AG Lübbecke entscheidet zu der merkantilen Wertminderung mit Urteil vom 9.12.2011 – 3 C 410/11 -.

Hallo sehr geehrte Captain-Huk-Leser,

wo wir gerade in Kommentaren bei der merkantilen Wertminderung sind, gebe ich Euch nachfolgend  eine Entscheidung aus Lübbecke zur merkantilen Wertminderung von älteren Fahrzeugen bekannt. Zutreffend hat der erkennende Amtsrichter der 3. Zivilabteilung des AG Lübbecke mit Urteil vom 9.12.2011 – 3 C 410/11 – die BGH-Rechtsprechung zurWertminderung angeführt und die starre Grenze von 5 Jahren oder 100.000 Kilometern, die immer noch von Versicherern so angenommen wird, als ob es das BGH-Urteil nie gegeben hätte, abgelehnt. Der VI. Zivilsenat des BGH hat mit dem Urteil vom 23.11.2004 – VI ZR 357/03 – (= BGH NJW 2005, 277 ff.) der allgemeinen Situation des heutigen Marktes Rechnung getragen und sieht die Grenze des merkantilen Minderwertes nicht mehr starr bei einem Alter des Kraftfahrzeuges von 5 Jahren und einer Laufleistung bis 100.000 Kilometer an. Folgerichtig hat der Lübbecker Amtsrichter auch diese BGH-Entscheidung angewandt. Damit stellt das Urteil ein Beispiel dar, wie die BGH-Rechtsprechung bei den Instanzgerichten zutreffend umgesetzt werden kann. Lest aber selbst und gebt Eure Meinungen kund. 

Viele Grüße
Euer Willi Wacker

Aktenzeichen: 3 C 410/11
Verkündet am 09.12.2011

Amtsgericht Lübbecke

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat das Amtsgericht Lübbecke

auf die mündliche Verhandlung vom 09.12.2011

durch den Richter am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 Euro zzgl. Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2010 sowie weitere 46,41 Euro zzgl. Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5:

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Entscheidungsgründe

 

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

Der Anspruch des Klägers folgt aus den §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 249, 251 BGB in Verbindung mit § 115 VVG.

Die Haftung der Beklagten für die Folgen des Verkehrsunfalles vom 26. November 2010 ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.

Wegen einer merkantilen Wertminderung steht dem Kläger ein Anspruch in Höhe von 200,00 € gegen die Beklagte zu.

Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein ersatzfähiger unmittelbarer Schaden vor, wenn der Verkaufswert eines Kraftfahrzeuges durch einen Unfall gemindert wird, weil bei einem großen Teil des Publikums trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung – zum Beispiel wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden – eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb des Kraftfahrzeugs entsteht. Dabei ist streitig, bis zu welchem Alter bzw. welcher Laufleistung bei einem Kraftfahrzeug ein merkantiler Minderwert angenommen werden kann. Der Bundesgerichtshof hat eine frühere Grenze von fünf Jahren oder 100.000 Kilometern Laufleistung entsprechend der technischen Entwicklung und zunehmenden Langlebigkeit der Kraftfahrzeuge nicht aufrechterhalten, sondern entschieden, dass je nach den Umständen auch bei älteren Kraftfahrzeugen und größerer Fahrleistung ein merkantiler Minderwert zu bejahen sein kann (BGH NJW 2005, 277 (279) ).

Dies ist vorliegend im Hinblick auf die Fahrzeugmarke und das Modell des Kraftfahrzeugs des Klägers sowie seinem Wiederbeschaffungswert in Höhe von mehr als 10.000,00 € nach Auffassung des Gerichts zu bejahen. Zwar war das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalles bereits circa 6 ½ Jahre alt und hatte eine Laufleistung von gut 214.000 Kilometern, gleichwohl ist das Gericht davon überzeugt, dass es nicht nur einen Markt für derartige Fahrzeuge gibt, sondern die Unfallfreiheit für derartige Fahrzeuge weiterhin bei der Preisfindung zu berücksichtigenden Umstand bildet. Dies gilt jedenfalls bei einem Schaden, für dessen Beseitigung Reparaturkosten in Höhe von circa 3.600,00 € erforderlich sind.

Die Annahme eines merkantilen Minderwertes ist nicht wegen eines Altschadens in Form punktueller Eindellungen der Heckklappe ausgeschlossen. Das Ausmaß dieser Eindellungen ist unklar – insbesondere sind diese auf den vorgelegten Lichtbildern nicht erkennbar. Lediglich erhebliche Vorschäden können die der Annahme eines merkantilen Minderwertes entgegenstehen.

Die Höhe des Minderwertes schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 200,00 €.

Da die Einholung einer weiteren Stellungnahme des Sachverständigen … vom 14. Januar 2011 nicht erforderlich war, sind die dem Kläger hierdurch entstandenen Kosten nicht von der Beklagten zu ersetzen.

Die Ansprüche auf Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert von 200,00 € waren gemäß § 286, 288 BGB begründet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Ziffer 11, 711, 713 ZPO.

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2 Antworten zu AG Lübbecke entscheidet zu der merkantilen Wertminderung mit Urteil vom 9.12.2011 – 3 C 410/11 -.

  1. virus sagt:

    Die Urteilsbegründung hätte richtig lauten müssen:

    Der Sachverständige, beauftragt durch den Geschädigten, hat als Erfüllungsgehilfe des Schädigers im Gutachten eine Wertminderung von 200,00 Euro ausgewiesen. Somit war die Zahlung der Wertminderung sofort fällig. Unterschiedliche Ansichten von Schädiger und Sachverständiger sind nicht auf den Rücken des Geschädigten auszutragen.

    Sieht der Schädiger bzw. sein Versicherer eine Wertminderung nicht als gegeben, hätte er sich diesbezüglich mit seinem Erfüllungsgehilfen auseinandersetzten müssen.

    So wie es bei Honorarstreitigkeiten regelmäßig ausgeurteilt wird.
    Gleiches trifft auch auf die Erstattung von Mietwagenkosten zu. Auch der Leihwagenanbieter ist wie die Reparaturwerkstatt Erfüllungsgehilfe des Schädigers.

  2. Willi Wacker sagt:

    @ virus Donnerstag 14.06.2012 17:24

    Na ja, Richter – wie in diesem Fall – sind eben auch nur Menschen, die vielleicht nicht immer sorgfältig genug Urteile abfassen.

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