AG Leipzig verurteilt mit kurzem und knappem, aber präzisem Urteil vom 15.1.2016 – 118 C 7322/15 – die Allianz Versicherung AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

von Karlsruhe geht es heute weiter nach Leipzig. Als Sonntagslektüre bieten wir Euch hier ein Urteil des AG Leipzig – 118. Zivilprossesabzeilung – zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Allianz Versicherungs AG. Zu diesem Urteil meinen wir: Kurz und trocken abgehandelt. So sieht Rechtssicherheit aus. Zu Recht hat das erkennende Gericht auch das Begrenzungs-Urteil des OLG Dresden, das ohnehin durch das Urteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – hinfällig wurde, verworfen. Eine Deckelung der Nebenkosten, sei es auf 100,– €, wie das LG Saarbrücken meinte, oder auf 25 Prozent der Gutachterkosten, wie das OLG Dresden meinte, ist unsinnig, denn der Aufwand, der über die Nebenkosten abgerechnet wird, ist von Gutachten zu Gutachten unterschiedlich. Lest aber selbst das prima Urteil des AG Leipzig vom 15.1.2016 – 118 C 7322/15 – und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes langes Wochenende.
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 118 C 7322/15

Verkündet am: 15.01.2016

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

Allianz Versicherungs AG, An den Treptowers 3, 12435 Berlin, v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht W.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2015 am 15.01.2016

für Recht erkannt:

1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 177,44 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit dem 16.01.2015 sowie als Nebenforderung 3,00 € vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

2.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 177,44 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Bezahlung von weiterem Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 11,07.2014 in Höhe von 177,44 € aus §§ 398 BGB, 115 VVG, 249 BGB zu.

Unstreitig hat die Beklagte für sämtliche, der Geschädigten entstandenen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 11.07.2014 einzustehen, da der Verkehrsunfall auf ein alleiniges Verschulden des Versicherungsnehmers der Beklagten zurück zu führen ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten umfasst der Schadensersatzanspruch auch den noch offenen Teilbetrag der Sachverständigenkosten.

Auch die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass die Kosten eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall zum erforderlichen Herstellungsaufwand zählen. Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft dies auch für die noch mit der Klage geltend gemachten Beträge zu.

Es kann dahin stehen, ob die von der Klägerin abgerechneten Preise im Vergleich zu den bei Kollegen abgerechneten Tarifen überhöht sind, da der Schädiger bei einem Verkehrsunfall auch überhöhte Kosten eines gegebenenfalls unbrauchbaren Gutachtens bezahlen muss. Von der Beklagten zu ersetzen sind die Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschädigten getätigt hätte.

Unter diesem Blickwinkel erscheinen die Forderungen der Klägerin nicht unvernünftig. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Verkehrsunfall für die meisten Verkehrsteilnehmer glücklicherweise um ein singuläres Erlebnis handelt. Aus diesem Grunde hat der normale Unfallgeschädigte nicht die geringsten Vorstellungen davon, welche Kosten von Sachverständigen für die Fertigung ihrer Gutachten abgerechnet werden.

Dies unterscheidet Sachverständigenkosten auch maßgeblich von Mietwagenkosten, da bei Mietwagenkosten die meisten sich der präsenten Werbung der Mietwagenunternehmen kaum entziehen können und vor diesem Hintergrund wohl ungefähre Preisvorstellungen von Mietwagenkosten haben.

Aus diesem Grunde kann es letztlich auch dahin stehen, ob die vereinbarten Nebenkosten betriebswirtschaftlich angemessen oder ebenfalls überhöht sind. Auch insoweit gilt, dass der normale Geschädigte wohl keine Vorstellungen haben wird, welche Nebenkosten ein Sachverständiger üblicherweise in seinem Gutachten abrechnet, Die Entscheidung des OLG Dresden, nach der die Nebenkosten auf 25 % der Gutachtenskosten zu begrenzen sind, vermag mangels nachvollziehbarer Begründung wie man auf diese Zahl kommt nicht zu überzeugen.

Die Nebenforderungen rechtfertigen sich aus §§ 286, 288 bzw. 249 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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2 Antworten zu AG Leipzig verurteilt mit kurzem und knappem, aber präzisem Urteil vom 15.1.2016 – 118 C 7322/15 – die Allianz Versicherung AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten.

  1. G.v.H. sagt:

    Hallo, Willi Wacker,
    das ist in der Tat ein Urteil des Richters W. am Amtsgericht Leipzig, das vom Inhalt und seiner beeindruckenden Kürze her, der nicht erheblichen Infragestellung und dem damit verbundenenen Täuschungsversuch bravourös Rechnung trägt, wenn er ausführt:

    „Es kann dahin stehen, ob die von der Klägerin abgerechneten Preise im Vergleich zu den bei Kollegen abgerechneten Tarifen überhöht sind, da der Schädiger bei einem Verkehrsunfall auch überhöhte Kosten eines gegebenenfalls unbrauchbaren Gutachtens bezahlen muss. Von der Beklagten zu ersetzen sind die Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschädigten getätigt hätte.“

    Dieser Richter diskriminiert das Unfallopfer nicht als nicht vernünftigen und nicht wirtschaftlich denkenden Menschen, wie im folgenden Absatz der Entscheidungsgründe noch deutlicher ausgedrückt:

    „Unter diesem Blickwinkel erscheinen die Forderungen der Klägerin nicht unvernünftig. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Verkehrsunfall für die meisten Verkehrsteilnehmer glücklicherweise um ein singuläres Erlebnis handelt. Aus diesem Grunde hat der normale Unfallgeschädigte nicht die geringsten Vorstellungen davon, welche Kosten von Sachverständigen für die Fertigung ihrer Gutachten abgerechnet werden.“

    Schließlich räumt er auch mit dem Hokuspokus einer vermeintlichen Überprüfungsnotwendigkeit auf und ordnet die Einwendungengen der Beklagtenseite schadenersatzrechtlich zutreffend als nicht erheblich ein:

    „Aus diesem Grunde kann es letztlich auch dahin stehen, ob die vereinbarten Nebenkosten betriebswirtschaftlich angemessen oder ebenfalls überhöht sind. Auch insoweit gilt, dass der normale Geschädigte wohl keine Vorstellungen haben wird, welche Nebenkosten ein Sachverständiger üblicherweise in seinem Gutachten abrechnet. Die Entscheidung des OLG Dresden, nach der die Nebenkosten auf 25 % der Gutachtenskosten zu begrenzen sind, vermag mangels nachvollziehbarer Begründung, wie man auf diese Zahl kommt, nicht zu überzeugen.“

    An diesem Urteil ist mehr als deutlich erkennbar, welches Juristenschmalz der 6. Zivilsenat des BGH produziert hat und den Unfallopfern als Brotaufstrich als besonders schmackhaft vermitteln möchte. Unüberlegtheit oder Vorsatz ? Das ist hier die Frage!-
    G.v.H.

  2. Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Die Besonderheit und Verständlichkeit der Entscheidungsgründe zeichnet sich dadurch aus, „mit Besonnenheit, Erfahrung und das glückliche Geschick, mit einfachem Sinn das Rechte zu treffen“.
    (Gottfried Keller).

    Dipl. – Ing. Harald Rasche
    Kfz.-Sachverständigenbüro
    Bochum&Tangendorf

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