Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum beginnende Wochenende geben wir Euch hier noch ein Urteil aus Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die VHV Versicherung bekannt. Die Verärgerung des erkennenden Amtsrichters über die massenweise eingehenden Rechtsstreite wegen gekürzter Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ist unüberhörbar. Die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherungen sollten doch einmal überlegen, ob es nicht sinnvoller – und wirtschaftlicher – ist, den Schadensersatzanspruch des Unfallopfers bei voller Haftung auch voll zu erfüllen. Auf Dauer verärgern sie wegen der rechtswidrigen Schadensersatzkürungen nur die Gerichte. Und damit geht dann eindeutig der Schuß nach hinten los! Völlig zu Recht hat das erkennende Gericht darauf hingewiesen, dass auch die immer wieder von den Vericherern angeführten Urteile, z.B. auch des OLG Dresden, nichts an den Grundsatzentscheidungen des BGH ändern. Eine prima Entscheidung, wie wir meinen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenede
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 105 C 5856/14
Verkündet am: 16.07.2015
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
VHV Allgemeine Versicherung AG, Constantinstraße 90, 30177 Hannover, vertreten durch d. Vorstand
– Beklagte –
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht …
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2015 am 16.07.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 20,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert beträgt EUR 20,00.
Tatbestand:
entfällt gemäß § 313a Abs. 1 ZPO
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist vollumfänglich aus §§ 398 ff. BGB, 7 ff. StN/G, 823 BGB, 115 VVG i. V. m. § 249 BGB begründet.
Das Amtsgericht Leipzig hat bereits mit seinen Urteilen vom 02.08.2007 (Az.: 105 C 8014/06), 28.06.2007 (Az.: 105 C 643/06), 14.06.2007 (Az.: 105 C 203/07), 14.06.2007 (Az.: 105 C 204/07), 12.07.2007 (Az.: 105 C 2159/07), 19.02.2009 (Az.: 105 C 1288/08), und 18.08.2011 (Az.: 105 C 667/11) sowie vom 15.01.2015 (Az.: 105 C 5162/14) entschieden, dass eine Beklagte als Haftpflichtversicherung eines Kraftfahrzeuges unter den in den jeweiligen Urteilen festgelegten Prämissen zur Zahlung der Kosten des Sachverständigengutachtens verpflichtet ist.
Es wird ergänzend hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 04.04.2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.05.2006 (Az: X ZR 122/05) grundsätzlich festgestellt hat, dass ein Vertrag, nach dem ein Sachverständiger ein Gutachten über die Höhe eines Kraftfahrzeugunfallschadens zu erstatten hat, ein Werkvertrag ist und für die Bemessung der Vergütung des Sachverständigen der Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung maßgeblich ist, wobei nach § 632 BGB – in dieser Reihenfolge – ihre tatsächliche Absprache, eine eventuell vorliegende Taxe oder die übliche Vergütung den Inhalt der Vereinbarung bestimmen.
Andererseits ist die verbleibende Vertragslücke nach den Grundsätzen über die ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, für die Gegenstand und Schwierigkeit der Werkleistung und insbesondere die mit dem Vertrag verfolgten Interessen der Parteien von Bedeutung sein können.
Nur wenn sich auf diese Weise eine vertraglich festgelegte Vergütung nicht ermitteln lässt, kann zur Ergänzung des Vertrages auf die Vorschriften der §§ 315 ff. BGB zurückgegriffen werden.
Der Bundesgerichtshof hat weiter festgelegt, dass ein Sachverständiger, der für Routinegutachten eine an der Schadenhöhe orientierte angemessene Pauschalierung seiner Honorare vornimmt, die Grenzen des ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraumes grundsätzlich nicht überschreitet.
Er hat weiter in den Gründen ausgeführt, dass, wenn sich nach einer festen Übung Spannen für Leistungen, wie die Leistungen der Schadengutachter für Kraftfahrzeugschäden auch für überregional tätige Auftraggeber, wie Versicherungen, allgemein herausgebildet haben, die Feststellung, welche Vergütung üblich ist, dem nicht entgegen steht, dass sich an einem bestimmten Orte eine feste Übung nicht gesondert feststellen lässt.
Nach dem zu Grunde liegenden Sachverhalt haben Herr … und die Klägerin unstreitig beim Vertragsschluss vereinbart, dass die im Sachverständigenbüro ausliegende Honorartabelle Vertragsbestandteil des Sachverständigenauftrags vom 21.03.2014 ist und als Abrechnungsgrundlage des Sachverständigenhonorars dienen soll.
Diese Honorartabelle ist nach Schadenhöhen der Bruttoreparaturkosten gestaffelt, wobei ggf. bei einer Wertminderung diese hinzu zu addieren ist, im Fall des wirtschaftlichen Totalschadens der Brutto-Wiederbeschaffungswert.
Der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass nicht von Amts wegen ein „gerechter“ Preis zu ermitteln ist; vielmehr geht es grundsatzlich darum, ob die getroffene Bestimmung des Sachverständigenhonorars sich noch in den Grenzen der Billigkeit hält und erst dann, wenn der Berechtigte die ihm durch die Billigkeit gesetzten Grenzen der Preisbemessung überschritten hat, die Bestimmung durch die Entscheidung des Gerichts zu ersetzen ist.
Die Vereinbarung der Parteien ist bindend, da Anhaltspunkte für eine sittenwidrige Preisvereinbarung nicht ersichtlich bzw. substantiiert dargetan sind. Auch sonstige Nichtigkeitsgründe sind nicht erkennbar.
Insoweit wird ergänzend auf die Entscheidungen des Landgerichts Leipzig vom 14.10.2005 (Az.: 16 S 238/05) = Amtsgericht Leipzig (Az.: 113 C 7019/04 und vom 19.02.2006 (Az.: 12 S 549/05) = Amtsgericht Leipzig (Az.: 117 C 13084/04) verwiesen.
Anhaltspunkte, von den grundsätzlichen Entscheidungen dieses Gerichts als auch von den anderen Referaten des Amtsgerichts Leipzig bzw. der Berufungskammern abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
Auch die weiterführenden Ausführungen der Beklagten führen im Ergebnis nicht zum Erfolg, da ein Missverhältnis zwischen den entstandenen Schaden und der Höhe des Gutachterhonorars der Klägerin nicht erkennbar ist.
Gerade bei der sachverständigen Untersuchung von Kraftfahrzeugen, die im Straßenverkehr auch ein erhebliches – technisches – Gefahrenpotential darstellen, kommt es darauf an, dass im Fall des Eintritts eines Schadens dieser mit der gebotenen Sorgfalt und Sachkunde festgestellt und untersucht wird.
Pauschalierungen der Beklagten auf anderweitige unter gerichtliche Entscheidungen überzeugen nicht.
Insbesondere wird auch im Hinblick auf die von der Beklagten gerügten Nebenkosten auf die Entscheidung diese Gerichtes vom 28.06.2007 (Az.: 105 C 10643/06) verwiesen. Die weitergehenden ausführlichen Ausführungen der Parteien zum Sachverständigenhonorar und auch den neueren Entscheidungen sowohl des Bundesgerichtshofs als auch des Oberlandesgerichtes Dresden führen zu keiner anderen Betrachtungsweise.
Im Übrigen werden die Parteien, insbesondere deren Vertreter dringend darum gebeten, keine Vielzahl amts- oder landgerichtlicher Entscheidungen zur Sachverständigenentschädigung zu übersenden. Gänzlich untunlich ist es, die Namen der erkennenden Richter/Richterinnen in Schriftsätzen zu erwähnen und nicht anonymisierte Urteile zu verbreiten.
Der Klage musste daher stattgegeben werden.
Die zuerkannten Nebenforderungen beruhen auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen fußen in §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
@ Willi Wacker
In der Tat ist das Urteil des AG Leipzig beachtenswert. Zumindest an diesem Gerichtsstandort hat man ziemlich einheitlich die Pforten geschlossen gegen die Versuche, dem Gesetz und der Schaderersatzrechtsprechung durch akrobatisch anmutende Verzerrungen einen anderen Anstrich zu verpassen und die Gerichtsbarkeit zu instrumentalisieren. Aber das haben die Verantwortlichen bei der VHV bestimmt noch nicht mitbekommen und hoffen immer noch auf ein Wunder. Sie sind ja auch ansonsten nicht besonders kreativ, wie die von der HUK-Coburg abgekupferten Kürzungsschreiben zeigen. Die haben doch glatt in einem Telefongespräch mit einem Geschädigten rechtsirrig behauptet, dass sie ein Gutachten nicht brauchen und auch nicht bezahlen würden, obwohl sich ohne Minderwert der Schaden bezifferte auf mehr als 8000,00 €. Zählt nun solche Falsch“beratung“ auch zu den verbotenen Haustürgeschäften?
Klaus
Apropos Haustürgeschäfte, da fällt mir ein, einmal nachzudenken, ob nicht solche vorliegen mit der Folge des fehlenden Widerrufsrechts, wenn Versicherungen durch ihre Mitarbeiter Geschädigte in ihr Wekstattnetz locken. Ich meine ja. Denn hier werden Geschäfte angebahnt nicht in den Geschäftsräumen des Geschäftsherrn, sondern am Telefon. Folge müsste doch sein, dass diese Geschäfte widerrufen werden können. Eine 14-tägige Frist läuft nicht, da eine entsprechende Widerrufsbelhrung nicht erfolgt ist. Was denken die Herren und Damen Juristen unter den Autoren und Lesern?