AG Leipzig verurteilt mit überzeugender Begründung die HUK-COBURG Allg. Vers. AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 6.4.2016 – 102 C 7970/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

zum beginnenden Wochenende stellen wir Euch hier ein Urteil aus Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG vor. Wieder einmal meinte die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG, vorgerichtlich die  berechneten Sachverständigenkosten nach eigener (!!) Berechnung kürzen zu können, obwohl der BGH in der Entscheidung VI ZR 67/06, die das erkennende Gericht auch zutreffend zitiert, eine derartige Preiskontrolle untersagt hat, wenn der Geschädigte den Rahmen des Erforderlichen nicht überschreitet. Im Rahmen des Erforderlichen im Sinne des § 249 BGB liegt grundsätzlich die Beauftragung eines ohne Weiteres erreichbaren Kfz-Sachverständigen zur Feststellung und Dokumentation des Schadens. Dabei ist der Sachverständige berechtigt, sein Honorar in Relation zur Schadenshöhe zu berechnen. Honorarumfragen muss der Geschädigte nicht kennen (vgl. BGH VI ZR 225/13 Rn. 10). Wir halten das Urteil des AG Leipzig für eine prima Entscheidung gegen die HUK-COBURG. Vielleicht ändert diese beratungsresistente Versicherungsgruppe nunmehr ihre verquerte Rechtsansicht bezüglich der eigenmächtigen Schadensersatzkürzungen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab. 

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 102 C 7970/15

Verkündet am: 06.04.2016

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg, v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durch Richter am Amtsgericht S.
ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 06.04.2016

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 134,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 05.09.2014 sowie weitere 3,00 EUR zu zahlen.

2.        Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 134,41 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der im Tenor genannten Summe zu aus abgetretenem Recht gem. § 398 BGB, §§ 7 ff. StVG, § 823 BGB, § 115 VVG.

Der Klägerin steht aus einem Verkehrsunfall vom 26.6.2014 gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf vollumfänglichen Schadensersatz für die der Zedentin entstandenen unfallbedingten Schäden zu. Gem. § 249 Abs. 2 BGB kann die Klägerin hierbei den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen.
Auf das Bestreiten der Aktivlegitimation ist diese hinreichend nachgewiesen durch die vorgelegten Urkunden K 1 und K 2 im Original. Hieraus ergibt sich auch die Forderungsabtretung, die auch zur Wirksamkeit inhaltlich ausreichend ist. Aus der Urkunde ergibt sich ferner, dass die von der Klägerin geltend gemachten Honorarforderungen und Nebenkosten auch im Onginal auf der Rückseite der Auftragsurkunde, die der Geschädigte am 27.6.2014 unterzeichnet hat, abgedruckt sind.

Im vorliegenden Fall waren zur Wiederherstellung der dem Geschädigten unfallbedingt entstandenen Schäden auch die Aufwendungen von Sachverständigenkosten erforderlich. Der Kfz-Sachverständige hätte sich in den Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung, wenn er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt. Liegen dabei sowohl die Grundgebühr als auch die Nebenkosten in der Bandbreite der ständigem Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, so überschreitet die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne des §249 Abs. 2 BGB nicht (vgl. LG Zwickau, Urteil v. 17.01.2008, Az: 6 S 118/07).

Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung (vgl. Urteil BGH, Az.: VI ZR 67/06) ist in dem Fall, dass wie hier eine Preisvereinbarung zwischen den Parteien vorliegt, keine Überprüfung der Sachverständigenkosten veranlasst, weil keine einseitige Preisbestimmung durch den Sachverständigen vorliegt. Unabhängig davon ist grundsätzlich von § 249 BGB auszugehen. Bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, ist auch Rücksicht auf den Einzelfall zu nehmen, insbesondere auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten zum Zeitpunkt der Auftragserteilung. Der Geschädigte ist grundsatzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtete, um einen für den Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH Urteil v. 23.01.2007, VI ZR 67/06). Aus dieser Entscheidung ergibt sich insofern nicht der von der Beklagten angenommene Rechtsstandpunkt und auch nicht die Obliegenheit des Geschädigten, mehrere Angebote über die Höhe der Vergütung eines Sachverständigen in der näheren Umgebung einzuholen.

Es kann dahin stehen, ob die von der Klägerin abgerechneten Preise im Vergleich zu den bei Kollegen abgerechneten Tarifen überhöht sind, da der Schadiger bei einem Verkehrsunfall auch überhöhte Kosten eines gegebenenfalls unbrauchbaren Gutachtens bezahlen muss. Von der Beklagten zu ersetzen sind die Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschädigten getätigt hätte.

Unter diesem Blickwinkel erscheinen die Forderungen der Klägerin nicht unvernünftig. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Verkehrsunfall für die meisten Verkehrsteilnehmer um ein singuläres Erlebnis handelt Aus diesem Grunde hat der normale Unfallgeschädigte nicht die geringsten Vorstellungen davon, welche Kosten von Sachverständigen für die Fertigung ihrer Gutachten abgerechnet werden. Aus diesem Grunde kann es letztlich auch dahin stehen, ob die vereinbarten Nebenkosten betriebswirtschaftlich angemessen oder ebenfalls überhöht sind. Auch insoweit gilt, dass der normale Geschädigte wohl keine Vorstellungen haben wird, welche Nebenkosten ein Sachverständiger in seinem Gutachten abrechnet. Die Entscheidung des OLG Dresden, nach der die Nebenkosten auf 25 % der Gutachtenskosten zu begrenzen sind, vermag mangels nachvollziehbarer Begründung wie man auf diese Zahl kommt nicht zu überzeugen, vgl. AG Leipzig Urteile vom 10.7.2015 und 20.3.2015, AZ 118 C 1357/15 und 118 C 77/15) .

Die Abrechnung ist auch prüffähig. Der abgerechnete Betrag ist anhand der Schadenshöhe und der vorgelegten Honorartabelle (Anlage K1) nachvollziehbar. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Schadensminderungspflicht kommt auch insoweit nicht in Betracht, da der Unfallgeschädigte zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht feststellen konnte, welches der wirtschaftlich günstigere Weg zur Gutachtenerstellung sein könnte, da weder Schadenshöhe als Maßstab der jetzigen Honorarrechnung bekannt war, noch der voraussichtliche Zeitaufwand zur Bearbeitung des Gutachtens abschätzbar war, so dass bei Auftragserteilung gesicherte Maßstäbe über verschiedene Kosten bei unterschiedlichen Berechnungsmethoden für die Erstellung des Gutachtens für die Geschädigte nicht gegeben waren.

Für das erkennende Gericht bestehen anhand der im konkreten Fall geltend gemachten Vergütung angesichts der ständigen Rechtssprechung im Amtsgerichtsbezirk keinerlei Anhaltspunkte für eine Überhöhung der Honorarforderung. Ist dem Geschädigten kein Verstoß gegen er Beklagten angenommene Rechts Standpunkt und auch nicht die Obliegenheit des Geschädigten, auf Zahlung der im Tenor genannten Summe zu aus abgetretenem Recht gem. § 398 BGB, die Schadensminderungspflicht anzulasten, ist der aufgewendete Betrag auch zur Schadensbeseitigung erforderlich gem. § 249 BGB, so dass eine Darlegung der aufgewendeten Arbeitszeit nicht erforderlich ist.

Auch das weitere Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der geltend gemachten Nebenkosten verfängt nicht. Nebenkosten sind zum einen nicht zwingend gewinnneutral abzurechnen, zum anderen bewegen sich die Kosten im geltend gemachten Umfang im ortsüblichen Rahmen. Dies ergibt bereits der Vergleich mit Kostensätzen aus dem JVGG oder der Vergleich mit den Kosten anderer Sachverständiger. Dem gegenüber sind die von der Beklagten in Ansatz gebrachten Kosten ohne nachvollziehbaren Hintergrund und bewusst niedrig angesetzt worden. Dies ergibt bereits die fehlende Berücksichtigung von Kosten für Anschaffung von Technik zur Herstellung von Fotos oder der Kosten für die Beschäftigung einer Schreibkraft.

Die Beklagte war daher insgesamt zu verurteilen nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe ab dem unstreitigen Verzugszeitpunkt (vgl. auch die Urteile des AG Leipzig v. 23.02.2008, Az.: 102 C 5772/07 sowie vom 24.02.2010, Az.:102 C 7768/09).

Aus dem Gesichtspunkt des Verzuges steht der Klägerin auch ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Mahnkosten in Höhe von 3,00 EUR zu, deren Höhe das Gericht nach § 287 ZPO geschätzt hat Der Anspruch ergibt sich aus §§ 280, 286 BGB. Die Klägerin war berechtigt und gehalten, bei vorliegender Sachlage durch eine eigene Mahnung vorgerichtlich die offene Restforderung geltend zu machen.

Der Beklagten kann auch nicht dahingehend gefolgt werden, dass für das Gutachten 11 Fotos ausreichend gewesen seien und die Klägerin hier ohne sachlichen Grund die Kosten vergrößert habe. Entsprechendes ergibt sich nicht aus dem in Kopie als Anlage K 3 vorliegenden Gutachten. Letztlich fällt auch auf, dass die von der Klägerin geltend gemachte Forderung sich in der Bandbreite der von der Beklagten als Anlage B 2/K 11 vorgelegten Honorarbefragung im Wesentlichen bewegt und lediglich bei den Nebenkosten in Einzelfällen geringfügige Abweichungen vorliegen. Insofern war der Darstellung der Beklagten, bei der von der Klägerin geltend gemachten Forderungen handele es sich um wucherische Summe, auch nicht gefolgt werden. Die Beklagte war daher antragsgemäß zu verurteilen.

Nebenentscheidungen: § 708 Nr. 11, 711, 713 und 91 ZPO.

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7 Antworten zu AG Leipzig verurteilt mit überzeugender Begründung die HUK-COBURG Allg. Vers. AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 6.4.2016 – 102 C 7970/15 -.

  1. Kfz-Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Hallo, Willi Wacker,
    muss ein Unfallgeschädigter das JVEG oder die BVSK-„Befragung“ 2015 kennen und vor/bei Auftragserteilung zur Beurteillung abzurechnender Gutachterkosten heranziehen, die überhaupt noch nicht feststehen können ? Weil mich die Beantwortung dieser Frage interessiert, habe ich am vergangenen Wochenende eine kleine Markrecherche durchgeführt und insgesamt 100 Autofahrerinen und Autofahrer danach befragt, nach welchen Kriterien Kfz.-Gutachter ihr Honorar für ein Schadengutachten wohl abrechnen dürfen. Rund 62 % der Befragten war der Meinung, dass dies wohl recht unterschiedlich sein könne. 98 % war das JVEG dagegen unbekannt, 2 Befragte hatten im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit schon mal was davon gehört, hatten jedoch vom Inhalt nicht ansatzweise eine Vorstellung. Ich verschweige mal an dieser Stelle dezent, um welche Berufsgruppe es sich dabei handelte. Die BVSK-Honorarbefragung war den Befragten hingegen zu 100% unbekannt und man konnte sich darunter auch nichts darunter vorstellen. Es hat nebenbei riesigen Spaß gemacht, einmal in der Praxis zu erleben, wie die Befragten reagierten und was sie antworteten.
    Es war somit gerade keine spezielle Kenntnis festzustellen, die man vielleicht noch von einer Richterin oder von einem Richter erwarten könnte. Die nächste Markrecherche wird noch dezidierter angelegt und mehr Fragen beinhalten. Ich werde nach Abschluss dann wieder gern berichten.

    Mit freundlichen Grüßen
    aus H a m b u r g

    Dipl.-Ing. Harald Rasche

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr Rasche,

    ich antworte kurz auf Ihre Frage, ob der Geschädigte die BVSK-Befragung oder das JVEG kennen muss, klar mit Nein. Dass der Geschädigte die Ergebnisse der BVSK-Umfrage nicht kennen muss, hat der BGH bereits mit dem Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – in der Randnote 10 nachvollziehbar erklärt. Das gilt für alle Umfragen der Sachverständigenverbände.

    Insoweit verwundert mich das Ergebnis Ihrer Umfrage zum BVSK nicht.

    Dass der BGH in seiner jüngsten Sachverständigenkostenentscheidung VI ZR 50/15 Rn. 20 die Heranziehung der Betimmungen des JVEG als Orientierungshilfe im Rahmen der Schätzung des besonders freigestellten Tatrichters revisionsrechtlich nicht beanstandet hat, halte ich für falsch und widerspricht auch der bisherigen BGH-Rechtsprechung. Damit soll der Tatrichter offenbar auch einzelne Rechnungspositionen nach § 287 ZPO schätzen können. Das widerspricht dem Wortlaut des Paragrafen, denn § 287 ZPO spricht von einer Schadenshöhenschätzung. Entscheidend ist die (Gesamt-)Höhe des Schadens. Soweit der BGH darüber hinaus in seiner jüngsten Entscheidung der – allerdings irrigen – Rechtsansicht ist, in VI ZR 67/06 sei lediglich über das Grundhonorar entschieden worden, so ist die Ansicht tatsächlch falsch, denn in der der Revisisentscheidung VI ZR 67/06 zugrunde liegenden Entscheidung des LG Frankfurt / Oder ging es um das Gundhonorar u n d die Nebenosten. Die vom LG Frankfurt / Oder vorgenommene Anwendbarkeit der Grundsätze des JVEG auf Rechnungen der Privatgutachter sowohl hinsichtlich der Grundhonorare als auch hinsichtlich der Nebenkosten wurde i n s g e s a m t revisionsrechtlich beanstandet (vgl. BGH VI ZR 67/06)!!

    Der Bürger auf der Straße kennt die Bestimmungen des JVEG nicht! Auch der Normalgeschädigte, der nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall zum örtlich erreichbaren Sachverständigen geht, damit hinichtlich der Unfallschäden und des Umfangs der Schäden ein Gutachten erstellt wrd, kennt das JVEG nicht. Aber es kommt entscheidend auf die Ex-ante-Sicht des Geschädigten an (vgl. BGH VI ZR 67/06). Was der in seiner Situation für zweckmäßig und erforderlich erachtet, das ist entscheidend.

    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  3. Kfz-Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Danke, Willi Wacker,
    für Deine umfangreiche Antwort auf die von mir gestellte Frage.
    Dipl.-Ing. Harald Rasche

  4. W.W.K. sagt:

    Guten morgen, W.W.,
    wieso überhaupt „Orientierungshilfe“ im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO ?
    Werden die dem Geschädigten mittels einer spezifizierten Rechnung aufgegebenen Sachverständigenkosten etwa auf chinesisch ausgedruckt, dass es einer Schätzung bedarf, weil kein Dolmetscher zur Verfügung steht?

    Kommentar eines erfahrenen LG-Richters a.D.:

    „Die Fehlerhaftigkeit der Anwendung des § 287 ZPO mit der Aufgabe, die Erforderlichkeit entstandener Gutachterkosten als schadenregulierungspflichtig zu verdeutlichen, könnte einen fassungslos machen, da der von einigen Abteilungsrichtern gezogene Schluss über die Anwendung und gesetzlicher Ausfüllung des § 287 ZPO schlechthin unhaltbar ist, weil die richterliche Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen bzw. offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen worden sind, wobei der jeweilige Tatrichter die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung und ihrer Auswertung in den Urteilsgründen nicht ausreichend dargelegt hat (Vgl. BGH VersR 1962 824; Arndt DRiZ. 1970, 202.), denn eine nicht veranlasste Prüfung von Einzelpositionen im Zuge einer Schadenhöhenschätzung ergibt nicht gegenteiliges.“

    Und dann noch der rettende Strohhalm für rechtswidrige Beurteilung:
    Keine oder abgeschwächte Indizwirkung auf Grund der noch nicht bezahlten Rechnung!!?
    Hat schon mal jemand erlebt, dass der Geschädigte eine Unfallreparatur im voraus bezahlen kann bzw. will ? Oder Du kaufst ein Ersatzfahrzeug, hast aber die Rechnung noch nicht bezahlt. Gleichwohl bist Du mit der Zahlungsverpflichung belastet. Und für einen solchen Fall soll keine Indizwirkung vorliegen? DAS muss man einem vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Menschen mal überzeugend erklären. Neulich meinte ein Jungrichter, dass die Erklärung doch ganz einfach sei.: „Du parkst Dein Auto in einem gebührenpflichtigen Parkhaus. Dann hat der Parkschein keine Indizwirkung, gleichwohl bist Du bei Abholung mit der Zahlungsverpflichtung über einen vom Automaten errechneten Betrag belastet, den Du erst einmal entrichten muss und danch besteht dann erst die Indizwirkung.“ Aha, so ist das also zu verstehen?

    W.W.K.

  5. Karle sagt:

    @W.W.K.

    Die Darstellung des Jungrichters ist gar nicht so doof. Vorausgesetzt, man bringt die Überlegung zum Abschluss. Sofern ich mein Fahrzeug wieder zurück haben will, muss ich die Parkgebühr berappen. Ohne wenn und aber. Demzufolge macht es (in Sachen Indizwirkung) keinen Unterschied, ob die Parkgebühr bereits bezahlt ist oder nicht. Für den Fall, dass ich die Parkgebühr nicht bezahlen will, wird die Sache nämlich richtig teuer und das Auto ist dann natürlich erst einmal weg (Pfandrecht mit allen Folgen für die Mobilität).

    Genauso wird es auch von einigen Autowerkstätten praktiziert. Repariertes Fahrzeug nur gegen Bares (oder Karte) – Pfandrecht. Im Falle kreditierter Sachverständigenkosten ist es jedoch auch nicht anders. Da ist der Geschädigte mit der offenen Rechnung belastet und muss sich am Ende ggf. auf eine Pfändung einstellen, sofern er die Rechnung nicht bzw. nicht vollständig bezahlt. Sofern er sich weigert, geht die Sache möglicherweise bis zum BGH (X. Zivilsenat). Und die werkvertragliche Rechtsprechung dort ist eindeutig. Danach geht der Geschädigte mit seiner „bezahlten Rechnung“ einschl. Verfahrenskosten wieder zum VI. Zivilsenat => vollständiger Schadensausgleich gem. § 249 BGB, der ihm dort dann plötzlich zugesprochen werden muss (u.a Indizwirkung der nun bezahlten Rechung).

    Kurzum, der VI. Zivilsenat des BGH ist mit seiner konstruierten „Indizwirkung“ völlig „durchgeknallt“.

    Wenn man jedoch die Hintergründe kennt, die zu diesem Schwachsinn geführt haben, kommt Licht ins Dunkel. Die Sachverständigen mit ihren Klagen aus abgetretenem Recht waren den Versicherern schon lange ein Dorn im Auge. Die sind als Gegner viel stärker als irgendein Geschädigtenanwalt, der nicht auf Klagen zu den Sachverständigenkosten spezialisiert ist. Hierzu musste der BGH (bzw. ein bestimmter Richter) irgendwie liefern. Deshalb die Erfindung der „Indizwirkung“ einer bezahlten bzw. unbezahlten Rechnung. Denn bei einer Klage aus abgetretenem Recht handelt es sich ja stets um eine unbezahlte Rechung (keine Indizwirkung gem. BGH).

    Mit der Indizwirkung wird jedoch noch eine andere Problematik ausgelöst. Factoringunternehmen können den Laden eigentlich zumachen, nachdem das Prozessrisiko bei abgetretenen Forderungen nun überproportional erhöht wurde.

    Aber auch das gehört zum Wunschkonzert der Versicherer.

  6. Jens v. B. sagt:

    Schwerpunkte der Entscheidungsgründe:

    ***** Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung (vgl. Urteil BGH, Az.: VI ZR 67/06) ist in dem Fall, dass, wie hier, eine Preisvereinbarung zwischen den Parteien vorliegt, keine Überprüfung der Sachverständigenkosten veranlasst, weil keine einseitige Preisbestimmung durch den Sachverständigen vorliegt.
    [Also „prüfen“ Versicherer + einige Richter rechtswidrig]

    ***** Unabhängig davon ist grundsätzlich von § 249 BGB auszugehen. Bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, ist auch Rücksicht auf den Einzelfall zu nehmen, insbesondere auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten zum Zeitpunkt der Auftragserteilung.
    [ § 249 S.1 BGB wird durch Versicherer + einige Richter ebenso ignoriert, wie die Rücksichtnahme auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten]

    ***** Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtete, um einen für den Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH Urteil v. 23.01.2007, VI ZR 67/06).
    [Deshalb muss er auch Listen/Honorartableaus der Versicherer und Honorabefragungen von Berufsverbänden nicht „erforschen. Wo taucht dieser Umstand in Urteilsgründen auf ?]

    ***** Aus dieser Entscheidung ergibt sich insofern nicht der von der Beklagten angenommene Rechtsstandpunkt und auch nicht die Obliegenheit des Geschädigten, mehrere Angebote über die Höhe der Vergütung eines Sachverständigen in der näheren Umgebung einzuholen.
    [Praktisch ist eine solche Vorgehensweise nicht denkbar, wird dennoch in einer Vielzahl von Urteilen nicht angesprochen bzw. ausdrücklich verworfen]

    ***** Es kann dahin stehen, ob die von der Klägerin abgerechneten Preise im Vergleich zu den bei Kollegen abgerechneten Tarifen überhöht sind, da der Schädiger bei einem Verkehrsunfall auch überhöhte Kosten eines gegebenenfalls unbrauchbaren Gutachtens bezahlen muss. Von der Beklagten zu ersetzen sind die Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschädigten getätigt hätte.
    [ Damit wird abgestellt auf die Position des Sachverständigen als Erfüllungsgehilfe des Schädigers,womit Einwände einer angeblichen Nichterforderlichkeit oder Überhöhung oder Ortsüblichkeit der Boden der Erheblichkeit entzogen wird.]

    Fazit: Liegt der zugebilligte Betrag zumindest unterhalb des Doppelten dieses Betrages, sind die pauschalierten Infragestellungen rechtswidrig, weil nicht erheblich.
    100 % Haftung erfordert vor diesem Hintergrund auch 100% Schadenersatz und so versteht sich auch das BGH-Urteil vom 11. Februar 2014, Aktenzeichen VI ZR 225/13. Alles andere ist muffiger und angeschimmelter Mumpitz, der anwidert und deshalb in der Kritik stehen muss.

    Jens v. B.

  7. Rudi W. sagt:

    @ Jens von B.

    Hallo, Jens,

    sehr schön von Dir herausgestellte Entscheidungsgründe. Es ist richtig, dass zumindest bei unvoreingenommenen Richterinnen und Richtern die HUK-Coburg mit ihren Einwendungen fast regelmäßig scheitert, so auch mit ihrem Einwand vor Gericht, der Geschädigte habe gegen die Schadensgeringhaltungspflicht verstoßen. Sie vergisst dabei, dass der vom geschädigten Kfz-Eigentümer eingeschaltete Kfz-Sachverständige der Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283 ff; AG Nürnberg NZV 2010, 627; Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.). Fehler des Sachverständigen, auch bei der Berechnung seiner Kosten, gehen daher zu Lasten des Schädigers (AG Unna SP 2004, 205 f; AG Nürnberg SP 2008, 306). Das andere Geplärre ist schadenersatzrechtlich themaverfehlend. Man muss also weder rechnen noch schätzen, um die Schadenersatzverpflichtung zu verdeutlichen, denn das ist nicht mehr als viel Lärm um nichts auf unter werkvertraglichen Überlegungen.Das müsste auch jedes Gericht eigentlich wissen.-

    Rudi W.

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