Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier und heute stellen wir Euch das dritte Urteil aus der neuen Leipziger Urteilsreihe vor. Es handelt sich um ein Urteil des AG Leipzig – 106. Zivilabteilung – zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Aachen Münchener Versicherung AG. Zunächst enthält das Urteil einige gute Ansätze. Leider verfällt der erkennende Richter dann wieder in die Angemessenheitsprüfung der Einzelpositionen der Rechnung. Der BGH hatte bereits mit dem Grundsatzurteil VI ZR 67/06 entschieden, dass weder das Gericht noch der Schädiger berechtigt sind, eine Preiskontrolle durchzuführen, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt. Den Rahmen des Erforderlichen wahrt der Geschädigte, wenn er nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall einen qualifizierten Kft-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt. Er selbst kann als technischer Laie regelmäßig nämlich weder den Schadensumfang noch die Schadenshöhe verläßlich angeben. Er ist daher berechtigt, einen Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen. Die dadurch entstehenden Kosten sind grundsätzlich als Wiederherstellingsaufwand vom Schädiger zu ersetzen (vgl. BGH VI ZR 67/06). Lest aber selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße znd einen schönen Brückentag
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 106 C 3058/15
Verkündet am: 27.10.2015
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
Aachen Münchener Versicherung AG, Aureliusstraße 2, 52064 Aachen, vertreten durch d. Vorstand
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht B.
im schriftlichen Verfahren gem. § 496 a ZPO im vereinfachten Verfahren am 27.10.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 153,14 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit 30.10.2015 sowie als Nebenforderung 3,00 € vorgerichtliche Mahnkosten zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Streitwert: bis 500,00 €
Tatbestand
Der Tatbestand wird wegen Nichterreichens der Berufungssumme von mehr als 600,00 € gemäß § 313a ZPO nicht dargestellt
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 398 BGB, 115 VVG, 249 ff BGB.
Die Abtretung ist wirksam.
Die Beklagte ist unstreitig für den streitgegenständlichen Unfall zu 100% ersatzpflichtig.
Der Schadensersatzanspruch erfasst auch den noch offenen Betrag aus der Sachverständigenrechnung vom 14.05.2014.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens nach einem Verkehrsunfall gehören zu dem erforderlichen Herstellungsautwand. Ersatzpflichtig sind diejenigen Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschädigten getätigt hätte.
Die Höhe des festgesetzten Grundhonorars von 606,00 € ist angemessen und nicht zu beanstanden. Eine Abrechnung anhand der Schadenshöhe ist ortsüblich.
Die in der Rechnung vom 14,05.2014 angeführten Nebenkosten sind ebenfalls angemessen.
Die Klägerseite hat substantiiert dargelegt, dass Fahrtkosten für 7 km entstanden sind. Die Höhe der festgesetzten Kilometerpauschale von 1,31 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der BGH hat in seiner Entscheidung unter dem Aktenzeichen VI ZR 225/13 Fahrtkosten in Höhe von 1,80 Euro pro Kilometer gebilligt. Da die Klägerseite pro Kilometer 1,31 Euro geltend macht, liegt dieser Betrag weit unter der vom BGH in der Entscheidung aus dem Jahr 2013 gebilligten Kosten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei den Fahrtkosten nicht allein auf die Benzinkosten, sondern auf die gesamten mit dem Fahrzeug verbundenen Kosten unter Berücksichtigung von betriebswirtschaftlichen Aspekten abzustellen ist. Fahrtkosten pro Kilometer in Höhe von 1,31 Euro werden daher als angemessen angesehen.
Die Kosten für ein Lichtbild mit 2,86 Euro liegen leicht über der vom BGH gebilligten Höhe von 2,80 Euro. Dies hält das Gericht für unschädlich, da keine erhebliche Abweichung vorliegt. Dass der Sachverstandige 13 Lichtbilder fertigt, liegt im Ermessen des Sachverständigen und ist nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Auch die Kosten für einen zweiten Fotosatz sind angemessen. Hinsichtlich der Schreibgebühren hat das Amtsgericht Leipzig bereits in Entscheidung aus den Jahren 2006 und 2007 Schreibkosten in Höhe von 4,90 Euro pro Seite ausdrücklich gerichtlich gebilligt. Die Klägerseite macht Schreib- und Druckkosten von 4,86 Euro geltend. Hierbei ist nicht alleine entscheidend, was tatsächlich ein Ausdruck eines Fotos kostet, sondern der gesamte mit den Schreibkosten verbundene Aufwand. Kosten für weitere Gutachten in Höhe von 19,00 Euro werden ebenfalls als erforderlich angesehen. Es ist gerichtsbekannt, dass weitere Kopien der Gutachten gefertigt werden. Es sind insoweit sowohl der Schädiger, der Geschädigte, als auch die Versicherung zu bedienen. Die Versand-, Telefon- und Internetkostenpauschale in Höhe von 23,30 Euro wird ebenfalls als angemessen angesehen. Die Klägerin liegt damit weit unter dem Maximalwert der BVSK-Befragung von 2003 mit einem Betrag von 38,00 Euro.
Das Gericht vermag sich der Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02,2014, Az.: 7 U 0111/12, wonach eine Erstattung von Nebenkosten, welche mehr als 25 % des Grundhonorars ausmachen, ausscheidet, nicht anzuschließen.
Dieser Rechtssprechung steht, nach Ansicht des erkennenden Gerichts, die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes entgegen. Bereits mit Urteil vom 11.02.2014 hat sich der BGH unter dem Aktenzeichen: VI ZR 225/13 dahingehend geäußert, dass bei einem Grundhonorar von 260,00 EUR, Lichtbildkosten in Höhe von 22,40 EUR, Telefon-, Porto- und Schreibkosten in Höhe von 75,00 EUR, Fahrtkosten / Zeitaufwand in Höhe von 91,80 EUR (d. h. 1,80 EUR je km, max. 100,00 EUR) sowie aus dem darauf errechneten Betrag entfallender Mehrwertsteuer, weder in Anbetracht in Höhe des Grundhonorars, noch in Anbetracht der Nebenkosten, zu beanstanden seien (BGH a.a.O., Orientierungssatz Nr. 4).
Auch in seiner Entscheidung vom 22.07.2014, Az.: VI ZR 357/13, beanstandet der BGH eine Pauschalierung der Höhe der Nebenkosten.
Die, losgelöst von den Umstanden des Einzelfalls erfolgte Beurteilung des Tatrichters, die von einem Sachverständigen zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten, seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100,00 EUR erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag übersteigen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, entbehrt einer tragfähigen hinreichenden Grundlage (BGH a.a.O., Leitsatz Nr. 3).
Aus alledem folgt, dass die Klägerseite einen Anspruch auf vollständige Bezahlung der gestellten Rechnung hat.
Maßgeblich für die Entscheidung ist insbesondere, dass die Kosten der Beauftragung der Klägerin bei der Auftragserteilung vom13.05.2014 vertraglich vereinbart worden sind. Dies bestätigt der Auftraggeber Herr M. mit seiner Unterschrift auf dem Formular der Auftragserteilung. Danach wird die auf der Rückseite des Formulars der Auftragserteilung aufgedruckte Honorartabelle und Preisliste verbindlich vereinbart. Die Tabelle wird zur Kenntnis genommen (Anlage K1, Bl. 10, 11 dA).
Der Verkehrsunfall ereignete sich am 12.06.2013. Der Auftrag wurde bereits unter dem 13.06.2013 ausgelöst. Zwischen Verkehrsunfall und Auftragserteilung bestand daher nur eine kurze Zeitspanne. Damit kommt es maßgeblich auf die subjektive Sichtweise des Auftraggebers, Herrn G. bei der Auftragserteilung an. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Auftraggeber von einem erheblich überteuerten Honorar des Sachverständigen ausgehen durfte.
Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung).
Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstiger Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13, Rnr. 15, m.w.N.).
In der selben Entscheidung hat der BGH die BVSK-Honorarbefragung für nicht geeignet gehalten, die zu erwartenden Ansätze bei den anfallenden Nebenkosten verlasslich abzubilden (BGH, a.a.O., Rnr. 20).
Die Nebenforderungen sind gemäß §§ 280, 286 BGB zu ersetzen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO.
Sehr geehrte CH-Redaktion,
gleich zu anfangs fährt das Gericht auf werkvertraglicher Schiene mit den Vokablen „angemessen“ und „ortsüblich“ ab. Dann geht es weiter mit einer vergleichenden Überprüfung der Höhe nach. Das alles ist schadenersatzrechtlich nicht veranlasst , während folgende Einschätzungen/ Beurteilungskriterien schon von Bedeutung sind:
A.
==> Das Gericht vermag sich der Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02.2014, Az.: 7 U 0111/12, wonach eine Erstattung von Nebenkosten, welche mehr als 25 % des Grundhonorars ausmachen, ausscheidet, nicht anzuschließen.
B.
==> Dieser Rechtssprechung steht, nach Ansicht des erkennenden Gerichts, die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes entgegen. Bereits mit Urteil vom 11.02.2014 hat sich der BGH unter dem Aktenzeichen: VI ZR 225/13 dahingehend geäußert, dass bei einem Grundhonorar von 260,00 EUR, Lichtbildkosten in Höhe von 22,40 EUR, Telefon-, Porto- und Schreibkosten in Höhe von 75,00 EUR, Fahrtkosten / Zeitaufwand in Höhe von 91,80 EUR (d. h. 1,80 EUR je km, max. 100,00 EUR) sowie aus dem darauf errechneten Betrag entfallender Mehrwertsteuer, weder in Anbetracht in Höhe des Grundhonorars, noch in Anbetracht der Nebenkosten, zu beanstanden seien (BGH a.a.O., Orientierungssatz Nr. 4).
C.
==> Auch in seiner Entscheidung vom 22.07.2014, Az.: VI ZR 357/13, beanstandet der BGH eine Pauschalierung der Höhe der Nebenkosten. Die, losgelöst von den Umstanden des Einzelfalls erfolgte Beurteilung des Tatrichters, die von einem Sachverständigen zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten, seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100,00 EUR erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag übersteigen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, entbehrt einer tragfähigen hinreichenden Grundlage (BGH a.a.O., Leitsatz Nr. 3).
D.
==> Maßgeblich für die Entscheidung ist insbesondere, dass die Kosten der Beauftragung der Klägerin bei der Auftragserteilung vom13.05.2014 vertraglich vereinbart worden sind. Dies bestätigt der Auftraggeber Herr M. mit seiner Unterschrift auf dem Formular der Auftragserteilung. Danach wird die auf der Rückseite des Formulars der Auftragserteilung aufgedruckte Honorartabelle und Preisliste verbindlich vereinbart. Die Tabelle wird zur Kenntnis genommen (Anlage K1, Bl. 10, 11 dA).
Generell richtungsweisend ist aber auch das, was Willi Wacker in der einleitenden Kommentierung wie folgt zusammengefasst hat:
„Der BGH hatte bereits mit dem Grundsatzurteil VI ZR 67/06 entschieden, dass weder das Gericht noch der Schädiger berechtigt sind, eine Preiskontrolle durchzuführen, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt. *****
Den Rahmen des Erforderlichen wahrt der Geschädigte, wenn er nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall einen qualifizierten Kft-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt. Er selbst kann als technischer Laie regelmäßig nämlich weder den Schadensumfang noch die Schadenshöhe verläßlich angeben. Er ist daher berechtigt, einen Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen. Die dadurch entstehenden Kosten sind grundsätzlich als Wiederherstellungsaufwand vom Schädiger zu ersetzen (vgl. BGH VI ZR 67/06).*****
Auch hier ist wiederum ,was die Beklagtenseite betrifft, feststellbar:
—>| Kein Sachvortrag, der als erheblich zu klassifizieren wäre
—>| Keine Ansprache eines Auswahlverschuldens
—>| Keine tragfähigen Ausführungen zu einem Verstoß gegen eine Schadengeringhaltungspflicht
—>| Und natürlich aus keine Ansprache der Rechtsfolgen aus der Position des Sachverständigen als Erfüllungsgehilfe des Schädigers.
Weiterhin ist als positiv herauszustellen, dass das Gericht im Rahmen seiner Beurteilung offenbar eine „Schätzung“ für nicht veranlasst hielt, denn auch ohne eine solche konnte die Schadenersatzverpflichtung der Beklagtenseite hier verdeutlicht werden, weil generell nach AG Köl und AG Leverkusen auch als entscheidungserheblich gilt:
„“Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.).“
„Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten Kosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, führt weder dazu, dass die geltend gemachten Kosten von vorneherein aus dem Rahmen des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB für die Schadensbehebung erforderlichen Geldbetrages fallen, noch rechtfertigt sich daraus die Annahme eines Verstoßes des Geschädigten gegen seine Pflicht zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB (BGH a.a.O.).“
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.-Ing. Harald Rasche
Bochum & Tangendorf