Mit Datum vom 14.04.2016 (27 C 320/16) hat das Amtsgericht Lübeck den Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten in Höhe von 111,83 € zzgl. Zinsen verurteilt. Die weitergehende Klage auf Erstattung der Kosten einer Halteranfrage wurde abgewiesen. Die Berufung wurde zugelassen.
Auch hier wurde entschieden, dass grundsätzlich vom Rechnungsendbetrag auszugehen ist und anhand dieser Gesamtsumme eine Prüfung vorzunehmen ist, ob die geltend gemachten Kosten erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB sind. Das Gericht geht im Rahmen seines Ermessen davon aus, das bei Zugrundelegung des Spitzenwertes aus dem HB V Korridor der BVSK Honorarbefragung und der vorgegebenen Kosten zuzüglich 10 % geltend gemachte Kosten bis zu dieser Höhe kein erkennbares Missverhältnis von Preis und Leistung darstellen. Leider verkennt das Gericht insoweit, dass die Nebenkosten der Honorarbefragung 2015 des BVSK eben nicht das Ergebnis einer Befragung darstellen, sondern von Herrn Fuchs willkürlich festgelegt wurden. Erstritten wurde das Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.
Die Entscheidungsgründe:
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist (mit Ausnahme der begehrten 5,10 € für die Halterauskunft) begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten als Halter des unfallbeteiligten Fahrzeuges ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 111,83 € aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7,17 StVG, 823 BGB, 249 BGB i.V.m. 398 BGB zu.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte als Halter des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen xx-xx xxx für die Schäden vollumfänglich haftet, die der Zedentin aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2015 in Y entstanden sind.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, so dass sie gegen den Beklagte den Schadensersatzanspruch aus den genannten Vorschriften geltend machen kann, insbesondere ist der Schadensersatzanspruch wirksam von der Zedentin an die Klägerin abgetreten worden, § 398 BGB. Der Wirksamkeit des Abtretungsvertrages (Anlage K1) steht nicht entgegen, dass er seitens der Klägerin nur den Stempel, nicht die Unterschrift trägt. Eine (konkludent seitens der Klägerin durch Vorlage der Abtretungserklärung abgegebene) Willenserklärung bedarf nach allgemeinen Grundsätzen zur Gültigkeit weder einer Unterschrift noch einer Datumsangabe. Hinzu kommt, dass die als Anlage B1 vorgelegte Abtretungserklärung die Unterschrift der Klägerin trägt. Da die Zedentin ihre Ansprüche erfüllungshalber (Anlage K1) bzw. sicherungshalber (Anlage B1) an die Klägerin abgetreten hat, ist auch nicht ersichtlich, inwiefern sie durch die Klausel unangemessen benachteiligt, die Klausel mithin gegen § 307 BGB verstoßen sollte.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 111,83 € zu. Denn die von der Klägerin geltend gemachten Sachverständigenkosten sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB.
Ein Geschädigter kann von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Der Geschädigte darf sich daher bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014, Az.: VI ZR 225/13).
Indes ist der vom Geschädigten aufzuwendende Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014, Az.: VI ZR 357/13).
Vorliegend sind solche Umstände nicht ersichtlich, auch wenn Einzelpositionen der klägerischen Rechnung – namentlich bei den Nebenkosten – die Werte aus der hier maßgeblichen BVSK-Honorarbefragung 2015 übersteigen. Denn entscheidend für die Frage, ob erkennbar überhöhte Preise vorliegen, sind im Grundsatz nicht die Einzelpositionen, sondern der Gesamtbetrag der Rechnung. Hält sich der Sachverständige danach insgesamt, d.h. in der Summe von Grundhonorar und Nebenkosten im Rahmen dessen, was wirtschaftlich vertretbar ist, muss der Geschädigte nicht alleine deshalb einen anderen Sachverständigen beauftragen, weil – bei isolierter Betrachtung – einzelne Positionen des Sachverständigen aus dem Rahmen fallen. Im Gegenteil ist es wirtschaftlich nicht nur vertretbar, sondern sogar sinnvoll, sich mit einzelnen (zu) hohen Positionen abzufinden, wenn der Gesamtpreis für die Erstellung des Gutachtens dennoch im Rahmen des Üblichen liegt (LG Oldenburg v. 25.08.2015, Az.: 1 S 16/15; LG Hamburg 323 S 45/14, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das gilt auch, soweit der Beklagte die Erforderlichkeit einzelner Positionen bestreitet und etwa vorträgt, dass nur 8 statt 10 Bilder notwendig und damit ersatzfähig seien.
Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, die Fahrkosten des Sachverständigen seien nicht zu erstatten, weil das Fahrzeug der Geschädigten noch fahrtüchtig gewesen sei, weshalb diese den Sachverständigen habe selbst aufsuchen müssen, verkennt er, dass der Geschädigte sichere Kenntnis von der Fahrtüchtigkeit seines Fahrzeuges in der Regel erst nach der Begutachtung des Fahrzeuges durch den Sachverständigen hat (LG Oldenburg a.a.O.). Darüber hinaus gebietet das Wirtschaftlichkeitsgebot auch nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob der Geschädigte den Schaden selbst zutragen hätte (BGH NJW 2014, 1947 ff.). Ein Geschädigter ist deshalb nicht gehalten, zur Vermeidung der Fahrtkosten des Sachverständigen (abzüglich der für die eigene Fahrt anfallenden Sowiesokosten) die Hin- und Rückfahrt zum und vom Sachverständigen selbst vorzunehmen und dort während der Dauer der Begutachtung zu warten (LG Oldenburg a.a.O.).
Im Rahmen des gerichtlichen Schätzungsermessens gemäß § 287 ZPO hält es das Gericht für sachgerecht und angemessen, von einem „erkennbar erheblichen“ Missverhältnis von Preis und Leistung jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn der Gesamtbetrag der Rechnung den Gesamtbetrag, der sich bei Zugrundelegung des Spitzenwertes aus dem HB V Korridor und der in der Honorarbefragung vorgegebenen Nebenkosten – jeweils zuzüglich eines Zuschlages von 10% – nicht überschreitet.
Danach war hier die streitgegenständliche Rechnung von insgesamt 474,83 € bei einem Schaden von 981,12 € voll erstattungsfähig. Denn bei Anwendung der obigen Grundsätze ergäbe sich nach der BVSK Honorarbefragung 2015 ( Spitzenwert aus dem HB V Korridor zuzüglich vorgegebene Nebenkosten) ein Betrag von
288,— € (Grundhonorar)
+ 29,05 € (41,5 km x 0,7 € Fahrtkosten)
+ 20,— € (10 x 2,0 € Fotokosten)
+ 28,80 € (16 x 1,80 € Schreibkosten)
+ 15,— € (Pauschale)
= gesamt 380,85 € netto, brutto 453,21 €. Zuzüglich eines Zuschlags von 10% ergibt sich damit ein Betrag von 498s53 €.
Die Zedentin hat auch nicht gegen ihre Schadenminderungspflicht (§ 254 BGB) verstoßen, weil sie bei einer – durch das Gutachten erst festgestellten – Schadenshöhe von 981,12 € ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben und sich nicht auf eine andere kostengünstigere Schätzung, wie etwa einen Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebes oder ein bloßes Kurzgutachten, beschränkt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 2005, 356) muss sich ein Geschädigter bei einem Schaden – wie hier – von über 700,- € nicht auf eine derart günstigere, aber auch ungenauere Schadensermittlung verweisen lassen.
Demgegenüber steht der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Halterauskunft in Höhe von 5,10 € zu. Es war nämlich nicht erforderlich iSd. § 249 BGB, durch eine Halteranfrage weitere Kosten zu produzieren, da der Klägerin ausweislich der Anlagen K1 und insbesondere K5 der Halter und Versicherungsnehmer bekannt war. Die Kosten der Halterauskunft sind daher nicht zu ersetzen.
Die Verurteilung zur Zahlung der Zinsen gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landgericht Lübeck Schwartauer Landstraße 9-11 23554 Lübeck
einzulegen.
Soweit das AG Lübeck.