geschädigte den überwiegenden Betrag beglichen, der als erforderliche Kosten erstattet verlangt werden könne. Darüber hinaus bestreitet sie die Wirksamkeit der Abtretung und bestreitet in der Folge die Aktivlegitimation der Klägerin.
Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird Bezug genommen, weiterhin auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2015.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nahezu vollumfänglich begründet. Sie ist in Höhe von 20,00 EUR abzuweisen. Die Klägerin hat gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, §§ 549, 398 BGB einen Anspruch auf Zahlung der noch offenen 681,28 EUR abzüglich 20,00 EUR, mithin auf 661,28 EUR. Zu den nach einem Verkehrsunfall zu erstattenden Kosten gehören grundsätzlich auch die Kosten der Schadensfeststellung in Form von Sachverständigenkosten. Ein Unfallgeschädigter kann einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (s. BGH, Urt. v. 11.02.2014, Az.: VI ZR 225/13). Erforderlich sind diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Der Geschädigte muss nicht zu Gunsten des Schädigers sparen und sich in jedem Fall so verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. In der Erklärung vom 28.02.2011 hat die Geschädigte erklärt, dass sie die Honorartabelle der Klägerin nach Gegenstandswert als Abrechnungsgrundlage verbindlich anerkennt. Somit sind zwischen der Klägerin und der Geschädigten die geltend gemachten Nebenkosten ebenso vertraglich vereinbart worden wie die Grundkosten; dass die Geschädigte hätte erkennen können, dass die von der Klägerin genutzte Honorartabelle in irgendeiner Weise erheblich erhöht ist, ist nicht vorgetragen und auch nicht festzustellen. Den einzigen Betrag, den die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht geltend machen kann, ist die Zahlung von 20,00 EUR für die Restwertermittlung. Nach Auffassung des Gerichts ist dies bei einem Gutachten, in dem es zu einem wirtschaftlichen Totalschaden des geschädigten Pkw kommt, in der Grundgebühr enthalten und kann nicht noch einmal gesondert geltend gemachte werden, zumal diese Position in der Honorartabelle nicht zu finden ist.
Soweit die Beklagtenseite bestreitet, dass die Zahlung von Nebenkosten vereinbart worden ist, entspricht dies nicht den Tatsachen. In der Honorartabelle der Klägerseite sind die Nebenkosten aufgeführt. Diese Honorartabelle haben die Geschädigte und die Klägerin vertraglich vereinbart. Auf einen Mittelwert oder Prozentsatz kommt es nicht an. Diese Nebenkosten stehen im Einklang mit der Entscheidung des BGH in VI ZR 225/13. Dort hat der BGH Nebenkosten in Höhe von 2,80 EUR/Lichtbild und eine Pauschale für Telefon, EDV Kommunikation, Büromaterial, Porto- und Schreibkosten in Höhe von 75,00 EUR anerkannt. Die Klägerseite macht nur Fotokosten in Höhe von 2,45 EUR/Bild geltend und hat die Kosten für Porto und Telefon mit 23,00 EUR angesetzt. Die Fotokosten in Höhe von insgesamt 29,40 EUR lassen sich kinderleicht daraus errechnen, dass dem Gutachten 12 Fotos beigefügt sind. 29,40 EUR geteilt durch 12 ergibt genau 2,45 EUR/Bild. Auch gegen eine Fahrtkostenpauschale bestehen keine Bedenken.
Die Geschädigte hat nach § 398 BGB die Schadensersatzforderung wirksam an die Klägerin abgetreten. Durch einen Vertrag mit einem anderen kann eine Forderung auf diesen übertragen werden. Mit dem Vertragsschluss tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen. Die Geschädigte hat am 28.02.2011 die von der Klägerin vorgelegte Abtretung über den Schadensersatzanspruch und zwar begrenzt auf die Gutachterkosten, unterschrieben. Die Beklagte ist in der Abtretung als Versicherungsnehmer der Schädigerin benannt.
Das Gericht hat keinerlei Bedenken auf das Erfordernis der Bestimmtheit der Abtretung. Eine solche ist wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist. An diesem Erfordernis der Bestimmbarkeit oder Bestimmtheit fehlt es, wenn von mehreren selbstständigen Forderungen ein Teil abgetreten wird, ohne das erkennbar ist, von welcher oder von welchen Forderungen ein Teil abgetreten werden soll, siehe BGH-Urteil vom 18. Februar 1965, II ZR 16/62. Wie bereits ausgeführt, sind von die Schadensersatzforderungen nur die Gutachterkosten an die Klägerin abgetreten worden.
Auch ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt nicht vor. Nach § 307 BGB sind die Bestimmungen in den AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Warum sich ausgerechnet die Beklagte als Haftpflichtversicherer der Schädigerin dafür stark macht, die Geschädigte sei unangemessen benachteiligt durch die Verwendung der AGB, ist dem Gericht nicht ersichtlich. Eine unangemessene Benachteiligung ist aber auch nur dann anzunehmen, wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertrages zweckgefährdet ist. Der Vertragszweck im vorliegenden ist deutlich ersichtlich und von der Geschädigten auch so gewollt. Sie wollte ein Gutachten über die an ihrem Fahrzeug durch den Unfall eingetretenen Schäden einholen und gleichzeitig bestimmen, dass sich die Klägerin als Sachverständige unmittelbar an die Versicherung halten soll und Ansprüche gegen sie nur noch geltend machen kann, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet.
Da von der Abtretung aber der gesamte Anspruch umfasst ist, kann die Klägerin sich auch an die Beklagte als Versicherer trotz der eben genannten Regelung halten.
Da die Beklagte auf eine vorgerichtliche Aufforderung der Klägervertreter nicht gezahlt hat, kann die Klägerin im Rahmen der geltend gemachten Schadensersatzansprüche auch Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwalts kosten verlangen, die der Höhe nach nicht zu beanstanden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Abweisung über 20,00 EUR fällt nicht erheblich ins Gewicht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 704, 709 ff. ZPO.
Die ganze Unredlichkeit der Beklagten ergibt sich einleitend aus dem Urteil:
„Die Beklagte behauptet, sie habe aufgrund einer Zahlungsanweisung durch die Geschädigte den „überwiegenden“ Betrag beglichen, der als erforderliche Kosten erstattet verlangt werden könne. “
1.137,28 EUR an Gutachterkosten sind angefallen und 456,00 EUR wurden gezahlt. Das sind gerade einmal eimal 40%. Dieser Prozentsatz ist der überwiegende Teil von 1137,28 € ? Hat da wohl das Coburger Eichhörnchen den Rechenkünstler vorher unbemerkt in die Hoden gebissen?
Hagen von Coburg
Nee, verehrte Amtsrichterin am AG Leipzig, da es keineGrund“gebühr“ nach einer Gebührenordnung gibt, können auch Abrufkosten für Restwertangebote darin nicht enthalten sein. Wer Ihen soetwas suggerieren will, ist ein Scharlatan. Eine solche partielle „Überprüfung“ von sog. Nebenkosten ist von der Schadenhöhe auch nicht abhängig. Allerdings stellt sich die Frage, was überregionale Restwertangebote in einem unabhängigen Beweissicherungs-Gutachten überhaupt zu suchen haben und für die Ermittlung reginonaler Restwertangebote, so wie vom BGH vorgezeicvhnet, bedarf es keiner Abrufkosten für eine Restwertbörse. Allerdings entstehen bei sorgfältiger Handhabung hier Kosten, die deutlich über den Abrufkosten einer Restwertbörsenkontaktierung liegen dürften. Ansonsten enthalten die Entscheidungsgründe schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevante Überlegungen, die für die Beklagte und ihre Schreibbüttel offenbar bis heute immer Neuland sind. Lässt vielleich Alois Alzheimer grüßen ?
Fabian