Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Halle an der Saale ist es nicht weit nach Leipzig. Deshalb stellen wir Euch heute noch ein positives Urteil des Amtsgerichts Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG vor. Wir meinen, dass es sicgh hierbei – bis auf den BVSK-Verweis – eigentlich ein Musterurteil handelt. In diesem Fall hat das erkennende Gericht entsprechend dem Leitsatz der BGH-Entscheidung vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – die Sachverständigenkosten nach § 249 II 1 BGB beurteilt. In dieser BGH-Entscheidung hat der VI. Zivilsenat die Sachverständigenkosten aber auch als unmittelbar mit dem Schaden zusammengehörigen Vermögensnachteil nach § 249 I BGB angesehen. Im Verfahren, das der Entscheidung VI ZR 67/06 zugrunde lag, hatte der klagende Geschädigte den Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt. Im Verfahren VI ZR 357/13, bei dem der BGH im Leitsatz den § 249 I BGB benennt, hatte ebenfalls der Geschädigte den Sachverständigen bestellt, wobei dann allerdings der Sachverständige aus abgetretenenem Recht – an Erfüllungs Statt – den Restschadensersatzanspruch der Geschädigten geltend machte. Es kommt daher nicht darauf an, wer den Sachverständigen oder die Werkstatt beauftragt. Die Werkstatt ist Erfüllungsgehilfe des Schädigers (BGHZ 63, 182 ff) und der Sachverständige ist ebenfalls Erfüllungsgehilfe des Schädigers (OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.). Soweit außerhalb dieses Blogs andere Ansichten vertreten werden, sind diese irrig. Der Verweis auf die Honorarumfrage des BVSK war allerdings überflüssig, denn es kommt nicht auf werkvertragliche Gesichtspunkte und eine Preiskontrolle des Werkvertrages an (vgl. BGH VI ZR 67/06). Daran ändert auch nichts, wenn der Sachverständige aus abgetretenem Recht den Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger oder dessen Versicherer geltend macht. Denn der Inhalt des Schadensersatzanspruchs ändert sich durch die Abtretung nicht, nur weil nicht mehr der Geschädigte, sondern jetzt der Sachverständige den Schadensersatzanspruch geltend macht (BGH Urt. v. 19.7.2016 – VI ZR 491/15 – Rn 22). Lest selbst das Urteil aus Leipzig und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und noch eine schöne erste Woche im Jahr 2017.
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 114 C 9522/15
Erlassen am: 30.05.2016
IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht …
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO am 30.05.2016
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 52,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2012 zu zahlen sowie von nicht gesondert festsetzbaren Kosten anwaltlicher Beauftragung gemäß Rechnung der
schtsanwälte vom 21.10.2015 in Höhe von 70,20 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2016 durch Zahlung an die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin freizustellen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Auf die Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Das Amtsgericht Leipzig ist sachlich gemäß §§ 23 ff. GVG und örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig.
II.
Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 29.09.2012 gemäß § 398, 823, 249 BGB, 7, 17 StVG, 115 VVG.
Es ist unstreitig, dass die Beklagte als Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeuges des Unfallgegners … mit dem amtlichen Kennzeichen … zu 100 % für die Unfallfolgen einzustehen hat. Bei dem Unfall wurde das Fahrzeug der Geschädigten, mit dem amtlichen Kennzeichen … beschädigt. Die Parteien streiten noch um restliche Sachverständigenkosten, die durch die Anfertigung des Beweissicherungsgutachtens der Klägerin vom 04.10.2012 entstanden sind in Höhe von 572,63 €. Von diesem Betrag hat die Beklagte einen Teil in Höhe von 520,00 € an die Klägerin gezahlt.
Die Beklagte kann sich nach Auffassung des Gerichts nicht auf die Unwirksamkeit der Abtretungserklärung berufen.
Die Beklagte hat im Vorfeld bereits eine Teilleistung an die Klägerin gezahlt und damit konkludent die Berechnung der Forderung der Klägerin dem Grunde nach anerkannt. Bei der Beklagten handelt es sich um ein großes Versicherungsunternehmen, das über eine Rechtsabteilung verfügt. Es ist daher davon auszugehen, dass von dort die Ansprüche der Klägerin, die von der Geschädigten an sie abgetreten wurden, geprüft wurden, bevor sie zum größten Teil reguliert wurden.
Das Gericht sieht es als rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten an, dass gegen das Gebot von Treu und Glauben stößt, wenn zunächst aufgrund der Abtretung an die Klägerin Zahlungen geleistet werden, die Beklagte sich dann jedoch im Rechtsstreit darauf beruft, dass der Anspruch dem Grunde nach nicht besteht (vgl. insoweit auch Landgericht Leipzig, Urteil vom 20.01.2016, Az.: 8 S 334/15).
Die Geschädigte hat vorprozessual ihre Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Urteil abgetreten, so dass es sich auch nach der Abtretung nicht um Werklohnansprüche handelt, sondern um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Aus diesem Grund sind die Einwände, die die Beklagte gegen die Vergütung der Klägerin erhebt, unerheblich.
Die Geschädigte hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten, da diese zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören.
Wie überhaupt ein Geschädigter erkennen kann oder soll, dass die Sachverständigenkosten – wie von der Beklagten behauptet – um 52,63 € zu hoch ausfallen, wurde von der Beklagten nicht dargelegt.
Genauso wenig hat sich die Klägerin einen Abzug von 25 % des Grundhonorars gefallen zu lassen, da eine Überhöhung der geltend gemachten Nebenkosten nicht vorliegt. Auch diesbezüglich ist für das Gericht noch nicht einmal ansatzweise nachzuvollziehen, wie ein Geschädigter erkennen soll oder kann, dass und ob die vom Sachverständigen geltend gemachten Nebenkosten überhöht sind oder nicht.
Da die BVSK-Honorarabfrage 2013 eine geeignete Schätzgrundlage darstellt, musste kein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Legt man im konkreten Fall den HBV-V Korridor zugrunde, liegt auch diesbezüglich keine Überhöhung des Grundhonorars oder der Nebenforderungen vor.
Die Klägerin hatte daher gegen die Beklagte den Anspruch auf Erstattung der vollen Sachverständigenvergütung in Höhe von 572,63 €, so dass die Beklagte hinsichtlich des nicht gezahlten Restbetrages in Höhe von 52,63 € antragsgemäß zu verurteilen war.
Der Anspruch auf Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert beträgt: 52,63 €.
Im Urteil zu VI ZR 491/15 hat der VI. Zivilsenat des BGH sowohl § 249 I BGB als auch § 249 II 1 BGB in den Leitsätzen 1. und 2. erwähnt.
Nach Leitsatz 1 gehören die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs zu den mit dem Schaden unmittelbat verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermölgensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Mit diesem Leitsatz setzt der BGH seine Rechtsprechung aus VI ZR 67/06 fort.
Nach Leitsatz 2 bildet nicht die Höhe der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag, sondern der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der zugrundeliegenden Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Zahlbetrag Indiz für den zur Herstellung erforderlichen Betrag im Sinne des § 249 II 1 BGB. Hier stellt der BGH auf den tatsächlich erbrachten Betrag ab. Damit stellt er sich aber in Widerspruch zu seinen eigenen Ausführungen in Randnummer 15 des Urteils. Dort führt der Senat aus, dass der Geschädigte statt der Herstellung gemäß § 249 II 1 BGB, wenn wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist, den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, wobei sein Anspruch auf Befriedigung des Finanzierungsbedarfs in der Form des objektiv erforderlichen Geldbetrages und nicht auf den Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet ist. Also auf den Ausgleich bezahlter Beträge kommt es nicht an. Das ist auch richtig, denn das Schadensersatzrecht ist grundsätzlich kein Kostenersatzrecht. Die Reparaturkosten können zum Beispiel auch ohne Begleichung der Rechnung geltend gemacht werden.
Warum es dann bei den Sachverständigenkosten nicht mehr auf den Finanzierungsbedarf, sondern auf die Ausgleichung der Rechnung ankommen soll, ist unverständlich.
Meines Erachtens sind die Sachverständigenkosten daher sowohl nach § 249 I BGB als auch nach § 249 II 1 BGB auszugleichen (vgl. BGH VI ZR 27/73 = BGHZ 61, 346 f.; BGH VI ZR 67/06 = DS 2007, 144; BGH VI ZR 225/13 = NJW 2014, 1947; BGH VI ZR 357/13 -; BGH VI ZR 491/15 = NJW 2016, 3363).